Mit der heutigen Episode "Die falsche Seite" endet diese Staffel und wir durfen bis heute in einem Pilotfilm und sechs Episoden das neue Ermittlerduo Semir Gerkhan und Paul Renner erleben. Ehrlicherweise möchte ich vorweg gestehen, dass mein Staffelfazit sehr nüchtern ausfällt, da ich alles andere als begeistert bin und mir nach den vorherigen Staffeln wenigstens die Spannung versprochen habe - auch wenn diese mit einer ordentlichen Portion Leichtigkeit daher kommen sollte.
Beginnen wir mit dem Pilotfilm "Cobra, übernehmen Sie!": Ein Pilotfilm zum 20jährigen Serienjubiläum ist natürlich etwas besonderes und muss selbstredend auch auffallen, aber warum ausgerechnet hierbei wieder Dimensionen eröffnet werden müssen, die noch nicht einmal wahnwitzige amerikanische Drehbuchautoren für ihre Polizeiserien betreten würden? Aber die Düsseldorfer Autobahnpolizei hat wieder einmal mehr erfolgreich die Welt gerettet. An diesem Punkt kann ich leider nur gewaltig gähnen und mit dem Kopf schütteln, aber bejubeln wir doch lieber an dieser Stelle diese Heldenhaftigkeit. Möglicherweise wird Semir Gerkhan demnächst für den Friedensnobelpreis nominiert und auf der Preisverleihung gerät er ins Visier von skrupelosen Lobbyisten, die einen anderen Preisträger benötigen? Könnte tatsächlich der Stoff für den nächsten Pilotfilm werden ..
Die nach der Pilotfolge ausgestrahlten Episoden waren durchwachsen. Mal hatten sie mehr Spannung und mal hatten sie weniger Spannung - hier ist eine gewisse Gleichgültigkeit eingetreten, da die Episoden nach meiner Meinung die Serie um einige Jahre wieder zurückgeworfen haben. Oftmals hatten wir das gleiche Episodenende, denn auch hier konnte Semir Gerkhan mehrfach seine Überzeugungskraft nutzen und Selbstjustiz verhindern. Marianne Bachmeier würde sich in diesem Fall nicht bekehren lassen und den Abzug drücken - aber möglicherweise haben bis heute alle gelernt, dass Selbstjustiz kein geeignetes Mittel darstellt. Ehrlich gesagt muss ich wirklich zugeben, dass mich aktuell die Episoden von 1996 - 2003 mehr begeistern, als die neuen Episoden - auch wenn die alten Episoden teilweise schon fast 15 bis 20 Jahre alt sind.
Keineswegs möchte ich vorausgegangenen Serienfiguren öffentlich nachtrauern, da bislang jede einzelne Figur bis heute ihre individuelle Note eingebracht hat - doch bei Paul Renner kann ich sie bislang nicht wirklich erkennen, da er für mich einfach "anwesend" ist. Ein durchtrainerter Surferboy mit smartem Charakter. Auch haben wir erste Details über seine Familiärenbeziehungen als auch seine Vergangenheit mit Semir Gerkhan erfahren - doch der Charakter erscheint mir bis heute sehr blass und makellos. In der gleichen Anzahl der Episoden haben wir über die anderen Serienfiguren auch nicht mehr Informationen erhalten, aber sie bekamen Ecken und Kanten, da sie nicht derart in der Hintergrund gerückt worden sind - hierfür sollte man sich einmal folgendes betrachten:
- Paul Renner kommt zur Autobahnpolizei, weil Anna Engelhardt ihn für Semir Gerkhan empfohlen hat;
- die Haupthandlung beim Pilotfilm ist die Weltrettung und hierfür opfert sich Semir Gerkhan;
- ein Nebenstrang im Pilotfilm ist der Metallsplitter und dieser betrifft Semir Gerkhan;
- in "Tödlicher Profit" sucht Semir Gerkhan nach einem neuen Haus;
- in "Kriegsbeute" nimmt Semir Gerkhan die Flüchtlingsfamilie auf;
- in "Die falsche Seite" erleidet Semir Gerkhan ein Gedächtnisverlust!
Es gibt lediglich drei Episoden, die sich nicht nur um Semir Gerkhan drehen, sondern noch Platz für die übrigen Charaktere lässt:
Treibjagd (Paul Renner)
Zahltag (Kim Krüger)
Tricks (Paul Renner)
Leider ist auch mit dieser Staffel die noch vor zwei Jahren angepriesene horizontale Erzählweise abgeschafft worden. Der aktuelle Z-Strang hinsichtlich der Familie Gerkhan ist sehr abgedroschen und mehr als überflüssig. Es hat überhaupt keinerlei Fallhöhe, dass ein neues Haus gekauft worden ist, sich hierin im Keller teurer Schimmel befindet und Semir Gerkhan ein absolut untalentierter Handwerker ist. Diese Informationen sind keine horizontalen Handlungsstrang wert, der sich über mehrere Episoden ausstrecken müsste - in damaligen Episoden wurden derartige Informationen innerhalb einer Episode erzählt. Hier kommt mir beispielsweise eine Episode in den Sinn, in der Dieter Bonrath seine Wohnung renoviert und sich als absolut schlechter Handwerker entpuppt.
Leider entwickelt die Serie heute mit dem Nebensträngen überhaupt keine Fallhöhe mehr, so dass man sich diese auch gänzlich sparen könnte - denn seinerzeit ist die Serie auch mit Sidekicks ausgekommen (beispielsweise: Semir Gerkhan verliebt sich in Dienststellensekretärin oder Horst Herzberger verliebt sich in Dienststellenleiterin). In meinen Augen hat die Figur Semir Gerkhan als auch seine Serienfamilie mit dieser Staffel einen eigenen Kosmos erhalten, der sofort reduziert werden sollte. Es ist natürlich nett zu sehen, dass er ein fürsorglicher Familienvater ist, aber man sollte mit dieser Familie nicht die ehemaligen PAST-Familiengefühle ersetzen wollen. Denn mal wirklich Hand auf's Herz: Wie oft möchten wir noch sehen, dass die Familie aufgrund eines Falles in Gefahr gerät, sie entführt und am Ende gerettet werden. Alle Familienmitglieder sind absolut nervenstark und erleiden kein Trauma. Auch für Andrea ist es selbstverständlich, dass man in regelmäßigen Abständen um Leib und Leben fürchten muss.
Warum kann nicht eines der Familienmitglieder bei einer derartigen Situation ernsthaft verletzt, getötet oder entsprechend traumatisiert werden? Die Tötung eines Charakters würde selbstredend große Auswirkungen auf Semir Gerkhan haben müssen, wobei man a la "Cobra 11" direkt mit einer Beerdigungssequenz abschließen kann und danach den Charakter in keiner Silbe mehr erwähnt - wurde bis heute schließlich mehrfach geschafft! Man könnte auch Angstzustände entwickeln lassen, die sich indirekt auf Semir Gerkhan auswirken und ihn an seine nervliche Belastungsgrenze bringen.
Auch könnte man fortlaufende Handlungsstränge mit den anderen Serienfiguren (beispielsweise Jenny Dorn) entwickeln, die auch rein gar nichts mit der Figur Semir Gerkhan zu tun haben - einfach mal mehr entwickeln, als das Universum von Semir Gerkhan.
Sicherlich werden sich die Episoden für die Herbststaffel 2016 nicht ändern, aber ich hoffe inständig, dass nach den miserablen Einschaltquoten die Verantwortlichen wach geworden sind und die Fehler zunächst in ihren eigenen Entscheidungen suchen, anstatt beim Zuschauer. Die Leichtigkeit hin oder her, aber bitte einfach mehr Spannung, angenehme Unterhaltung und eine Portion Realismus und nicht zu viele absurde Situationen - auch eine Mischung der Fälle als auch der im Fokus stehenden Figuren.