Diese Geschichte ist der siebte Teil der "Mordkommission Helsinki"-Serie. Die anderen Teile kannst du hier nachlesen:
1.Fall: Der Finne - Das ewige Lied des Nordens
2.Fall: Eiskalte Rache … entkommen wirst du nie!
3.Fall: Auf dünnem Eis
4.Fall: Pirun palvelijan - Diener des Teufels
5.Fall: Blackout
6.Fall: Kalter Schnee, heißes Blut
7.Fall: -
8. Fall: Grüße aus St. Petersburg
9. Fall: Kalter Abschied
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Ben beobachtete das Haus gegenüber und stopfte das Sandwich, das er sich von Zuhause mitgebracht hatte, in den Mund. Wie die Tage zuvor blieb er auch heute nicht unbemerkt. Eine Silhouette war hinter den großen Vorhängen im zweiten Stock zu erkennen. Ben wusste, wer ihn da ansah. Georg Hansen. Er war sich sicher, dass dieser Mann nicht so sauber war, wie er vorgab und er war gewillt es herauszufinden. Irgendwann würde der alte Herr in dem Haus einen Fehler machen und dann, dann würde er zuschlagen. Er lehnte sich seufzend zurück und verstellte die Rückenlehne etwas nach hinten. So langsam könnte mal etwas passieren. Seit zwei Wochen saß er fast ununterbrochen vor der Villa und noch hatte sich nichts getan. Der Typ sah ihm erst bis circa 23 Uhr zu und danach schien er ins Bett zu gehen. „Wie verdammt langweilig“, stieß Ben genervt aus, hielt dann jedoch inne, als sich jemand dem Haus näherte. Die Person trug eine Jeans und einen Kapuzenpulli, man konnte das Gesicht nicht erkennen. Der Gang und die Statue ließen ihn dennoch sofort erkennen, wer es war. Bens Augen weiteten sich ungläubig.. Wut stieg ihn ihm auf. Er war belogen worden, abermals! Am liebsten wäre er aus dem Auto gesprungen und hätte die Person zur Rede gestellt, aber sein Körper setzte sich nicht in Bewegung. War es Angst, Panik oder Enttäuschung, die ihn so lähmte? Er beobachtete, wie die Person schellte und wenig später in das Haus trat. Ben sah gebannt auf die Fassade. „Komm schon, geht ans Fenster“, murmelte er, doch es geschah nichts. Keine Person tauchte vor den hellerleuchteten Fenstern auf.
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Mikael zog die Kapuze zurück und sah den alten Mann vor sich an. „Dein Freund beobachtet uns“, begann Georg Hansen. Er lächelte. „Er ist nicht der Einzige, der dich Tag und Nacht im Blick hat, Großvater. Nur etwas weiter entfernt steht ein weiteres Auto … ich vermute die Drogenfahndung?“ Der Grauhaarige wies in ein Zimmer. „Lass uns in den Saal gehen, er geht nach hinten raus und ist vor neugierigen Blicken geschützt.“ Er nickte und folgte dem Mann. Er ließ sich auf das Sofa nieder und betrachtete die Person vor sich. „Schön, dass du dich gemeldet hast. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben“, begann Georg Hansen und goss ihm ein Glas Whiskey ein. Er schüttete die brennende Flüssigkeit in seine Kehle. „Du weißt hoffentlich, dass mir das viel bedeutet, dass du nach all diesen Jahren hier zu mir kommst und wieder Teil der Familie sein möchtest“, fuhr sein Großvater fort und er nickte. „Die letzten Wochen haben mir gezeigt, wer meine wahren Freunde sind und auf wen ich zählen kann.“ Der Mann lächelte und schüttete ihm ein neues Glas ein. „Es ist ein edler Whiskey, du solltest ihn mehr schätzen und nicht so herunter spülen.“ Der Grauhaarige lehnte sich zurück und betrachtete ihn. „Du hast die Polizeiarbeit also an den Nagel gehängt?“ „Ja, wie am Telefon gesagt, die letzten Wochen haben mir gezeigt, auf wen ich wirklich zählen kann.“
Mikael lächelte, griff nach dem Glas und ließ die Flüssigkeit darin vor seinem Auge kreisen. „Was ist mit Jäger?“, fragte sein Großvater nun. „Ben oder Konrad?“, stellte er die Gegenfrage. Ein Lachen erfüllte den Raum. „Natürlich Ben.“ Er zog die Schultern hoch. „Ich werde mich in den nächsten Tagen darum kümmern, dass er nicht mehr vor deiner Tür steht. Das ist es doch, was du möchtest oder?“, antwortete er gleichgültig.
„Er stört die Geschäfte“, war alles was Georg Hansen antwortete.
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Ben verfolgte, wie sich die weiß verzierte Tür der Villa wieder öffnete und Mikael heraustrat. Die blauen Augen seines Freundes blieben für einen Moment auf ihm haften und plötzlich war er sich sicher, dass er die ganze Zeit gewusst hatte, dass er hier stand und das Haus beobachtete. Der deutsche Kommissar hatte darauf gehofft, dass Mikael zu ihm kommen würde, ihm alles erklären würde, doch stattdessen senkte er den Kopf und ging mit eiligen Schritten davon. Ben verließ das Auto und lief ihm hinterher. „Bleib stehen, Mikael“, rief er, dich er erhielt keine Antwort. Ganz im Gegenteil, sein Freund erhöhte das Tempo noch einmal und begann schließlich zu rennen. „Bleib stehen! Mikael, verdammte Scheiße!“ Ben folgte seinem Freund und verkürzte den Abstand immer weiter. Die Tatsache, dass Mikaels Körper sich immer noch von einer Reihe von Verletzungen erholte, sollte jetzt sein Vorteil werden. Nur noch wenige Meter trennten ihn von seinem Freund. „Bleib doch endlich stehen!“, schrie er erneut und diesmal kam Mikael seiner Bitte nach und stoppte so abrupt, dass er ihm fast hinten reingelaufen wäre.
„Was machst du hier?“, stieß Ben zwischen seinen hektischen Atemzügen aus. „Ich weiß, wie das aussieht, Ben“, murmelte Mikael. Ben packte seine Schulter und drehte den Körper seines Freundes zu sich, damit er ihm in die Augen sehen konnte. „Was machst du hier? Ich dachte, dass du wieder in Finnland bist.“ „Ich muss etwas wissen“, antwortete Mikael mit bedrückter Stimme. Er sah ihn schief an. „Was musst du wissen?“ „Es hat mit meiner Vergangenheit zu tun, Ben. Es geht um meine Familie. Ich hoffe du verstehst, dass ich dich da nicht mit reinziehen möchte“, nuschelte der Schwarzhaarige, „…nicht noch einmal.“ Mikael setzte sich langsam in Bewegung. „Du solltest so tun, als hättest du mich nicht gesehen, Ben.“ Die Augen des Autobahnpolizisten weiteten sich. „Warum sollte ich das?“ Er griff nach dem Arm seines Freundes. „Mikael! Rede mit mir!“ Der Finne drehte sich um. „Bitte Ben, es ist besser so.“ Bens Augen trafen das blaue Augenpaar von seinem Freund. „Was ist los? Ich dachte, wir sind Freunde!“, schrie er nun. „Ich dachte, du willst keine Alleingänge mehr machen!“
„Du verstehst das nicht“, kam es nun. „Dann erklär es mir, Mikael, erzähl mir davon.“ Der Schwarzhaarige sah ihn lange an. „Vertraust du mir?“, fragte er schließlich. Ben runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“ „Es ist eine einfache Frage, vertraust du mir?“, wiederholte Mikael nur. „Natürlich vertraue ich dir. Wir sind Freunde, du hast mir nie Grund gegeben daran zu zweifeln“, stieß er nun aus. Mikael lächelte schwach und blickte zu Boden. „Dann erzähl niemandem, dass du mich hier gesehen hast. Nicht Eva, nicht Antti und auch nicht Semir.“ „Ich verstehe nicht, wie meinst du das?“ „Wenn sie nach mir fragen, bestätige, dass ich noch bei dir bin und über die letzten Wochen nachdenke … alleine sein möchte.“ Mikael drehte sich wieder von ihm weg und setzte seinen Weg fort. Ließ ihn verwirrt zurück. „Und bitte hör auf meinen Großvater zu überwachen.“ Er hechtete hinterher und packte ihn am Arm, um ihn zum Anhalten zu bewegen. „Was hast du vor! Du redest, als würdest du kurz davor sein, dir Probleme einzuhandeln!“ Der Jüngere löste sich aus Bens Griff. „Vertrau mir. Alles, was ich die nächsten Wochen tun werde, werde ich tun, um dich zu schützen. Bitte, Ben, zweifle nie daran!“