Ben und seine Familie waren am Wochenende auf eine Hochzeit eingeladen. Sarah´s Cousine heiratete und zwar nach Bayern in ein kleines verträumtes Dörfchen namens Mündling. Sie hatte beim Skifahren in den Alpen die Liebe ihres Lebens kennen gelernt und war ihrem Partner nach einigen Monaten Fernbeziehung in den Süden gefolgt, obwohl es für sie als gebürtige Hannoveranerin schwierig war, zu verstehen, was die Menschen dort in ihrem eigenen Dialekt sprachen, aber sie wurde dennoch freundlich empfangen und war fest entschlossen, in Nordschwaben heimisch zu werden. Ihr Verlobter hatte ein Grundstück im Ort und nachdem sie zunächst in der Einliegerwohnung seiner Eltern gewohnt hatten, wurde bald darauf mit dem Bau eines wunderschönen Wohnhauses begonnen, denn irgendwie schien jeder junge Mann hier im Dorf einen Bauplatz zu haben und einen finanziellen Grundstock mit dem zumindest der Rohbau bereits bezahlt war. Die Eltern waren früher Bauern gewesen und wenn sie nun auch schon lange keine Landwirtschaft mehr hatten, sondern zur Arbeit gingen, so hatten sie durch den Verkauf von Äckern und Wiesen keine finanziellen Sorgen und konnten ihre Kinder großzügig unterstützen. Corinna war mitten in der Stadt in einer Vier-Zimmer-Wohnung ohne Balkon aufgewachsen und genoss jetzt die Weite und Freiheit. Sie hielt sich gerne an der frischen Luft auf und als ihr ihre zukünftige Schwiegermutter zeigte, was in so einem bäuerlichen Gemüsegarten zu tun war, lernte sie mit Feuereifer und mit jedem Monat, den sie in Bayern war, verstand sie den Dialekt besser. Die Arbeitsmarktsituation hier war auch hervorragend-sie konnte sich die passende Stelle aussuchen und Klaus, ihr Verlobter arbeitete als Hubschrauberkonstrukteur im Militärbereich in einem in der nächsten Stadt ansässigen Großbetrieb und verdiente sehr gut.
Als das Haus sich in der Fertigstellung befand-mit viel Eigenleistung, denn hier halfen auch beim Bau alle zusammen, jeder hatte einen Kumpel, der etwas konnte und so konnte man auch da die Kosten in Grenzen halten- wurde dann eine riesige Hochzeitsfeier geplant und jede auch noch so weitläufige Verwandtschaft eingeladen. Für alle die von weiter her kamen-wie auch Sarah und ihre Familie- waren in den umliegenden Gasthöfen Zimmer gebucht und man sah einem rauschenden Fest entgegen. Wenn nun noch das Wetter passte, dann würde das eine Traumhochzeit werden, natürlich ganz klassisch im Mai bei hoffentlich angenehmen Temperaturen.
Corinna und Sarah hatten als Kinder oft zusammen die Ferien verbracht und auch wenn die Cousinen nun fast 500 km voneinander entfernt wohnten, durch E-Mail, Whats App und Telefon war ihre enge Verbindung auch in den letzten eineinhalb Jahren nie abgebrochen. Corinna und Klaus hatten Sarah und Ben auch immer besucht, wenn sie mal Richtung Norden fuhren, sie kannten die Kinder und sowohl ihre erste Wohnung, als auch das wunderschöne Gutshaus in dem sie jetzt lebten. Corinna hatte die gefährlichen Situationen und Abenteuer, die Ben und Sarah schon durchlebt hatten, seitdem sie zusammen waren, sozusagen aus der Ferne miterlebt und war von den beiden süßen Kindern mehr als begeistert-das war auch ihr Wunsch für die Zukunft-so ein wundervolles Pärchen wie Tim und Mia-Sophie!
Sarah hatte am Donnerstag die Koffer schon gepackt und sie würden am Freitag, sofort nachdem Ben Feierabend hatte, losfahren. Wenn sie gegen fünf am Nachmittag starteten, war damit zu rechnen, dass die Kinder bald im Auto einschliefen und wenn sie dann gegen spätestens zehn im Hotel ankamen, konnten sie sie hoffentlich schlafend in ihr Familienzimmer tragen. Sarah hatte mit dem Hotelmanager telefoniert, ein normales Bett für Tim und ein Gitterbettchen für Mia-Sophie standen bereit und Tim freute sich schon sehr auf die Reise nach Bayern-Sarah hatte ihm das schon schmackhaft gemacht und sogar einen kleinen Anzug mit lila Fliege für den knapp Dreijährigen erstanden.
Ben hatte leider keinen Urlaub am Montag bekommen, da der Personalstand wegen Krankheitsausfällen ein wenig knapp war und so würden sie am Sonntag am Abend wieder zurück fahren.
Eigentlich hatte Ben gehofft, ein wenig früher raus zu kommen, aber Murphy´s Law-gerade heute wurden Semir und er um vier noch zu einem Unfall auf der Autobahn gerufen, mussten die Fahrstreifen eine Weile komplett sperren, damit ein Rettungshubschrauber landen konnte und als Ben aufs Handy sah, war es schon viertel vor fünf. Direkt neben der gesperrten Autobahn verlief eine Landstraße und nachdem jetzt genügend Kollegen vor Ort waren, bestellte Ben-nach Rücksprache mit Semir-Sarah dorthin, denn bis sich der Stau aufgelöst hatte und sie mit Semir´s BMW hier weg kamen, konnten noch Stunden vergehen. Als Ben sah, dass die voll bepackte Familienkutsche sich näherte, schwang er sich über die Leitplanke und lief die Böschung hinunter. Semir winkte ihm noch nach und rief: „Schönes Wochenende euch und denk dran-immer freundlich lächeln, auch wenn du nichts verstehst!“ und Ben schnitt eine Grimasse und winkte zurück. Ehrlich gesagt hätte er lieber ein stinknormales Wochenende zuhause verbracht, anstatt in seinen schicken Anzug zu schlüpfen und der Hochzeitsfeier beizuwohnen. Er hatte Semir auch schon sein Leid geklagt, dass er den Bräutigam auch immer sehr schlecht verstehen konnte-das war schon ein merkwürdiger Dialekt, den der sprach und es war zu befürchten, dass die meisten Hochzeitsgäste den ebenfalls benutzten, aber immerhin war ja auch Corinna´s Familie da, die redeten wenigstens Hochdeutsch!
Sarah rutschte auf den Beifahrersitz, reichte jedem der Kinder noch ein Stück nicht bröselndes Stück Rosinenbrötchen nach hinten und dann stieg Ben aufs Gas und sie kämpften sich durch den zäh fließenden Feierabendverkehr auf die A3, aber mit jedem Kilometer wurde es besser. Um sieben hielten sie noch an einem Rasthof mit Burgerrestaurant, Ben verdrückte eine Riesenportion ungesunde Sachen, Tim bekamen zu seinem Entzücken eine Kindertüte und sogar Mia-Sophie durfte von der Mama ein wenig zerdrückten Burger probieren, als sie das angebotene Obstgläschen verschmähte-sie war inzwischen bereits ein dreiviertel Jahr alt-ein Vorzeigekrabbelbaby mit blonden Löckchen und strahlend blauen Augen. Sarah wickelte die Kleine noch, der Papa ging mit Tim aufs Männerklo-zur Vorsicht trug der nachts noch Windeln, aber untertags merkte er eigentlich, wenn er musste und als sie dann weiter fuhren, fielen den Kindern nach kurzer Zeit ganz nach Plan die Augen zu und tatsächlich waren sie um kurz vor zehn in Leitheim, wo das Zimmer im neu erbauten Schlosshotel sie schon erwartete. Sarah und Ben trugen die schlafenden Kinder ins Bett-die hatten weiche Jogginganzüge an, die sie auch als Schlafanzug tragen konnten und der Herr von der Rezeption brachte ihr nicht unerhebliches Gepäck mit einem Rollwagen nach. „Sag mal-wie lange willst du hier eigentlich bleiben, wandern wir aus?“ flüsterte Ben seiner Frau kopfschüttelnd zu, seiner Meinung nach hätte das Zeug für eine Afrikaexpedition gereicht! Sarah warf ihm ein gewinnendes Lächeln zu, formte einen Kussmund, antwortete aber nichts auf die Provokation und so verzog sich Ben noch auf einen Absacker an die edle Hotelbar. Dort kam er bald mit anderen Gästen ins Gespräch und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass die aus aller Herren Länder kamen, er aber keine Verständigungsprobleme hatte-hier zumindest noch nicht. An einem Tisch in der Ecke saßen sogar zwei Scheichs, die sich angeregt unterhielten und dabei einen Pfefferminztee und Snacks genossen. Ben hatte das einheimische Bier vom Fass probiert und das schmeckte vorzüglich, so war er schon wieder ein wenig versöhnt, als er eine Stunde später aufs Zimmer zurück ging, sich im Bad frisch machte, das bereitgelegte Schlafshirt und die Shorts anzog und dann neben Sarah, die wie die Kinder bereits schlief, ins bequeme Hotelbett schlüpfte. Auch diese Familienfeier würde vorüber gehen und wenig später sank auch Ben in einen traumlosen Schlaf.