Hier ist schon der Beginn meiner zweiten Story Semirs Partner ist wie angekündigt Alex. Allerdings ist es dieses Mal keine ganz „normale“ Geschichte, sondern sie spielt - ein bisschen wie z. B. „Tag der Abrechnung“ mit den Erzählformen und soll ein wenig experimentell sein, ich hoffe, das stört nicht zu sehr, ich will es einfach mal ausprobieren. Gleichzeitig wird Jenny mehr im Fokus stehen.
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Inhalt: Semir und Alex jagen bereits seit einigen Wochen den slowakischen Waffenhändler Macovado, der ständig seinen Standort wechselt, nur wenigen Leuten vertraut und sich nirgendwo häuslich einrichtet. Genauso lange spielt ihnen eine unbekannte Person ständig Informationen über Macovados Vorhaben zu. Als sie ihn endlich dingfest machen können, ist die Beweislage zu dürftig. An Halloween erhalten Semir, Alex und Jenny erneut einen Hinweis auf ein Treffen am Hafen, bei dem ein großer Deal abgeschlossen werden soll - doch alle Kollegen sind im Einsatz, weshalb sie einen Alleingang wagen müssen. Für Jenny wird dieser Entschluss zum Albtraum...
„Bist du sicher, dass das hier der richtige Rastplatz ist?“
„Wie, was, willst du damit etwa sagen, ich hätte keinen Orientierungssinn oder ich bin zu blöd, hinzuhören, oder was?“
„Oh nein, reg dich ab, alles gut. Ich frage ja nur, weil bisher noch überhaupt nichts passiert-“
Ein weißer BMW raste an Semir und Alex vorbei und fuhr dabei den linken Rückspiegel ab.
Semir starrte dem Wagen mit offenem Mund hinterher. Ohne nachzudenken, beschleunigte er und nahm die Verfolgung auf.
„Halt, Semir!“
Alex' Einwand kam zu spät. Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen: „Das war ein Test!“
Er behielt Recht. Macovado startete seinen Mercedes und fuhr provozierend nahe an Semir und Alex vorbei. Er kurbelte die Fensterscheibe herunter:
„Meine beiden Lieblingspolizisten, wie schön. Leider hab ich keine Zeit für nen Kaffee.“
Semir zeigte ihm den Mittelfinger: „Anhalten, Freundchen!“
Die Scheibe ging hoch und der Mercedes setzte sich vor Semirs Dienstwagen.
„Jetzt reichts!“
„Semir, nicht!“
Macovado hielt Semir und Alex bereits seit Wochen zum Narren. Semirs Wut entlud sich in einer Kurzschlussreaktion: Er zog seine Dienstwaffe und zielte auf die Reifen des Mercedes.
Er feuerte. Einmal. Zweimal. Der dritte Schuss traf das linke Hinterrad. Der Waffenhändler verlor die Kontrolle über das Auto. Es drehte sich einige Male, prallte gegen die Leitplanke und würde anschließend von einem roten Golf so gestreift, dass es durchbrach und einen Abhang herunterrollte.
„Super gemacht“, sagte Alex sarkastisch.
Semir bremste scharf und hielt direkt an der durchbrochenen Leitplanke.
„Sind Sie okay?“, rief Alex der jungen Fahrerin des Golfs zu.
Ein stummes Nicken war die Antwort.
Alex rannte dem immer noch geladenen Semir hinterher. Macovados Auto hatte sich bergab einige Male überschlagen und war gegen einen Baum geprallt. Rauch stieg auf. Semir erreichte den Platz des Fahrers zuerst und richtete seine Waffe auf den Waffenhändler, der ihn lässig und mit Unschuldsmiene anblickte.
„Ein Fingerschnipsen und Sie sind dran, Macovado!“, zischte er.
„Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Es ist weder verboten, auf Raststätten zu frühstücken, noch überstürzt aufzubrechen oder aus dem Fenster zu grüßen. Zudem habe ich die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten.“
Macovado grinste Semir breit an und trommelte mit den Fingern auf den Tisch: „Was also soll ich hier?“
„Sie sind eine elende Drecksau, Macovado. Aber eines Tages kriegen wir Sie dran für alles. Das schwöre ich Ihnen.“
Die Tür öffnete sich. Kim Krüger und ein Mann Ende 40 mit glatt gekämmten, dunklen Haaren und Anzug traten ein.
„Mein Mandant wird ab jetzt kein Wort mehr sagen. Dürfte ich erfahren, weshalb Sie ihn verhören?“
Semir schwieg einen Moment lang.
„Sie sind?“
„Karafa. Rechtsanwalt. Gehe ich recht in der Annahme, dass nichts Konkretes gegen meinen Mandanten vorliegt? In diesem Fall würden wir dann gerne gehen. Jetzt!“
„Ich hab doch noch 'Nein' gesagt. War das so missverständlich?“
„Alex, der Kerl ist ein Waffenhändler.“
„Das weiß ich auch, Semir. Aber jetzt können wir ihm schon wieder nichts beweisen.“
„Gerkhan, Brandt, in mein Büro!“
Kim Krüger kochte vor Wut. Als Semir und Alex ihr Büro betraten, sah sie die beiden erwartungsvoll an: „Und? Möchten Sie mir etwas sagen?“
Semir räusperte sich: „Chefin, der Informant hat uns Ort und Zeit dieses Treffens verraten und es ist sicher kein Zufall, dass Macovado dort aufgetaucht ist.“
„Und dann kam dieser BMW angerauscht, um Sie zu testen. Was übrigens hervorragend funktioniert hat. Macovado wird jetzt verstärkt nach einem faulen Ei in seinem Umfeld suchen. Und nicht nur das, wir haben uns absolut lächerlich gemacht. Alle Zeugen reden von einem schießwütigen Polizisten, der keine Gegenwehr bekam. Gerkhan, wissen Sie eigentlich, was das bedeutet? Ich hatte gerade ein höchst unerfreuliches Telefonat mit dem Polizeipräsidenten. Er hat über die Fernsehnachrichten davon erfahren und wollte Sie beurlauben. Ich habe mir den Mund fusselig geredet. Aber noch so eine Nummer und Sie müssen den Fall abgeben. Haben wir was über den BMW?“
Alex seufzte: „Leider nicht. Bevor wir uns auf das Kennzeichen konzentrieren konnten, war Macovado schon neben uns.“
„Großartig. Dann stehen wir also wieder bei Null.“
Die Tür des Büros öffnete sich:
„Wohl eher bei Minus 20. Meinen herzlichen Glückwunsch, Herr Gerkhan. Wo soll ich anfangen? Gefährdung unschuldiger Personen? Unbegründete Abgabe von Schüssen mit Unfallfolge?“
„Frau Schrankmann, bitte. Wir waren so dicht dran an ihm.“
„Soweit ich informiert bin, haben Sie sich nicht an die Absprache gehalten, die Kollegen aber schon. Kann es sein, dass Sie vielleicht etwas zu sehr unter Strom stehen? Macovado beschäftigt Sie seit Wochen. Und jedes Mal kurz vor der Festnahme war er ein Stück schlauer als Sie. So etwas frisst auf, nicht wahr?“
Semir starrte die Staatsanwältin entgeistert an: „Was wollen Sie eigentlich, Frau Schrankmann? Wir reißen uns hier seit Wochen den Arsch auf und Ihnen fällt nichts Besseres ein, als zusätzlich zu provozieren?!“
„Komm, Semir. Lass uns frühstücken.“
Semir reagierte nicht sofort, sondern schickte der Staatsanwältin noch einige böse Blicke hinterher. Dann folgte er Alex nach draußen.
„Vielleicht hättest du wirklich nochmal nachdenken sollen, bevor du geschossen hast, Semir.“
Alex biss in das Tankstellenbrötchen und griff dann zu seinem Kaffee.
„Fängst du jetzt auch schon an, ja? Willst du mich jetzt auch noch runterputzen?“
Semirs Tag war gelaufen. Er starrte auf sein Frühstück und rief sich immer wieder den Blick von Macovado ins Gedächtnis, wie er grinsend an ihm vorbeifuhr.
„Nein, sicher nicht. Nur haben wir jetzt überhaupt nichts in der Hand.“
„Ich weiß.“
„Wir müssen endlich wissen, wer der geheimnisvolle Informant ist.“
Semir nickte stumm. Momentan wusste er überhaupt nicht, wie sie weiter vorgehen sollten.
Alex blickte auf seine Uhr: „Shit, ich muss los. Hab ganz vergessen, dass Jenny wartet.“
Semir schaute überrascht auf: „Jenny?“
„Sie wollte sich in der Mittagspause nach einen Kostüm für diese Halloween-Party umsehen. Sie hat mich ja dazu verdonnert, mit ihr dahin zu gehen“, erklärte Alex seufzend und stand auf.
„Du kommst klar?“
„Jaja... Klar“, murmelte Semir halb abwesend.
„Okay, Partner. Bis später.“