09:00 Uhr (06.08.2015)
„Nun spiel doch mit deiner Puppe! Wir sind gleich bei der Mama und dann kannst du richtig spielen.“ Jennifer sah ihre dreijährige Nichte Sarah an. Sie waren auf der A3 unterwegs und das Mädchen fing an zu quengeln. Noch knappe 30 km trennen sie von dem Zuhause. Maria, Jennifers Schwester hatte sehr viel Glück im Leben gehabt. Ihr Mann war Bürgermeister von Oberhausen und sie waren auch noch glücklich. Zwei Töchter waren im Hause. Zum einen waren dort die 12jährige Melanie und die 3jährige Sarah. Maria kam heute von einem dreitägigen Lehrgang zurück und Melanie war auf Klassenfahrt. Jennifer hatte sich, da sie arbeitslos war, bereit erklärt, das Küken der Familie zu betreuen. Normalerweise kam sie mit Sarah sehr gut zu Recht, doch heute was das Mädchen unerträglich. „Weißt du was, ich fahre gleich auf den Rastplatz und dann bekommst du ein Eis.“ Doch auch dieses Versprechen ließ das Mädchen nicht ruhig werden. Jennifer reihte sich ein und verließ die Autobahn. Nur wenig später löste sie die Gurte des Kindersitzes, nahm Sarah auf den Arm und wollte gerade zu dem kleinen Kiosk gehen, als sie eine Bewegung im Rücken bemerkte. Bevor sie sich umdrehen konnte, packte sie jemand und hielt sie fest. Jennifer schrie, doch ihre Stimme wurde durch das Tuch gedämpft, das ihr vor Mund und Nase gehalten wurde. Mit einem Mal fühlte sie sich benebelt, nahm die Umgebung nur noch schemenhaft wahr. Farben gingen in ein tiefes Schwarz über und dann verlor sie jegliche Kontrolle über ihren Körper.
Semir und Alex waren ebenfalls auf der A 3 unterwegs, jedoch befuhren sie diese in die Richtung. Während Semir sich auf den Verkehr konzentrierte, trällerte Alex leise ein Lied. „Whow, hast du so eine tolle Nacht hinter dir?“ Alex sah ihn an und grinste. „Kann man so sagen.“ „Lass mich raten, Nela?“ „Ja, eine wunderbare Frau. Du glaubst gar nicht, wie sie mich verwöhnt hat.“ „Verschone mich bitte mit Einzelheiten, aber es gefällt mir, dass du ins Leben zurück gefunden hast. Wurde ja auch Zeit.“ Alex reckte sich. „Ach ja, ich hätte nichts gegen eine Wiederholung der Nacht. Sie ist einfach wunderbar. Ihr Humor, ihr Engagement, ihre Schönheit…“ „Jetzt ist aber gut.“ „Cobra 11 für Zentrale!“ Alex griff zum Mikro und meldete sich. „Cobra 11 hört!“ „Wir haben eine Kindesentführung an der A3, Rastplatz Hohenlind!“ „Wir sind gerade dran vorbei! Okay, wir fahren hin!“ Semir schaltete Blaulicht ein, fuhr die nächste Ausfahrt runter, um auf die richtige Seite zu fahren. Er wusste, dass er dadurch wertvolle Zeit verlor, doch auch er musste sich an die Regeln halten. Die Auffahrt zur Autobahn kam. Er fuhr rauf und trat das Gaspedal durch. Sie brauchten dennoch gute zehn Minuten bis zu dem besagten Rastplatz. Also sie dort ankamen, sahen sie eine Menschentraube und einen Rettungswagen. Semir hielt seinen Wagen an und gemeinsam stiegen sie aus. Der Notarzt sah sie und hob die Hand. „Gerkhan, Kripo Autobahn, mein Kollege Brandt. Was ist hier los?“ „Wir haben hier Frau Wienand bewusstlos aufgefunden. Sie wurde mit Chloroform betäubt, das haben wir schon rausgefunden. Sie schreit jetzt die ganze Zeit nach einer Sarah. In dem Fahrzeug von ihr, ist jedoch niemand mehr. Nur ein leerer Kindersitz.“ Alex und Semir wechselten einen Blick und ahnten, was hier passiert war. Sie wandten sich an die Frau, die gerade in den Rettungswagen gebracht wurde.
„Hallo, ich bin Semir Gerkhan von der Kripo. Was ist passiert?“ „Meine Nichte…wo ist Sarah? Sie war bei mir. Ich habe auf sie aufgepasst. Wo ist sie? Haben Sie sie gefunden?“ „Ganz ruhig. Wie lange ist das her?“ „Eine Stunde, höchstens. Ich wollte ihr doch nur ein Eis kaufen. Bitte suchen Sie sie, sie ist doch erst drei.“ Die junge Frau fing an zu weinen. „Wir müssen die Frau nun ins Krankenhaus bringen! Sie braucht jetzt Ruhe!“ Semir sah den Notarzt an. „In welche Klinik wird sie gebracht?“ „Johanniter Krankenhaus! Das ist das nächste.“ Semir nickte. „Okay, habt ihr euch umgesehen, ob ein Kind hier herumirrt?“ „Ja, aber da war nichts. Die Dame dort hinten, hat aber etwas gesehen! Sie ist wohl dazwischen und von den Tätern zu Boden gestoßen worden. Dabei hat sie sich vermutlich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen.“ Der Sanitäter wies nun auf eine ca. 50jährige Frau, die auf einer anderen Transportliege lag. „Danke…“ Semir und Alex gingen zu der Frau. „Hallo, ich bin Semir Gerkhan von der Kripo. Sie haben etwas beobachtet?“ „Doris Reeken. Ja, ich…ich war gerade im Kiosk und habe mir Zeitschriften angesehen. Da hab ich gesehen, wie die junge Frau dort mit einem Kind auf dem Arm und plötzlich kamen zwei Männer zu ihr. Der eine packte das Kind und der andere hielt die Frau fest. Er hat ihr den Mund zugehalten und dann ist sie zu Boden. Ich habe sofort nach dem Handy gegriffen und die Polizei angerufen und bin dann raus. Ich konnte noch einen der Männer packen, doch der hat sich befreit und mich heftig zu Boden gestoßen. Danach hab ich nur noch Schmerzen gefühlt und konnte nicht mehr aufstehen. Ich musste zusehen, wie die Männer mit dem Kind weg gefahren sind.“ Semir nickte anerkennend. Zivilcourrage war heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Viele hatten Angst, dass sie selbst in Gefahr gerieten und hielten sich bedeckt. Dann gab es die Anderen, die solche Dinge filmten und sie ins Internet stellten. „Haben Sie das Kennzeichen gesehen?“ Doris Reeken schüttelte den Kopf.