Alex`s Sicht
…ich bin so Stolz auf Dich, wie du Sander in die Knie gezwungen hast und egal was noch auf uns beide zukommt, weiß ich eines genau…dass ich Dir vertrauen kann und wir es gemeinsam schaffen.“.
Zärtlich küsse ich Ihre Stirn.
Ich kann nicht sagen, wie lange ich bereits an Ihrem Bett sitze und mit Ihr spreche, als sich die Türe öffnet und Schwester Susanne das Zimmer betritt.
„Herr Brandt, Sie können sich gerne eine kurze Pause gönnen, da in wenigen Minuten die Ärzte zu weiteren Untersuchungen eintreffen. Gehen Sie doch derzeit frische Luft schnappen oder holen sich einen Kaffee“.
Es ist wie immer, wenn sie das Zimmer betritt, sie schenkt mir jedes mal ein aufmunterndes Lächeln, dass mir trotz meiner ganzen Angst auch immer wieder etwas Hoffnung gibt.
Gestern Abend bat mich Schwester Susanne gegen 20 Uhr, auch mir Ruhe zu gönnen und hat mich freundlich aber bestimmt quasi aus dem Zimmer geworfen um Caro die nötige Ruhe zu geben, damit sich Ihr Körper erholen kann.
Die ganze Nacht lag ich wach auf Semir`s Sofa, immer die Angst in mir, dass ein Anruf erfolgt und mir mitgeteilt wird, dass sich Ihr Zustand verschlechtert hat, jedoch ist alles ruhig geblieben.
Die Tatsache, dass die Chefin einen Polizeibeamten abbestellt hat, um vor Ihrem Zimmer Stellung zu beziehen, hat mich etwas beruhigt. Aber da wir immer noch keine Spur haben, wer hinter den Anschlägen steckt, muss sie Rund um die Uhr bewacht werden.
Heute Morgen war dann Tammy die erste, die zu Ihr gefahren ist, da Sie mir gestern den Vortritt gelassen hat und ich dann gegen 12 Uhr mittags kam, um Tammy abzulösen. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es schon 18 Uhr ist als ich mich auf den Weg in die Cafeteria im Erdgeschoss mache um mir einen Kaffee zu holen.
Zurück auf der Intensivstation kommt mir Dr. Kollmann entgegen, mein Herz augenblicklich anfängt zu rasen und sich wieder dieses beklemmende Gefühl in mir breit macht, als er mir die Hand reicht und das Wort ergreift.
„Herr Brandt, guten Tag. Die Untersuchung von Frau Berger lässt uns positiv stimmen. Wenn die Werte sich über Nacht stabil halten, werden wir morgen früh die Medikamente absetzen und die Sedierung ausschleichen lassen.“.
Natürlich ist es eine Erleichterung zu hören, dass sie eventuell schon morgen wieder wach wird, aber ich habe auch Angst, denn keiner der Ärzte kann sagen, ob das Schädel-Hirn-Trauma bleibende Schäden verursacht hat.
„Wird Sie dann morgen auch aufwachen?“ und sehe Dr. Kollmann in die Augen ohne zu wissen, was ich daraus lesen will.
„Wir gehen davon aus. Es ist ein Prozess der sich je nach Patient in die Länge ziehen kann, aber lassen sie uns positiv denken. Wir werden sie so gut es uns möglich ist in der Aufwachphase unterstützen, aber es entscheidet rein Ihr Körper, wann er bereit dazu ist. Ich würde vorschlagen, sie gehen jetzt am besten nach Hause und kommen morgen Vormittag wieder.“ und sieht wohl an meinem Blick, dass ich nicht gehen will und fortfährt. „Frau Berger braucht die Ruhe zur Regeneration, ich gebe Ihnen gerne noch fünfzehn Minuten, aber keine Minute länger!“ und deutet mir an, dass ich verschwinden soll, was ich nach einem „Danke“ auch mache, mir im Vorzimmer wieder die Hände desinfiziere, rein gehe und auf die Bettkante setze.
Wie immer nehme ich Ihre Hand, die noch immer am Bett fixiert ist, in meine, und streiche mit meinem Daumen über Ihre Fingerknöchel auf und ab.
Wenn ich Ihr Gesicht sehe, zerreißt es mir das Herz, sie ist total blass und auch Ihre Atmung wird nach wie vor unterstützt. Nichts ist derzeit von Ihr übrig als Ihr Körper und selbst dieser scheint rein äußerlich in meinen Augen immer weniger zu werden. Am schlimmsten ist die Hilflosigkeit, der ich ausgesetzt bin, einzig und allein der Gedanke, dass sie eine Kämpferin ist hält mich irgendwie am Laufen, ohne selber die Beherrschung zu verlieren. Die Stunden in denen ich an Ihrer Seite bin zeigen mir immer mehr, wie sehr ich sie liebe und an meiner Seite brauche. Aber die Stunden, die ich an Ihrem Bett sitze, geben mir nicht die erhoffe Ruhe, alleine die Atmosphäre in dem Zimmer ist erdrücken. Lediglich leichte Atemgeräusche sind zu hören. Ansonsten ist es totenstill.
Sämtliche Monitore sind auf lautlos gestellt. Schwester Susanne erklärte, dass dies üblich sei, um die Geräuschkulisse niedrig zu halten. Wenn in jedem Zimmer sämtliche Monitore auf laut gestellt wären, so hätte sie wohl schon einen Gehörschaden. Da alle Monitore außerhalb der Zimmer überwacht werden, scheint mir diese Lösung auch am gesündesten für das Personal hier.
„Ich muss jetzt leider wieder gehen Schatz. Dr. Kollmann will, dass du Ruhe hast und Kraft tanken kannst. Er hat zwar gesagt, dass ich erst morgen Vormittag wieder kommen soll, aber ich komme schon morgen Früh wieder. Bis dahin versprichst du mir, keinen Blödsinn zu machen, verstanden? Ich liebe Dich.“. Zärtlich hauche ich Ihr einen Kuss auf die Stirn und verlasse schweren Herzens mit einem letzten Blick auf sie das Zimmer.
Am Parkplatz steige ich in mein Auto und beschließe, zur Dienstelle zu fahren. Frau Krüger hat mich zwar zwangsbeurlaubt, aber ich möchte auf den neusten Stand gebracht werden. Wenn ich dieses Arschloch unter die Fingern bekomme, der Ihr das angetan hat, kann ich für nichts mehr garantieren. Irgendwann macht er einen Fehler und dann wird er dafür büßen.
Vor der PAST stelle ich mein Auto neben Semir`s BMW ab und gehe ins Großraumbüro, wo sofort alle Blicke auf mich gerichtet sind.
„Wie geht es Ihr?“ fragt Susanne besorgt.
„Unverändert, aber Ihre Werte sind bisher stabil. Wenn Sie die Nacht gut übersteht, werden Sie Sie eventuell morgen Früh aufwachen lassen!“ und sehe etwas Erleichterung in Susannes Gesicht.
„Das sind gute Neuigkeiten!“ kommt es von Susanne, als die Stimme von Semir erklingt, der aus der geöffneten Bürotür kommt.
„Das würde ich auch sagen Partner! Sie ist eine Kämpferin! Sie packt das. So schnell kannst du nicht mal bis drei zählen und dann tanzt sie dir wieder auf der Nase rum“ und klopft mir aufmunternd auf die Schultern, als die Chefin ebenfalls aus der geöffneten Bürotür tritt und mir aufmunternd zulächelt.
Ja das ist sie, eine Kämpferin, auch wenn ich nach wie vor Angst habe vor dem Moment, wenn sie erwacht und ich wohl erst Erleichterung verspüren kann, wenn ich mit eigenen Augen sehe, dass sie keine bleibende Schäden hat. Aber selbst wenn, ich werde an Ihrer Seite bleiben, egal was kommt, wird es nichts an meinen Gefühlen für sie verändern.
„Was habt Ihr bisher rausgefunden?“ frage ich in die Runde und erkenne sofort, dass es wohl keine guten Neuigkeiten gibt. Die Chefin weicht meinen Blick direkt aus und sucht nach den richtigen Worten, die stockend kommen.
„Also, die Anwohnerbefragung hat leider… nichts ergeben.“
„Ja und die Videoüberwachung vor dem Gericht?“ frage ich wieder in die Runde und sehe Semir an, der sich mit den Händen übers Gesicht fährt und ebenfalls Worte sucht.
„Alex…die Bänder… sind spurlos verschwunden!“ erklärt Semir mit vorsichtiger leiser Stimme.
„Was heißt die sind verschwunden? Wie bitte können die einfach… VERSCHWINDEN?“.
Ich fasse es nicht. Meine ganze Hoffnung, dass wir dieses Schwein schnellstmöglich kriegen, lag auf diesen Überwachungsbändern. Was ist das hier für eine Scheiße?
„Wir wissen es nicht genau, fakt ist, dass die Bänder bereits vor der Explosion entfernt wurden und zwar alle Bänder die Bilder im und außerhalb des Gerichtsgebäudes aufgezeichnet haben. Die Spurensicherung fand keinerlei Hinweise, die uns weiterhelfen könnten, es waren auch keine Einbruchspuren an dem Raum, wo sich die Bänder befanden!“ erklärt Semir verzweifelt weiter und ringe hier stark nach Fassung.
„Sag dass das nicht wahr ist Semir!“ fordere ich Ihn auf und fahre mir mit den Händen durch die Haare.
Wie kann einer unbemerkt Sprengstoff am helllichten Tag an zwei Autos anbringen, dann in ein Gerichtsgebäude spazieren und sämtliche Videobänder entfernen ohne das es auch nur einen einzigen Menschen gibt, der es bemerkt?
„Kann es sein, dass derjenige Hilfe aus unseren eigenen Reihen hatte? Ich meine… jemanden, der Ihm vielleicht geholfen hat, die Bänder verschwinden zu lassen?“ richte ich meine Worte an die Chefin, die augenblicklich zerknirscht zu Boden sieht.
„Auszuschließen ist es nicht. Wir arbeiten bereits daran und prüfen die Personen, die zu dem Zeitpunkt am Gericht anwesend waren!“.
Na wenigstens etwas, vielleicht bringt uns das weiter als mir der Gedanke von vorhin auf den Weg zur Dienststelle wieder einfällt.
„Was ist eigentlich mit Sander? Habt Ihr den schon überprüft?“.
„Ja, haben wir. Er hat allerdings ein lückenloses Alibi. Die Fernsehsender haben die Ankunft von Sander alle gefilmt, er kann somit den Sprengstoff nicht angebracht haben. Na ja und nach der Gerichtsverhandlung hatte er wohl ein längeres Gespräch mit der Staatsanwaltschaft, dass diese auch bestätigt hat. Somit bleibt kein Spielraum, wo er die Bänder hätte entfernen können!“ teilt mir die Chefin mit resignierter Stimme mit und ich vor Fassungslosigkeit nur den Kopf schütteln kann. „Chefin, wir müssen was unternehmen! Dieses Arschloch hätte es beinahe geschafft sie zu töten!“ und merke meine aufsteigende Wut.
„Ich weiß Brandt, aber im Moment können wir nur hoffen, dass die Personenüberprüfung etwas ergibt oder sich vielleicht doch noch mögliche Zeugen melden, die uns weiterhelfen können!“ versucht mich die Krüger zu beruhigen und weiterspricht. „Machen Sie Schluss für heute Gerkhan und nehmen Brandt mit nach Hause. Susanne und ich werden die Personenüberprüfung vorantreiben“ und sieht dann zu mir „Versuchen Sie ein wenig zu schlafen, Sie sehen müde aus. Und bitte halten sie uns am laufenden über den Zustand von Frau Berger“.
„Mach ich“, wobei ich mir sicher bin, auch diese Nacht keine Sekunde Schlaf zu bekommen vor Sorge um Caro.
Als wir bei Semir zu Hause sind und zur Türe reingehen, kommt mir ein herrlicher Duft entgegen und stelle augenblicklich fest, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe.
„Hallo Ihr zwei. Und, wie geht es Ihr?“ und Andrea den Blick auf mich richtet.
„Soweit sind Ihre Werte stabil, wenn alles gut läuft, werden Sie Sie morgen aufwachen lassen!“ und auch in Andreas Gesicht etwas Erleichterung sehe.
„Setzt Euch doch schon mal an den Tisch, es gibt Lasagne!“ entgegnet Andrea und deutet auf den gedeckten Esstisch.
Während dem Essen führen Ayla und Lilly das Tischgespräch und erzählen von der Schule, aber trotz allem liegen all meine Gedanken nur bei Caro. Nach dem Essen telefoniere ich noch mit Tammy und Andy und informiere sie über Caro`s Zustand.
Kurz vor Mitternacht und drei Bier intus verabschiedet sich Semir ins Bett und auch ich es mir soweit es geht auf dem Sofa gemütlich mache um irgendwann in den frühen Morgenstunden in einen unruhigen Schlaf zu fallen.
Es ist kurz vor halb neun, als ich die Türe zur Intensivstation öffne. Nach wie vor sitzt abwechselnd ein Polizeibeamter vor der Türe zu Caro`s Zimmer.
„Guten Morgen Herr Brandt!“ und sehe Oberschwester Rosi neben mir, eine kleine stämmige Frau ende fünfzig, die den Gebrauch von Lockenwickler eindeutig beherrscht. Jedoch ist mit Ihr wohl nicht gut Kirschen essen. Gestern habe ich auf den Weg in die Cafeteria mitbekommen, wie Sie eine junge Schwester zusammengeschissen hat, da Sie zwei Minuten zu spät aus der Pause kam. Wenn ich jetzt meinen Charme nicht spielen lassen, hab ich verschissen. Ich bin eindeutig zu früh dran.
„Guten Morgen Oberschwester Rosi. Sie sehen heute wieder einmal bezaubernd aus. Darf ich denn schon zu Frau Berger?“ und werfe Ihr einen hoffentlich umwerfenden Blick zu.
„Herr Brandt Sie alter Charmeur“ entgegnet sie mit schüchternen Blick und streift sich Ihr weißes Oberteil glatt „Na dann will ich mal nicht so sein, ich muss eh zu Frau Berger, na kommen Sie schon!“ und deutet mir mit einem Blick an, dass ich Ihr folgen darf.
„Wie geht es Ihr denn?“ frage ich, während ich mir die Hände desinfiziere.
„Soweit sind die Werte stabil, genaueres wird Ihnen Herr Dr. Kollmann nach der Visite mitteilen!“ und Sie die Türe zu Ihrem Zimmer öffnet.
Ich setze mich auf Ihre Bettkante und lege meine Hände um Ihr Gesicht.
„Guten Morgen meine kleine, hübsche, freche Hexe“ und gebe Ihr einen Kuss auf die Stirn „Ich habe Dich vermisst“. Vorsichtig nehme ich Ihre fixierte Hand in meine, während Oberschwester Rosi die Monitore überprüft.
„Wird man sie heute aufwachen lassen?“ stelle ich die alles entscheidende Frage an Oberschwester Rosi, die mir charmant zulächelt.
„Die Medikamente wurden vorhin bereits abgesetzt. Jetzt hoffen wir, dass Sie schnell zu sich kommt“.
„Heißt das, Sie kann jeden Moment wach werden?“ und sehe fragend zu Ihr.
„Ich denke es wird noch ein wenig dauern. Bleiben Sie bei Ihr. Schwester Susanne wird auch gleich kommen und die Aufwachphase beobachten!“ erklärt sie und mit einen letzten Blick auf Caro das Zimmer verlässt.
Jegliches Zeitgefühl habe ich verloren und sitze stillschweigend auf dem Stuhl neben ihrem Bett und halte Ihre Hand.
Schwester Susanne sitzt mir gegenüber und überwacht die Monitore. Dieses mal ist es keine bedrückende Stille, vielmehr bin ich einfach wahnsinnig erleichtert, dass Schwester Susanne mit im Raum ist. Alleine Ihr immer wiederkehrendes aufmunterndes Lächeln schenkt mir Hoffnung.
„Was ist Frau Berger eigentlich passiert?“ fragt Schwester Susanne, als sie eine neue Infusionsflasche anschließt.
„An Ihrem Auto war ein Sprengsatz. Beim öffnen ist er explodiert und Sie wurde durch die Luft geschleudert! Wie lange wird es noch dauern, bis Sie wach wird?“.
„Das kann man nicht auf die Minute sagen Herr Brandt. Wir müssen Geduld haben!“ .
Geduld ist ein Wort das ich nicht mehr hören kann und sehe wieder zu Caro, als im selben Moment Ihre Augenlider anfangen zu flattern. Oh mein Gott!
„Caro?“ und beuge mich über sie, als sie in diesem Augenblick Ihre Augen öffnet, Ihr Blick ins Leere geht und die Augen wieder schließt, als plötzlich sämtliche Apparate und Monitore mit lauten Signaltönen Alarm schlagen…