Semir rannte so schnell er konnte zu Hartmut´s Wagen. Während der LKW-Fahrer, der unverletzt geblieben war, schleunigst das Weite suchte und schrie: „Weg hier, gleich fliegt alles in die Luft!“, riss Semir verzweifelt an der Tür von Hartmut´s Lucy. Die war völlig deformiert und klemmte, Hartmut hing bewusstlos über dem Lenkrad und Blut aus einer Kopfplatzwunde färbte alles um ihn herum rot. Aber das war ihr geringstes Problem, die Flammen schlugen inzwischen höher und beißender Rauch von schmelzendem Kunststoff brachte Semir zum Husten und raubte ihm die Sicht. Mit dem Mute der Verzweiflung mobilisierte Semir alle Kraft und plötzlich hatte er die Tür auf. Mit zitternden Fingern und selber vor lauter Husten schon nicht mehr ganz fit, löste er das Gurtschloss und zerrte Hartmut, der schlaff wie ein nasser Sack in seinen Armen hing, aus dem Fahrzeug. In diesem Moment kam der wieder zu sich und als Semir ihn anbrüllte: „Hartmut lauf-hilf mir!“ denn alleine hätte er es nicht geschafft, seinen Freund in der Zeit, die ihnen noch blieb aus der Gefahrenzone zu bringen, bewegten sich seine Beine fast automatisch. Semir fasste ihn unter und schleppte und zog ihn aus dem tödlichen Bereich. Kaum waren sie ein paar Meter entfernt, stand auch der Wagen schon in hellen Flammen und wenig später holte die Druckwelle sie von den Beinen. Beide schlugen zwar hart auf dem Asphalt auf, aber immerhin sie lebten und als wenig später der Klang der Martinshörner durch den wundervollen Sommermorgen schallte, flüsterte Hartmut zwischen zwei Hustenstößen: „Semir, das war ein Attentat, ich habe genau gehört, wie eine kleine Sprengladung mir das Bremssystem zerstört hat!“ und nun blieb Semir vor Schreck der Mund offen stehen.
Wenig später kümmerten sich ein Notarzt und einige Sanitäter um Hartmut und Semir. Gott sei Dank gab es sonst keine Verletzten und sie wurden alle beide zunächst einmal in die Uniklinik gebracht. In der Notaufnahme tummelte sich wenig später die halbe Besatzung der PASt, die von den Kollegen von dem schrecklichen Unfall verständigt worden war, denn man hatte natürlich Semir´s Wagen und ihn selber erkannt. Von Hartmut´s Lucy war nicht mehr als ein Haufen verkohltes Blech übrig, aber nach eingehender Untersuchung konnten die Ärzte bei Hartmut Entwarnung geben. „Er hat eine Rauchgasvergiftung, eine Kopfplatzwunde, die wir gestrippt haben und multiple Prellungen am ganzen Körper. Eventuell dazu noch eine leichte Gehirnerschütterung, die aber nicht dramatisch ist. Wir behalten ihn vorsorglich eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus-aber nur wegen der Gefahr des Lungenödems wegen dem eingeatmeten Gift. Er bekommt Sauerstoff und sie können ihn kurz besuchen, wenn er auf sein Zimmer gebracht wird!“, erklärte der Arzt der Chefin, die wie ein Tiger vor dem Behandlungsraum auf- und abgelaufen war.
Andrea war inzwischen auch eingetroffen-sie war gerade ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit gewesen und hatte die Kinder unterwegs schon in Schule und Kindergarten abgeladen, als Susanne sie verständigt hatte. Voller Sorge war sie ins Krankenhaus gestürmt, ihr Wagen stand völlig verbotswidrig im absoluten Halteverbot, aber das war ihr gerade völlig egal. „Schatz-was ist mit dir, wie geht es dir?“, fragte sie panisch, aber Semir, der gierig den Sauerstoff aus der Maske sog und vor lauter Husten kaum sprechen konnte, winkte ab. „Mir gehts gut, du kannst mich gleich mitnehmen!“, setzte er an, aber als der behandelnde Arzt den Kopf schüttelte und Andrea und ihn belehrte, dass auch bei ihm die Gefahr des inneren Ertrinkens durch die Einatmung der giftigen Dämpfe bestand und er ihn eine Nacht stationär aufnehmen wollte, sah ihn seine Frau mit einem derart bösen Blick an, dass Semir sofort die Klappe hielt. „Du wirst jetzt bis morgen früh hier bleiben, wie der Doktor gesagt hat, sonst rede ich nie mehr ein Wort mit dir !“, drohte Andrea und aufseufzend fügte sich Semir in sein Schicksal. So kamen die beiden Freunde und Kollegen gemeinsam in ein Doppelzimmer und kurz darauf war das so voll, dass man sich fast nicht mehr umdrehen konnte. „Leute-uns geht’s gut, geht an die Arbeit, ab morgen unterstützen wir euch wieder!“ warf Semir unter Husten nach kurzer Zeit die ganze Truppe hinaus und griff nach dem Inhalationsapparat, den man ihm und Hartmut hergestellt hatte. Allerdings fiel ihm dann noch was ein: „Chefin-vielleicht sollten wir uns wegen Hartmut bedeckt halten. Er ist der festen Überzeugung, dass das ein Attentat war. Es wäre eventuell sinnvoll den Täter-wer immer er auch ist, aber das werde ich schon noch herausfinden-in dem Glauben zu lassen, dass sein Anschlag erfolgreich war“, überlegte er und so verkündeten wenig später die lokalen Radiosender, dass es bei der schrecklichen Explosion am Morgen in Köln ein Todesopfer gegeben hätte und der Attentäter lächelte zufrieden, als er hörte, dass er das erste Drittel seines Auftrags erfolgreich und planmäßig erledigt hatte!
Ben war inzwischen mitsamt seinem Bett in einen Vortragssaal gebracht worden, wo bereits einige Leute auf Stühlen saßen, andere im Rollstuhl und noch ein weiterer Patient ebenfalls liegend herein gefahren wurde. Er musterte seine Mitpatienten und erntete alle möglichen Reaktionen, von freundlichem Lächeln über verlegenes Augenniederschlagen bei einigen Frauen, die sich seiner Attraktivität nicht entziehen konnten, kritischen Blicken von manchen Männern und er stellte fest, dass hier wirklich alles vorhanden war in fast allen Altersgruppen zwischen etwa sechzehn und sechzig. Der andere Patient im Bett lag ganz flach und war sogar über eine Trachealkanüle beatmet, aber er schenkte Ben ein offenes freundliches Lächeln, das er sofort erwiderte. Da gab es also durchaus jemanden, den es schlimmer erwischt hatte als ihn selber! Als der Leiter der Rehaklinik den Vortrag über die Ziele und den Ablauf einer stationären Reha erläuterte, rechtliche und organisatorische Dinge erklärte und die etwa 40 Neuankömmlinge begrüßte, schweiften Ben´s Gedanken ab. Solche Vorträge hatte er schon immer gehasst und die machten ihn schläfrig. Bevor ihm aber endgültig die Augen zu fielen, war der Vortrag zu Ende und einer seiner Mitpatienten, der mühsam mit zwei Krücken lief, trat mit einem Augenzwinkern an sein Bett: „Mann habe ich dich gerade beneidet-du hast dein Bett für ein Nickerchen gleich mitgebracht!“, flachste er und streckte dann die Hand aus: „Markus-ich hatte einen Arbeitsunfall und bin an der Wirbelsäule operiert-und wie heisst du?“ stellte er sich vor und Ben schlug mit kräftigem Händedruck ein: „Ben-bei mir wars, hmm, eher ein privater Unfall, obwohl, so ganz klar ist das nicht und ja, ich bin auch operiert!“, sagte er, denn anscheinend war sowas hier wichtig. „Ist das deine erste Reha?“, fragte nun Markus und als Ben nickte, sagte er: „Na dann viel Erfolg, wir werden uns sicher noch häufiger sehen!“, und Ben, der nun wieder in sein Zimmer gebracht wurde nickte-das vermutete er auch, aber Markus wirkte ganz nett, eigentlich freute er sich darauf!