Caro`s Sicht
„ALLES BRENNT…..ALLES GEHT IN FLAMMEN AUF…..ALLES WAS BLEIBT…..SIND ASCHE UND RAUCH…..DOCH ZWISCHEN SCHWAZRZEN WOLKEN SEH ICH EIN KLEINES BISSCHEN BLAU…..ICH HALT DIE LUEFT AN, LAUF ÜBER DIE GLUT….ALLES WIRD GUT…..
Ich sehe zu Tammy, die neben mir im Auto sitzt und genauso lautstark mitsingt wie ich. Wir lieben diesen Song von Johannes Oerding.
Ich kann von Glück sprechen, dass dieser Song hier gerade im Radio läuft. Er bringt Tammy, genau wie mich, auf andere Gedanken. Aber mir ist auch bewusst, dass es sich hier nur um eine Gnadenfrist handelt. Tammy wird früher oder später gnadenlos beginnen, mich über die vergangenen Stunden mit Alex auszuquetschen.
Bedauerlicherweise ist unser Lieblingssong auch schneller vorüber als mir lieb ist.
„So Süße! Jetzt will ich ALLES wissen! Und damit meine ich wirklich ALLES!“ und sieht auch schon grinsend zu mir rüber, als die letzten Klänge meiner bisherigen Rettung verstummen. Scheiße!
„Was soll ich denn sagen? Ich wurde selber krank und hab eingeschlafen, mehr nicht!“ den kurzen, hoffentlich selbstsicheren Blick meinerseits ignoriert Sie und holt schon Luft. Eieiei…
„Ja sicher! Und? Bei einer Skala von eins bis zehn…wie gut ist Alex im Bett?“.
„TAMMY, ich WAR KRANK!“ und werfe Ihr einen vernichtenden Blick zu.
„Ihr habt echt nicht miteinander geschlafen?“.
„Nein“.
„Wirklich nicht?“.
„NEIN, verdammt noch mal!“ bedauerlicherweise nicht und ärgere mich echt selber drüber.
„Freude schöner Götterfunke…du bist tatsächlich unbefriedigt!“ erklingt Ihre fassungslose Stimme und atme tief durch.
So ein Quatsch, ich bin nicht unbefriedigt….ich bin….gut….vielleicht etwas unbefriedigt, aber trotzdem glücklich, bis Miss `du bist unbefriedigt` mich gerade eben hier auf die Palme bringt.
Ich sollte mich glücklich schätzen, dass wir nicht miteinander geschlafen haben. Es würde Tammy tausend weitere Fragen auf die Tagesordnung rufen und jetzt wohl mit einem blauen Auge davongekommen.
Aber das es gestern nicht dazu gekommen ist, ist nicht meine Schuld alleine. Ich war der festen Überzeugung dass er ein typischer Mann ist und einfach nur simuliert.
Das er tatsächlich krank ist und mich ansteckt, konnte ich nicht erahnen und wäre Semir nicht reingeplatzt, wäre es auch sicher anders gelaufen.
Inständig hoffe ich, Semir vielleicht in meinem nächsten Leben nochmals zu treffen…dann werde ich Ihm die Tour gnadenlos vermasseln.
Tja, und heute Morgen, als ich wieder wach wurde, hat Alex noch so süß ganz leise schnarchend geschlafen, dass selbst ich es nicht übers Herz gebracht habe, Ihn zu wecken.
Vielleicht sollte ich Ihm später im Büro eine Nachricht schreiben. Es wird Ihm sicherlich ein atemberaubendes Lächeln ins Gesicht zaubert.
Nie hätte ich es für möglich gehalten, was Ihm die letzten Jahre zugestoßen ist.
Ich habe bemerkt, dass diese Zeit im Knast tiefe Spuren bei Ihm hinterlassen haben, auch, dass er nicht weiter über diese Zeit sprechen will. Aber es ist trotz allem seine Vergangenheit die Ihn stark gemacht hat und zu dem gemacht hat, was er jetzt ist.
Er ist nicht der große Redner, auch kein Mensch der Dir seine Gefühle auf dem Silbertablett serviert. Vielmehr sind es die kleinen Gesten bei Ihm. Sein Lachen, seine Blicke, seine Berührungen, seine Fürsorge, seine Ehrlichkeit und auch sein Beschützerinstinkt machen Ihn für mich zu einem besonderen Menschen.
Keine Sekunde seit gestern Vormittag bereue ich, keine Sekunde seit gestern Vormittag werde ich vergessen und jede Sekunde seit gestern Vormittag vermisse ich jetzt schon. Seine Art und Weise wie er mich ansieht, seine Art und Weise wie er mit mir spricht, seine Art und Weise wie er mich berührt, seine Art und Weise wie er mich küsst und seine Art und Weise wie er mir das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein wenn er mich schützend in seine Arme zieht.
„Willst du hier weiterträumen oder kannst du auch unbefriedigt arbeiten?“ reißen mich Tammy Worte aus meinen Gedanken und stelle entsetzt fest, dass ich vor der Einsatzzentrale bereits eingeparkt habe.
Himmel, bin ich hier her geflogen? Unauffällig lasse ich meinen Blick über die Fahrzeuge links und rechts von mir schweifen…Schwein gehabt…sind alle heil geblieben und steige aus.
„Ich verfluche Alex schon jetzt dafür, dass er Dich nicht flachgelegt hat, dann wärst du wenigsten soweit im Besitz deiner geistigen Kräfte um zu merken, dass deine Jacke in der eben zugeschlagenen Autotür hängt und du deshalb nicht weitergehen kannst!“ kichert Tammy fröhlich vor sich hin, öffnet meine Autotür und falle mit Schwung nach vorne. Alleine meiner Athletik ist es hier wohl zu verdanken, dass ich nicht zu Boden gehe. Das wäre heute der Supergau…der Tag kann gar nicht schlimmer werden. Unmöglich!
Ohne ein weiteres Wort schlage ich den Weg zu unserem Büro ein…das Gelächter meiner ach so `befriedigten` Freundin im Rücken.
Als ich die Bürotür öffne, sitzen Oli und Andy bereits an Ihren Schreibtischen und werfe Ihnen ein genervtes „Morgen“ zu, was für meine jetzige Stimmung sicher noch freundlich ist.
Mein guter Anstand hat wohl doch kurz um die Ecke gekuckt.
„Also dass Alex so schlecht im Bett ist hätte ich nicht erwartet!“ erklingt die belustigte Stimme von meinem neuen Staatsfeind Nummer eins…Oli!
“ Ach…und dein Blumenstrauß an Susanne hat Dir wohl den Höhepunkt deines Lebens verschafft oder was?“ fauche ich zurück, was Andy augenblicklich dazu bringt, seinen Kopf auf dem Tisch abzulegen, sich die Ohren zuhält und beginnt, lautstark das Lied von Biene Maja zu summen.
Oli hingegen fängt an, imaginäre Fussel von seinem schwarzen Shirt zu zupfen.
Krass…der Blumenstrauß war echt von Ihm. Das muss ich Alex erzählen. Schließlich war es ja nur eine Vermutung von Alex und Semir. Ich habe hier aber gerade die Bestätigung erhalten.
Seit einer halben Stunde sitze ich nun schon über den Papierkram, genau wie die anderen drei im Büro und beschließe, Alex eine Nachricht auf`s Handy zu schicken.
Als ich Sie gerade absende, segelt ein Papierflieger mit einer Papierblume auf meinen Schreibtisch mit einem dicken „SORRY“ auf dem Flügel.
Ein kleiner Blick auf meine linke Seite reicht…Oli sitzt gespielt weinerlich am Schreibtisch.
Ich nehme die Papierblume vom Flieger und schreibe auf die andere Seite des Flügels „angenommen“ und mache ein kleines Herzchen dazu bevor ich Ihn zu Oli durchstarten lasse und gleichzeitig mein Funkgerät am Schreibtisch anspringt.
„Delta 1, 2, 3 und 4! Geiselnahme mehrerer Personen. Einsatzort Waldgebiet Königsforst. Keine weiteren Koordinaten bekannt. Bodentrupp wurde verständigt. Helikoptereinsatz erforderlich!“.
„Einsatzleitung SEK verstanden! Bestätige Helikoptereinsatz“ drehe mich nach meinen Worten zu Tammy, Andy und Oli um weitere Anweisungen zu geben „Ok! Tammy und ich gehen zusammen in einen Heli sowie Mark und Sven von Delta 4 in den zweiten!“und wende anschließend mein Wort an Andy „Du übernimmt die Bodeneinsatzleitung“. Blitzschnell greife ich nach dem Funkgerät und stürmen gemeinsam aus dem Gebäude.
Am Auto angekommen höre ich bereits die Rotorblätter der Helikopter hinter dem Gebäude.
Tammy und ich nehmen Schutzweste, Sturmmaske und Helm aus dem Kofferraum sowie unsere Waffen und laufen nebeneinander mit dem zweiten Team auf die Rückseite des Gebäudes, wo die Helikopter bereits startklar sind.
Kaum sind wir in der Luft, sehe ich Andy und Oli mit meinem Auto vom Parkplatz fahren, gefolgt von Delta 2, 3 und 4.
Pures Adrenalin durchströmt meinen Körper. Die Anspannung ist förmlich greifbar. Aber genau für solche Einsätze wurden Tammy und ich ausgebildet. Speziell unsere Zeit bei S.W.A.T. beinhaltete täglich Einsätze aus dem Helikopter. Trotz allem ist es eine Herausforderung aus der Luft einzugreifen und den Einsatz zusammen mit der Bodentruppe zu koordinieren.
„Hey Stefan“ richte ich gefolgt von einem leichten nicken meine Worte an unseren Piloten.
„Meine Prinzessinnen“ kommt es prompt seinerseits und muss kurz schmunzeln. So nennt er uns immer und muss sagen, dass mir dieser Spitzname auch mehr zusagt als Hexen. Stefan ist ein Spaßvogel mittleren Alters seines gleichen, der oft den gleichen Humor in sich hat wie Tammy und ich.
Barbara, die neben Stefan vorne im Heli sitzt, ist erst seit kurzem bei der Helikopterbesatzung und spezialisiert auf SEK-Helikoptereinsätze. Sie genießt das volle Vertrauen von Tammy und mir und ist eine absolute Bereicherung, wenn Tammy und ich uns abseilen.
„Hey Babsi“ höre ich nun Tammy sprechen, gefolgt von einem „Ladys“ Ihrerseits an uns beide gerichtet.
„Stefan…Flugzeit?“ frage ich.
„Circa 4 Minuten!“ antwortet er tonlos.
„SEK-Heli 1 an Delta 1. Eintreffen am Zielort in vier Minuten. Werden Gebiet überfliegen und Zielort genauer bestimmen!“ spreche ich in den Funk, als Andy`s Stimme schon ertönt.
„Delta 1 verstanden! Eintreffen unsererseits in circa fünfzehn Minuten“.
Tammy nickt mir kurz zu und gebe Babsi das Einsatzzeichen, was Sie augenblicklich veranlasst zu uns in den hinteren Bereich zu kommen. Da wir keinerlei Angaben haben, wo genau sich der Einsatzort befindet, wird Stefan das Gebiet mehrmals überfliegen, während Tammy und ich unsere Position jeweils links und rechts außen auf den Kufen des Helikopters einnehmen.
„SEK-Heli 1 an SEK-Heli 2 Einsatzbeginn zwanzig Sekunden. Gebiet überfliegen und Einsatzort bestimmen“ gebe ich an Mark und Sven im Helikopter 2 weiter.
Unter uns erstreckt sich bereits ein weitläufiges dichtbewachsenes Waldgebiet.
Über den Funk im Ohr höre ich die Absprache zwischen Stefan und den Piloten des zweiten Helikopters. Beide beschließen im Tiefflug das Waldgebiet zu umfliegen. Der dadurch aufkommende Wind durch die Rotorblätter wird die Sicht auf den Waldboden freigeben.
Sekunde später sind wir im Sinkflug, während der Wind der Rotorblätter uns immer wieder Bodensichtkontakt in den dichtbewachsenen Wald gibt.
Jede Sekunde nutze ich, um den Standort der Geiselnahme zu finden. Der Griff um meine MP in der Hand verstärkt sich automatisch. Reines Adrenalin durchströmt meinen Körper und schaltet meinen Geist ab.
Links von uns in Sichtweite befindet sich der zweite SEK-Heli mit Mark und Sven, die ebenfalls Ihre Position auf den Kufen des Helis eingenommen haben und mit der MP in der Hand die Sicht auf den Waldboden nutzen.
„Tammy hast du was?“ spreche ich in den Funk.
„Nein, nichts!“.
Neben mir erscheint Babsi. Sie wird abwechselnd meine und dann wieder Tammy`s Seite suchend unterstützen, so, wie wir es in den gemeinsamen Übungen abgestimmt haben.
“SEK-Heli 1 an SEK-Heli 2! Könnt Ihr was erkennen?“ frage ich, als ich Sekunden später die Stimme von Mark im Ohr habe.
„Negativ! Haben derzeit keinen Sichtkontakt zum Boden, das Unterholz ist zu dicht“.
Na super, genau das wollte ich nicht hören.
Warum müssen die sich auch ausgerechnet den Königsforst aussuchen?
Wir hatten hier bereits zwei Helikopterübungen und damals bereits festgestellt, dass dieses Waldgebiet ein Traum für jeden Kriminellen ist um unentdeckt agieren zu können.
„SEK-Heli 1 an Delta 1! Umkreisen das Gebiet im Tiefflug! Derzeit noch keine Ortung des Zielortes möglich. Einsatzort kann noch nicht bestimmt werden“ und warte auf eine Antwort von Andy.
„Delta 1 verstanden! Erreichen Suchgebiet Königsforst in fünf Minuten“.
Genau in dieser Sekunde sehe ich eine Spiegelung am Waldboden.
„Tammy…Sichtkontakt auf 14 Uhr!“ und verstärke meinen Griff um die MP in der Hand nach meinen Worten.
Babsi verschwindet hinter mir und wechselt die Position, so das Tammy einen kurzen Augenblick später neben mir Position bezieht.
Stefan, der den Funkspruch gehört hat, dreht ab um es erneut zu überfliegen.
“SEK-Heli 1 an SEK-Heli 2! Haben eventuellen Sichtkontakt“ gebe ich durch den Funk.
„SEK Heli 2 verstanden! Drehen ab und bleiben hinter Euch im Formationsflug“ kommt die Antwort von Mark.
Gerade als Stefan den Helikopter wieder in den Tiefflug bringt, sehe ich erneut diese Spiegelung auf dem Waldboden und höre den Funkspruch von Tammy neben mir.
„Geländewagen 4 Uhr!“ und richte meinen Blick in die von Tammy vorgegebene Richtung, wo augenblicklich wieder diese Spiegelung erscheint und kurze blitze durch die Luft streifen. FUCK!
“SEK-Heli 2 an SEK-Heli 1! Feuer wurde eröffnet! Ich widerhole: Feuer wurde eröffnet! Sind getroffen. Starke Rauchentwicklung…haben keinen Sichtkontakt“.
Blitzschnell werfe ich einen Blick nach hinten zum zweiten Helikopter, der Probleme hat Kurs zu halten, während dicke Rauchwolken aus dem Heck austreten.
Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken.
„SEK-Heli 2…SOFORT ÜBER UNS STEIGEN…Ich wiederhole: SOFORT ÜBER UNS STEIGEN!“ schreie ich in den Funk.
Tammy, die Ihren Blick weiter auf den Waldboden gerichtet hat, entsichert Ihre MG was ich Ihr gleich tue als der nächste Funkspruch kommt.
„SEK-Heli 2 an alle! Instrumente versagen. Können nicht mehr in der Luft bleiben. Wir müssen runter!“ und komme zu keiner Antwort mehr, als wieder Blitze durch die Luft streifen und mir Sekunden später beißender Rauch die Luft zum Atmen nimmt. Alleine diese kurze unkontrollierte Bewegung dabei sagt alles. Wir wurden getroffen.
„Caro ich kann den Heli nicht mehr halten!“ höre ich die panische Stimme von unserem Piloten Stefan und sich meine Atmung beschleunigt, während auch Panik in mir hochsteigt. Es gibt nur noch eines was ich mit letzter Kraft in den Funk brülle.
„ABBRUCH ZWÖLF…SOFORT ABBRUCH ZWÖLF!“.
Der beißende Rauch fängt an in meinen Lungen zu brennen. Dieses Gefühl nimmt mir den Atem und alles in mir weicht der puren Todesangst, als ich eine Hand an meiner spüre.
Es ist Tammy.
Als sich unsere Blicke treffen, brauchen wir keine Worte. Keine Worte können das wieder geben, was unsere Gedanken in diesem Moment austauschen.
Es gibt aber trotzdem noch so vieles was ich Ihr eigentlich sagen möchte. Warum kann ich es nicht mehr aussprechen?
Warum sehe ich nicht die Vergangenheit? Müsste sich nicht genau jetzt mein bisheriges Leben vor meinem Auge wieder spiegeln?
Warum habe ich solch eine Angst davor, die Zukunft, die noch vor mir liegen würde, zu verpassen?
Wie fühlt sich der Tod an?
Kann ich Ihn an dem Ort, an den ich komme, weiter sehen?
Ich will Ihn nach dem Leben nicht vergessen! Niemals.
Meine Hand liegt in der Hand von Tammy und bete dafür, Alex nie zu vergessen…im Leben wie im Tod…bevor eine Druckwelle mich fallen lässt und Dunkelheit meinen Geist umringt…