Semir kehrt aus seinem wohlverdienten Urlaub zurück und nichts ist mehr so wie es war. Was ist nur mit Ben Jäger geschehen?
…Viele Wochen zuvor…
Es war Freitagnachmittag kurz vor Dienstschluss auf der PAST, Semir war ganz eifrig dabei seinen Schreibtisch aufzuräumen. Morgen früh würde er mit seiner Familie in seinen wohlverdienten Jahresurlaub in die Türkei starten.
Sein Blick fiel auf Ben, dem jungen Polizisten, der ihm gegenübersaß und sich mit Berichte schreiben rumplagte. Immer wieder warf der kleine Türke einen kurzen Blick auf Bens Schreibtisch, schüttelte den Kopf und meinte mit leichtem Spott in der Stimme: „Deinem Schreibtisch würde ein wenig Aufräumen auch nicht schaden!“
„Ich….. aufräumen? Wieso?“ Ben schaute Semir dabei mit gespieltem Entsetzen durch seine braunen Locken an und setzte zu seinem schelmischen Grinsen an.
„Aussichtsloser Fall…!“ lachte Semir amüsiert.
Der türkische Polizist machte sich Sorgen um seinen jungen Kollegen. Er wirkte in letzter Zeit so zerstreut, so fahrig, fast schon ein bisschen nachlässig bei der Arbeit. Auch hatte er den Eindruck, dass Ben nachts wenig Schlaf zu finden schien. Ihm waren des Öfteren die dunklen Augenringe am Morgen zu Dienstbeginn aufgefallen. Auf seine Nachfragen hatte sein Kollege von irgendwelchen nächtlichen Partys erzählt, auf denen es einfach ein bisschen später geworden war. Der Türke verwarf die trübsinnigen Gedanken jedoch gleich wieder, die ihn gerade überfielen hatten. Wahrscheinlich ging es Ben genauso wie ihm, er war einfach urlaubsreif.
„Kommst du heute Abend noch vorbei, um dich von den Kindern und Andrea zu verabschieden?“ fragte er sein Gegenüber.
„Ähm… kurze Frage… Wann und was gibt‘s zum Abendessen?“
„Vielfraß! Kannst du auch mal an was anderes denken als Essen?“
„Neee!“ Ben lachte kurz belustigt auf und fügte dann hinzu: „Natürlich komm ich, was denkst du denn?“
Die zwei Polizisten alberten noch ein wenig übermütig miteinander rum. Semir verabschiedete sich gut gelaunt von Susanne und seinen Kollegen, bevor er in den wohl verdienten Urlaub startete.
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… Der Montag danach ……
Etwas wehmütig dachte Ben während der Fahrt zur PAST daran, dass er ab heute allein Dienst auf der Autobahn schieben musste. Semir war mit Andrea und den Kindern wohl behalten in Izmir angekommen. Sie hatten am Freitagabend noch einen lustigen Abend im Haus der Familie Gerkan zusammen verbracht.
Als er sein Motorrad auf dem gewohnten Parkplatz abstellte, fiel sein Blick auf zwei Pkws, die nicht zum Fuhrpark der PAST gehörten. Er wunderte sich, so früh am Morgen schon Besucher hier. Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass er wieder einmal zu spät kommen würde. Die Ansprache von Frau Krüger, hörte er jetzt schon in seinen Ohren läuten.
Nachdem er das Büro betreten hatte, kam eine leicht verstörte Susanne auf ihn zu.
„Guten Morgen Ben! Du sollst sofort zur Chefin kommen, Ben!“
„Was ist denn hier los?“ fragte Ben total irritiert Susanne.
Denn genau in diesem Moment hatte er erkannt, dass zwei ihm unbekannte Männer, die Handschuhe trugen, seinen Schreibtisch durchsuchten. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, ihm wurde auf einmal ganz anders. Was hatte das zu bedeuten? Sein Blick wanderte zwischen den anwesenden Kollegen im Großraumbüro hin und her. Er konnte förmlich spüren, wie diese ihn fassungslos betrachteten.
Die Tür zum Büro der Chefin öffnete sich. „Herr Jäger, kommen sie bitte sofort in mein Büro!“
In diesem Augenblick erkannte Ben durch den Türspalt, wer sich im Büro der Chefin befand, Hauptkommissar Bohm, der mittlerweile Abteilungsleiter bei der Internen Ermittlungsabteilung war. Seine Beine fühlten sich an, als hingen Bleigewichte dran, als er langsam auf Frau Krüger zuging. Ihm wurde gleichzeitig warm und kalt. Der kurze Weg war ihm noch nie so lange vorgekommen. Aber die Katastrophe nahm ihren Lauf und ließ sich durch nichts und niemanden mehr aufhalten.
Hauptkommissar Bohm, korrekt gekleidet im dunklen Anzug, weißen Hemd und passender Krawatte, stand lässig an Frau Krügers Schreibtisch gelehnt. Seine Arme hielt er vor der Brust verschränkt. Auf dessen Gesicht spiegelt sich die pure Schadenfreude wieder.
„Schön Sie zu sehen, Herr Jäger!“ begrüßte ihn Bohm mit einem spöttischen Unterton, als Ben das Zimmer von Frau Krüger betrat und die Tür hinter sich schloss. Kim saß mittlerweile wieder auf ihrem Stuhl und hatte ihre Hände auf der Schreibtischplatte ineinander verschlungen.
„Ich habe ja schon immer gewusst, dass sie Dreck am Stecken haben!“ fuhr Bohm in seinem überheblichen Ton fort. „Aber das, was sie sich geleistet haben, übertrifft selbst meine Erwartungen!“
Ben schaute hilfesuchend zu Frau Krüger. Deren Mimik wirkte wie versteinert. Kein Gefühl ließ sich daraus lesen.