Es war ein herrlicher Frühlingsmorgen. Die Sonne lachte durchs Schlafzimmerfenster und die warmen Sonnenstrahlen kitzelten den jungen Kommissar an der Nase. Genüsslich räkelte er sich verschlafen in seinem Bett. Es war vergangene Nacht wieder mal spät geworden, wenn er daran und an die Nacht davor dachte, umspielte ein Lächeln seine Lippen. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er noch ein paar Minuten liegen bleiben konnte und so döste er wieder ein. Durch das Klingeln seines Handys schreckte er aus dem Schlaf hoch.
„Oh Shit!“ entfuhr es ihm, während er ran ging.
„Guten Morgen Schlafmütze“, begrüßte ihn sein Freund und Partner. „Ich steh hier schon seit 10 Minuten vor deiner Haustür und warte drauf, dass du runter kommst.“
„Oh sorry, Partner ich glaube, ich habe verpennt. Ich dusch noch mal schnell und komm gleich runter.“
In Rekordzeit schaffte es Ben sich zu duschen und anzukleiden und zu Semir ans Auto zu kommen. Mit einem herzhaften Gähnen öffnete er die Beifahrertür und murmelte ein verschlafenes:
„Guten Morgen Semir.“, und ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten.
„Bereit zu neuen Heldentaten?“, begrüßte der Türke seinen jungen Kollegen froh gelaunt und ließ den BMW anrollen.
„Ähm… nee. Ich brauche erst mal einen extra starken Kaffee und was zum Essen. Kannst du da vorne an der kleinen Bäckerei anhalten?“ Der Dunkelhaarige deutete dabei mit dem Finger auf ein Hinweisschild und gähnte nochmals vor sich hin
„Nee vergiss es! Du krümelst mir hier nicht wieder das ganze Auto voll. Strafe muss sein, wenn man verpennt.“
„Ach komm Semir … ein Kaffee geht doch oder?“ bettelte Ben, blickte ihn treuherzig an und versuchte mit seinem Dackelblick, seinen Partner zu erweichen. „Ich bringe dir auch einen mit. Auch was Süßes.“
Semir fing lauthals an zu lachen. „Ok, gebe mich geschlagen. Aber gegessen wird nichts im Auto verstanden. Ich habe erst am Samstag den Innenraum ausgesaugt!“
Der Türke parkte seinen Dienstwagen auf einen der Parkplätze vor der Bäckerei und beobachtete nachdenklich durch das Schaufenster seinen Freund. Nach ein paar Minuten kam Ben voll bepackt mit Kaffeebecher und Brötchentüten aus der Bäckerei. Ein bisschen hilflos stand er vor seiner Beifahrertür und wusste nicht so recht, wie er diese öffnen sollte. Lachend öffnete der Ältere von innen die Autotür.
„Na los, steige schon ein!“
Irgendwie schaffte es Ben tatsächlich einzusteigen, ohne etwas zu verschütten. Semir fädelte sich in den beginnenden Berufsverkehr ein und schlug die Fahrtrichtung zur Autobahn ein, als sich sein junger Kollege an der ersten Brötchentüte zu schaffen machte.
„Vergiss es, Ben!“ ermahnte er ihn mit einem warnenden Unterton, „Nicht hier im Auto!“
„Ach komm! Ich verhungere gleich! Hab doch Erbarmen mit mir.“ Dabei knüllte er die Tüte wieder zu und verzog sein Gesicht zu einer beleidigten Schnute. Wie zur Bestätigung gab sein Magen ein hungriges Knurren von sich, doch auch davon ließ sich der Türke nicht erweichen.
„Und wer hat Erbarmen mit mir und meinem Auto? Schließlich muss ich wieder die ganzen Krümel und den Dreck wegputzen.“
„Weißt du was, bist echt ein alter Spießer!“, bekam er prompt als Antwort zurück.
„Nee nix Spießer, bin nur nicht deine Putzfrau! Warte noch ein paar Minuten, ich halte am nächsten Rastplatz an und dann kannst du gemütlich frühstücken.“
Semir warf einen kurzen Blick auf seinen Beifahrer und musste sich beherrschen, dass er nicht erneut lauthals zu lachen anfing. Diese Grimassen von Ben, die ihm wohl zeigen sollten, dass er eingeschnappt war, waren einfach unvergleichlich. Für einige Minuten herrschte Schweigen im Auto. Gedankenverloren blickte der junge Mann zur Fensterscheibe hinaus und nippte ab und an am Kaffeebecher. Semir fuhr auf die Autobahn auf und beschleunigte sein Fahrzeug.
„Was hast du denn das ganze Wochenende getrieben, dass du schon wieder verschlafen hast?“ fragte Semir neugierig bei seinem Beifahrer nach.
„Ähm der Kenner genießt und schweigt Kollege.“ Der Gesichtsausdruck wechselte und ein genießerisches Lächeln huschte über Bens Gesicht und er lümmelte sich gemütlich in seinen Sitz.
„Und lerne ich die junge Dame, die dir den Schlaf geraubt hat, auch mal kennen?“
„Hm, nee, das wird wohl nichts. Sie ist heute Morgen um vier Uhr wieder weiter geflogen.“
„Wie weiter?“
„Sie ist Stewardess. War halt ein schönes langes Wochenende und ein One-Night-Stand mehr nicht.“
„Oh man Ben, schaffst du es einmal, dass bei dir eine Beziehung mal länger als einen Abend oder ein Wochenende dauert?“ lästerte Semir.
Er hatte die Worte noch richtig ausgesprochen, da hätte er sich sich selbst schon ohrfeigen können. Ein trauriger Ausdruck huschte über das Gesicht seines jungen Partners. Die Geschichte mit Laura lag schon länger als ein Jahr zurück. Und trotzdem, die Wunde, die der Verlust von Laura in seinem Herzen und seiner Seele hinterlassen hatte, schien für einen Außenstehenden geheilt, aber er kannte ihn besser, für ihn waren die vorhandenen Narben unübersehbar.
„Da vorne ist ein Parkplatz“, nuschelte Ben in seinen Kaffeebecher und im selben Augenblick hatte auch Semir das Hinweisschild erblickt.
„Haben der Herr besondere Wünsche bezüglich des Sitzplatzes?“, versuchte er die Stimmung aufzulockern.
„Ja klar, schön sonnig, mit Liegestuhl ähm…“, kam lachend von Ben zurück.
Es war einer dieser alten Rastplätze an der Autobahn, der durch Hecken und Bäume eingewachsen war. Mehrere Steintische mit Holzbänken waren wie geschaffen dafür, um dort eine Rast einzulegen. Der erste Tisch lag im warmen Licht der morgendlichen Sonnenstrahlen und lud förmlich dazu ein, das Frühstück zu verzehren. Dort machten es sich die beiden erst Mal gemütlich und Ben verzehrte hungrig seine belegten Brötchen. Sein älterer Kollege trank einfach nur seinen Kaffee und bekam von Ben tatsächlich zum Schluss noch einen Muffin ab. Die beiden Polizisten waren die einzigen Besucher des Parkplatzes zu so früher Stunde.
Außer dem gedämpften Lärm der vorbeifahrenden Autos und LKWs herrschte auf dem Parkplatz eine wohltuende Ruhe, die plötzlich jäh unterbrochen wurde. Ein schwarzer Audi TT fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf den Rastplatz ein und zog mit seiner sehr sportlichen Fahrweise die Aufmerksamkeit des Deutsch-Türken auf sich.