Es war Freitag. Semir und Ben brausten über die Autobahn und ließen ihre Blicke routiniert über den Verkehr schweifen. Bis zum nächsten Stau-wie am Freitagnachmittag so üblich. „Also wie besprochen-ihr kommt dann morgen und helft uns noch bei den letzten Einräumarbeiten und danach grillen wir auf der Terrasse!“ plante Ben den morgigen Samstag. Es war Spätsommer geworden und erst jetzt wurde gerade der Umzug Ben´s mit seiner Familie ins neue Heim-einem alten Gutshaus am Ortsrand eines malerischen Kölner Vororts-endgültig vollzogen. Sie hatten keine Eile gehabt, denn erstens würden sie die Stadtwohnung behalten, zweitens war Sarah hoch schwanger mit dem zweiten Kind und drittens hatten sie sich einfach Zeit gelassen, das schnuckelige Anwesen mit allerlei alten Möbeln und viel Flair einzurichten. Natürlich würde ein Umzugsunternehmen die Sachen, die sie mitnahmen, transportieren, aber es war immer schön, wenn man unter Freunden zusammen half und danach auch feierte.
Nun ertönte die Stimme Susanne´s aus dem Lautsprecher: „Zentrale für Cobra 11-ihr sollt in etwa einer Stunde zur Besprechung in der PASt sein-schafft ihr das?“ fragte sie und gerade wollte Ben zur Antwort ansetzen, da brach vor ihnen das Chaos aus.
Gerade hatte der Verkehr wieder zu fließen begonnen und der Stau sich aufgelöst, da brach ein unscheinbarer weißer Peugeot, der aussah wie ein Pharmalieferfahrzeug plötzlich aus und touchierte das Fahrzeug neben sich. Dieser Fahrer trat erschrocken auf die Bremse und so zog mit dem hässlichen Geräusch, wenn Metall auf Metall schrammte der Peugeot mit Vollgas vorbei, rammte das nächste Fahrzeug, das sich daraufhin quer stellte und so Semir zum Abbremsen zwang und raste dann über den Standstreifen in die Leitplanke, wo er mit immer noch aufheulendem Motor nach mehreren hundert Metern total demoliert zum Stehen kam: „Susanne-ich glaub nicht, dass wir es zur Besprechung schaffen-wir haben einen Einsatz-schick mal einen Rettungswagen und uniformierte Kollegen auf die A3-hier hat gerade ein Wahnsinniger einen Unfall mit mehreren beschädigten Fahrzeugen verursacht!“ rief Ben ins Mikrophon des Funkgeräts und hatte auch schon die Sirene und die Blaulichtleiste im BMW aktiviert. Semir setzte ein wenig zurück, fuhr ebenfalls auf den Standstreifen und war innerhalb weniger Sekunden bei dem total kaputten Peugeot angekommen, dessen Motor trotzdem immer noch lief. Beide Polizisten sprangen mit gezückter Waffe aus dem Fahrzeug-man wusste ja nie, was einen erwartete, aber nach kurzer Zeit steckten sie die wieder weg, denn hinter dem Lenkrad des verunfallten Wagens hing ein etwa sechzigjähriger Mann und war eindeutig tot, wie die gebrochenen Augen verrieten. Behutsam griff Ben über ihn und stellte den Motor des Fahrzeugs ab, die Tür hatte zwar ein wenig geklemmt, aber sich problemlos öffnen lassen und als er nun noch nach dem Puls des Mannes tastete, schüttelte er den Kopf-da war nichts mehr zu spüren.
Trotzdem zogen sie ihn noch heraus und begafft von vielen Schaulustigen, die nun einen neuen Stau verursachten, begannen sie mit Wiederbelebungsmaßnahmen, bis der Notarzt eintraf und ihre Bemühungen mit seinen Assistenten erst übernahm und dann nach einer Weile ohne Erfolg einstellte.
„So wie es aussieht-entweder Sekundenherztod oder Lungenembolie!“ vermutete der Notarzt und während sie nun auf das Eintreffen des Gerichtsmediziners, des Abschleppunternehmens und der Kollegen warteten, sahen sich Semir und Ben gleich mal das Fahrzeug an und schauten nach Papieren, die die Identität des Toten preisgeben konnten-man musste schließlich die Angehörigen verständigen. Sie fanden nichts außer einem älteren Handy, auf dem aber nicht zu ersehen war, mit wem sie es zu tun hatten. Die letzte Nachricht, die vor wenigen Stunden eingegangen war, lautete: „Abholung der Lieferung wie besprochen-der Mönch!“ und als sie die Ladung näher betrachteten, war das Fahrzeug bis obenhin voll mit Kartons, die nagelneue Computerspiele enthielten. „Schau mal Semir-das sind lauter hoch aktuelle Spiele!“ sagte Ben erfreut, aber Semir schüttelte den Kopf. „Ich weiss ja nicht, was du mit sowas anfangen kannst-spiel du lieber draußen mit deinem Sohn, das ist viel vernünftiger als dieser Computerscheiß!“ belehrte er ihn und Ben antwortete aufseufzend: „Ja Opa!“ denn in dieser Hinsicht war Semir seiner Meinung nach auf dem Stand des vorigen Jahrhunderts geblieben.
Sie hatten Susanne das Kennzeichen des Wagens durchgegeben und als die sich nun meldete versteinerte Semir´s Miene, der das Gespräch angenommen hatte: „Dieses Kennzeichen gibt es nicht!“ sagte er zu seinem Kollegen und als er nun versuchte die verbeulte Motorhaube zu öffnen, was erst mit einem Brecheisen gelang, suchte er dort vergeblich nach einer Fahrgestellnummer. „Ich denke, da ist etwas gewaltig nicht in Ordnung!“ vermutete Ben und sein Partner nickte nachdenklich.