Die vier Frauen waren aufgeschreckt, als plötzlich Ben zu ihnen ins Kellerverlies geworfen wurde. „Ach du heilige Sch…., mir wird schlecht!“, murmelte Milena und zog sich, gefolgt von ihrer Freundin Elisa, in die hinterste Kellerecke auf eine der Matratzen zurück, möglichst weit weg von dem schwer Verletzten, der blutete wie ein Schwein. Sarah und Natascha riefen wie aus einem Mund: „Ben!“, und Sarah gab es einen Stich ins Herz-ja sie war mit ihrem Verdacht richtig gelegen, es handelte sich um ihren Mann mit dem Natascha ein Verhältnis hatte. Bis zuletzt hatte sie noch gehofft, dass das irgendwie ein großes Missverständnis wäre, aber hiermit war es bewiesen. Nun allerdings schob Sarah alle persönlichen Gefühle beiseite-hier vor ihr lag ein schwer verletzter Mensch, es war keine Zeit für Eitelkeiten oder beleidigt sein, wenn er nicht ganz schnell Hilfe bekam, war es vorbei mit ihm, wenn er denn überhaupt noch eine Chance hatte.
Rasch drehte sie ihn-unterstützt von Natascha- auf den Rücken und tastete ihn ab, um sich einen Überblick über seine Verletzungen zu verschaffen. Er war schweißüberströmt, seine Augen lagen in tiefen Höhlen, sein Puls raste vor sich hin und als Sarah ihn anfasste, fühlte er sich heiß an, aber das Fieber war aktuell nicht sein Hauptproblem, sondern der klaffende Schnitt in seinem Bauch, der vom Schambein bis ein Stück über den Nabel reichte. Das Blut sprudelte regelrecht heraus und Sarah wusste, dass er schnellstmöglich in einen OP musste, damit die Blutungen gestillt wurden, denn da lief eindeutig arterielles, weil hellrotes Blut aus ihm. Allerdings war es ihnen unmöglich, professionelle Hilfe zu erhalten und so musste sie mit ihren begrenzten Mitteln, eigentlich nur ihrem Wissen, ihrer Kaltblütigkeit in Notfallsituationen und ihrem Können, versuchen die Ursache der Blutung herauszufinden und wenn möglich zu stoppen. Natürlich könnte sie jetzt einfach ihr Shirt auf den Bauch drücken und hoffen, so die Blutung zum Stehen zu bringen, so hätte es vermutlich jeder Laie gemacht, aber Sarah war klar, dass die allgemeine Kompression nur begrenzten Wert haben würde-diese Blutung würde so nicht zu stoppen sein und ihr Mann, den sie immer noch liebte, auch wenn er sich mit einer anderen Frau abgegeben hatte, würde ihr unter den Händen verbluten. Wenn sie zuvor nicht alles Menschenmögliche getan hätte, um ihn zu retten, dann könnte sie sich das nie verzeihen.
So sagte sie zu Natascha, die ihr als Einzige eine Hilfe war, denn die anderen Weiber saßen schreckensbleich in der Ecke und konnten gar nicht hersehen: „Ich muss mir die Bauchwunde näher ansehen, sonst stirbt er in wenigen Minuten-hilfst du mir?“, fragte sie ruhig und Natascha, die zwar ebenfalls bis in ihr Innerstes zitterte, nickte. „Ich brauche den Inhalt des Koffers, da ist vermutlich saubere Wäsche drin!“, befahl sie und noch bevor Milena protestieren konnte, hatte Natascha den Rollkoffer herangezogen, geöffnet und nun lag er ausgebreitet vor ihnen. Sarah überlegte noch kurz, ob es Sinn machte, Ben, der nur noch ein kleines bisschen bei Bewusstsein war und leise vor sich hin stöhnte, auf eine der Matratzen zu legen, aber dann entschied sie sich dagegen-das würde nur kostbare Zeit kosten, das konnten sie später immer noch machen-wenn es denn ein später für ihn überhaupt gab.
Sie hatte rasch das blutige Hemd nach oben geschoben und die Hose geöffnet. „Natascha-du musst seine Hände fest halten, denn ich muss ihm jetzt sehr weh tun!“, befahl sie und richtete noch schnell das Wort an die beiden Grazien in der Ecke. „Würdet ihr uns bitte auch helfen?“, fragte sie, aber als Antwort kamen Geräusche von hinten, als wenn sich jemand gerade übergeben musste-das konnte sie also vergessen. Seitlich in dem Koffer lag eine kleine Taschenlampe und nach der griff nun Sarah, machte sie an und nahm sie in den Mund. Gott sei Dank hatte sie Beleuchtung, denn im schwachen Licht der Glühbirne, die von der Decke baumelte, würde sie nichts erkennen können. Kurz nahm sie die Lampe noch einmal heraus, postierte Natascha so, dass die von oben Ben´s beide Hände festhalten konnte, beugte sich über ihren Mann und sagte mit aller Liebe, die sie immer noch für ihn empfand: „Schatz, ich muss mir deine Verletzung näher ansehen, das wird sehr weh tun-aber ich liebe dich, vergiss das nicht!“, dabei wusste sie überhaupt nicht, ob er überhaupt noch so weit bei Bewusstsein war, um das verstehen zu können.
Natascha war derweil der Mund offen stehen geblieben. Das durfte doch nicht wahr sein-sie hatte gedacht, das wäre ihr Ben, aber nun war da diese andere Frau, die aber anscheinend medizinische Kenntnisse hatte und als einzige ihren Mr. Sexy retten konnte und betitelte ihn als „Schatz!“ Allerdings war der Zeitpunkt für Eifersüchteleien nun denkbar schlecht und wenn er starb, würde ihn keine von ihnen bekommen und so setzte sie jetzt alles daran, mit um sein Leben zu kämpfen und die blonde fremde Frau wusste anscheinend sehr genau, was zu tun war und das war wohltuend-sich in so einer Situation einfach einer Führung zu überlassen.
Ben´s Augenlider flatterten kurz und mühsam öffnete er sie. Ihm war unendlich kalt, sein Bauch schmerzte und er merkte, wie sein Lebenssaft aus ihm heraus floss. Er würde sterben, aber das musste er seiner Sarah noch mitteilen, deren Liebhaber tot vor dem Kellerverlies lag. „Ich liebe dich auch und habe dich immer geliebt!“, flüsterte er, aber jetzt fügte ihm seine Sarah einen dermaßen brutalen unmenschlichen Schmerz zu, dass er nur noch laut aufbrüllen konnte, wie ein waidwundes Tier.