Mit traurigem Blick sah Johanna durch die Scheibe auf Finns leblos wirkenden Körper, angeschlossen an Maschinen und einer Atemhilfe, die sie selbst in unzähligen Besuchen mit ihrem Vater auf der Intensivstation nicht gesehen hatte. Sie atmete tief durch und hörte Schritte neben sich. "Na Schatz? Wie gehts dir?" Johanna blickte auf ihre Mutter, Barbara, angezogen in ihrer Arbeitskleidung als Krankenschwester. "Mir gut...aber..." Sie verstummte und schüttelte nur mit dem Kopf. Barbara legte eine Hand um ihre Tochter und drückte sie kurz an sich. "Er schafft das, Joshi! Das weisst du genauso gut wie ich!" Johanna zog eine Augenbraue hoch. "Mama...sorry wenn ich so hart klinge, aber ich kann es erst dann glauben, wenn er wieder wach ist und mit mir reden kann", erwiderte sie eintönig.
"Genauso ein Realist wie dein Vater.", seufzte Barbara, "Aber heute Nachmittag will man das künstliche Koma runterfahren. Dann sollte er morgen aufwachen, dann kannst du dich persönlich überzeugen!", erklärte sie und Johanna kratzte sich am Hals und nickte. "Ja...hoffen wir nur, dass Finn das einzige Opfer in der Sache bleibt. Ich bin ja inzwischen abgehärteter, aber noch einen Schock brauche ich nicht...", murmelte sie und Barbara legte den Kopf schief und zog eine Schnute. "Sagt sie und hat einen Polizist als Lebensgefährten!", murmelte sie leise und Johanna sah ihre Mutter eindeutig an. "Das war überflüssig Mama!", brummelte sie und die beiden Frauen sahen sich lächelnd an. Johanna zog ihr Handy aus der Hosentasche als es vibrierte. "Semir...", murmelte sie und ging mit ihrer Mutter aus der Intensivstation hinaus, damit sie abnehmen konnte.
"Ja Semir? Was gibt's?", begrüsste sie ihn.
"Komm einen Stock tiefer, dann kannst du seelischen Beistand leisten!" Johannas Augen rissen auf. "Was meinst du damit?", fragte sie ängstlich und sah Barbara hilfesuchend an. "Keine Sorge...ein kleines Kugel-Aua. Zum Glück ist nichts schlimmeres passiert. Ich erkläre dir alles unten, während dein Freund zugeflickt wird! Wir sind im Notfallraum drei!" Johanna nickte kurz heftig, bis ihr wieder einfiel, dass sie am Telefon war. "Ja...ich komme sofort!", mit diesen Worten hängte sie auf und Barbara sah sie besorgt an. "Was ist los'", fragte sie eiligst und Johanna nickte nach vorne. "Anscheinend wurde Paul angeschossen, ich hoffe, es ist nichts Schlimmes!", erklärte sie sofort und Barbara zog ihre Tochter mit sich. "Worauf warten wir denn noch! Komm!" Sie rannten zum Notfallraum 3 hinunter, klopften kurz und gingen hinein, wo Paul auf der Pritsche sass und ein Arzt seine Wunden zu nähen begann. Noch immer war das getrocknete Blut auf der Haut zu sehen. "Oh Schatz!", stiess Johanna aus, ging auf Paul zu und küsste ihn sanft auf den Mund. "Hey...", grüsste Paul zurück und lächelte Johanna an. "Es ist wirklich nicht schlimm. Glatter Durchschuss. Sie nähen es zu und ich bin wieder einsatzbereit!", sagte er und der Arzt nickte zustimmend, als Johanna ihn ansah. "Wirklich alles gut?", fragte Barbara, mehr an Semir gerichtet und dieser nickte seufzend. "Der Schock in uns allen ist glaub schlimmer!" Barbara verstand und ging auf Paul zu. "Gut, dass es dir gut geht!", sagte sie sanft, drückte kurz Pauls gesunde Hand und verabschiedete sich mit einem Winken von Semir, bevor sie die Türe hinter sich zuzog.
"Was ist genau passiert?", fragte Johanna sofort und Semir atmete tief durch. "Ermann ist durchgedreht!", antwortete Semir sofort. "Laras Vorgesetzter?" Paul nickte. "Er war bei ihr in der Wohnung und schoss um sich wie ein Wilder. Es ist eigentlich ein grosses Glück, dass es Paul so glimpflich erwischt hat. Er schrie immer wieder dass Brock eine Lügnerin sei und sie dafür bezahlen müsse!" Johannas Blick war mehr als eindeutig. "Was? Warum?", fragte sie dennoch und Semir atmete tief durch.
"Allen Augenschein nach, war deine beste Freundin...aua!", zischte Paul kurz und der Arzt hob entschuldigend die Hand, "....au...jedenfalls...schien Lara kurz vor Janowskis Tod bei ihm gewesen zu sein!" Johanna verschränkte die Arme und presste die Lippen zusammen. "Jenny verhört sie gerade. Wir denken, es ist besser, wenn eine Frau mit ihr spricht...eine neutrale Frau!" Johanna winkte ab. "Ich verstehe schon Semir! Momentan...ach ich weiss auch nicht...", stöhnte sie und rieb sich die Schläfe. "Schatz...", murmelte Paul und nahm Johannas Hand mit seiner Gesunden. "Es geht schon...", murmelte Johanna und atmete tief durch.
"Ermann?"
"Momentan zu fragil um ihn zu verhören. Als wir ihn zur U-Haft gefahren haben, murmelte er immer wieder, wie sehr er Janowski liebte und wie sehr er seinen Verlust nicht ertragen könnte.", erklärte Semir. "Was habt ihn nun vor?"
"Zuerst warten wir nochmals ab, was der Doktor sagt und dann gehen wir ins Revier Köln-Chorweiler. Ich will die Sache endlich zu Ende bringen, bevor wir wirklich noch eine weitere Leiche im Haus haben!", grummelte Semir.