Moritz und André gingen ins Wohnzimmer. „Das dauerte nicht mehr lange.“ André warf sich auf die Couch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Moritz grinste leicht und zog eine kleine Kreditkarte hervor. Er drehte sie zwischen den Fingern und sah seinen Bruder fordernd an. „Was ist das?“ „Das ist die Kreditkarte von unserem neuen Schwager. Ich finde, er könnte sein Geld mit uns teilen. Was hältst du davon, wenn wir sein Geld verspielen. Ich meine, er gehört ja schon fast zur Familie und man teilt mit der Familie. Er gibt uns das Geld und wir teilen den Gewinn.“ Moritz lachte laut. André zog die Schultern hoch. „Mach du nur. Ich werde mir nachher mal die Höhle im Steinbruch anschauen. Dort werden wir ihn nämlich hinbringen, wenn Ines die Nase voll hat. Es dürfte nicht mehr lange dauern. Aber ich muss auch sagen, der Junge gefällt mir. Er bietet ihr die Stirn und sie verzweifelt schon fast. Vielleicht schafft er es ja, dass sie mal wieder auf den normalen Stand kommt und merkt, dass sie nichts Besonderes ist.“ Moritz setzte sich gerade hin. „Du glaubst, dass sie ihn wieder gehen lässt? Das kann sie nicht machen! Der buchtet uns doch ein, sobald er frei ist!“ André stand auf. „Deswegen suche ich ja nach einem Versteck, wo ich ihn hinbringen werde. Ich habe an den alten Steinbruch bei Hohenhagen gedacht. Da wird schon lange nicht mehr gearbeitet und es kommt fast nie einer dahin. Da kann er sich dann, falls er wach ist, die Seele aus dem Leib schreien. Ich habe mir etwas von diesem Zeug, was Ines ihm immer gegeben hat, zurückgelegt. Keine Ahnung was es ist, aber ich werde es ihm spritzen und dann wird er schlafen. André grinste verschmitzt. „Ja doch… das hört sich nach einem guten Plan an.“ Moritz nickte zustimmend. „Weißt du was Ines vorhat? Heute Abend haben wir sogar freiwillig Ausgang bekommen und Kohle zum Spielen. Aber nur 200 für jeden. Na ich werde mal nachher schauen, was unser Schwager so auf dem Konto hat.“ André drehte sich zu ihm um. „Hast du denn seine PIN?“ „Ja…ich hab die Karte geknackt. Das ist mein kleines Hobby. Ab sofort zählt für die Karte mein Code.“ Moritz lachte laut auf. „Wie hast du das gemacht?“ Doch nun hob Moritz den Finger und wackelte mit diesem. „Du musst nicht alles wissen.“ „Gut….nun ja…dann würde ich sagen, wir machen uns nachher auf und fahren nach Aachen.“ „Schon wieder Aachen? Das wird langweilig. Können wir nicht woanders hinfahren?“ Moritz war mit der Wahl seines Bruders überhaupt nicht einverstanden. „Gut fahren wir nach Dortmund. Da geht es auch. Mein System wird auf jeden Fall eingesetzt. Willst du heute auch Poker spielen?“
Semir entspannte sich etwas, als Ines aus dem Zimmer ging, doch seine Gedanken fuhren Karussell. Vielleicht gab es jetzt doch noch Hoffnung. Er konnte den Freunden von Ines versuchen klar zu machen, dass er nicht freiwillig hier war und um Hilfe bitten. Ja, das musste er tun. Es konnten doch nicht alle so im Wahn sein wie Ines. Er legte sich einen Plan zu Recht, wie er vorgehen würde und zuckte zusammen, als Ines nach vier Stunden wieder zu ihm kam. „So mein Schatz. Ich werde dich in zwei Stunden meinen Freunden vorstellen. Das Essen ist in Vorbereitung und ich möchte, dass du dich beim Essen auch benimmst. Vor allem musst du jetzt tischfein gemacht werden. So wie du aussiehst, kann ich dich ja nicht unter die Menschen bringen. Ich werde dich jetzt frei machen und du wirst ins Bad gehen. Du wirst duschen und dich rasieren. Dann wirst du neu eingekleidet. Aber ich warne dich, solltest du auch nur einmal versuchen zu fliehen, oder meinen Freunden sagen, dass du nicht zu mir gehörst, werde ich dich bestrafen.“ Sie sah ihn ernst an. „Hast du mich verstanden?“ Semir nickte leicht. Sie löste die Gurte und er setzte sich auf. „Los!“ Ines sah ihn wütend an und dieser Blick sagte ihm, dass es besser wäre, dem Befehl zu folgen. Mit schwankenden Schritten ging er ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Er war froh darüber, endlich duschen zu können, endlich die Zähne zu putzen und vor allem einmal aus diesem Zimmer heraus zu kommen. Ines hämmerte an die Tür und er zuckte zusammen. „Du hast zehn Minuten!“ Er genoss das kühle Nass und hätte es sicher noch länger getan, wenn Ines ihn nicht an die ablaufende Zeit erinnert hätte. Semir stellte das Wasser aus und trocknete sich ab. Dann zog er die von seiner Wärterin bereit gelegte Kleidung an und rasierte sich. Das anschließende Zähneputzen ließ ihn sich wieder wie ein Mensch fühlen. Die Tür wurde geöffnet und Ines sah ihn an. Sie musterte ihn von oben bis unten und nickte zufrieden. „Ja, so gefällst du mir wirklich sehr gut. Du siehst zum Anbeißen aus. Wenn meine Freunde weg sind, dann werden wir es uns so richtig gemütlich machen.“ Sie lächelte versonnen und wollte ihn streicheln, doch Semir zuckte zurück. Sofort wurde sie wieder ernst und forderte ihn auf, das Bad zu verlassen. Er tat es nur zögerlich.