Köln - 13:00 Uhr
Tobias schwitzte. Seine Stirn war feucht, seine Handflächen schwitzten, während er sich schnell durch das Gebäude bewegte. Angespannt, immer auf der Hut und immer bereit, schnell und präzise den Abzug zu drücken. Nur noch wenig Munition... Sein Herzschlag beschleunigte. Mit einer schnellen Handbewegung wechselte der Jugendliche das Magazin und ging weiter. Hatte er dort aus dem Nebenraum etwas gehört? Sein Herz pochte bis zum Hals, als er sich der Türöffnung langsam näherte, und das Geräusch lauter wurde, je näher er kam. Er wusste, es gibt nur ihn oder mich, einer von ihnen würde jetzt gleich das Zeitliche segnen.
Aber der 17jährige war geübt. Er ging in den Raum und hatte die Waffe schneller oben als sein Gegner. Zwei schnelle Schüsse aus seiner Pistole, die im Kopf des Jungens einschlugen, der hinter einem Schreibtisch kauerte und dort leblos zusammensackte. Hinter ihm spritzte das Blut an die Wand. Er erkannte das Gesicht, der 18jährige Christians aus der Paralellklasse, der beste Fussballer der Schule. In Tobias stieg eine wohlige Wärme, ein Gefühl der Zufriedenheit auf. "Na, wie ist es dort am Boden?", fragte er laut, bevor er den Abzug ein paar Mal betätigte und den leblosen Körper aufzucken ließ. Er drehte sich weg, verließ den Raum und lief weiter. Nur noch 5 Minuten, und er musste noch zwei von den Schweinen finden, die es auf ihn abgesehen hatten.
Aus dem Zimmer heraus trat Tobias auf den Flur, lief dort an den großen Fenstern vorbei zur Toilette. Hier war Achmed aus der 12ten, ein gebürtiger Tunesier, aber seit seiner Kindheit schon in Deutschland. Tobias wusste, dass er an der Schule Drogen verkaufte und von kleineren Schülern Schutzgeld erpresste. Auch von ihm... doch damit war jetzt Schluß. Der Tunesier war nicht so schnell wie der junge Schüler, und das Waschbecken, an dem er zusammenbrach war blutbesuddelt. "Du mieser Wixxer. Mich hast du zum letzten Mal ausgenommen.", dachte Tobias als er mit weiteren Salven das Magazin in den leblosen Körper entleerte. Wieder stieg Zufriedenheit und eine merkwürdige Befriedigung, beinahe eine Befreiung in ihm auf, je länger er sich den Jungen am Boden besah.
Er war völlig vertieft, als er den Raum verließ, dass er nicht merkte, dass jemand hinter ihm stand. Er war in einem Tunnel, in einem Rausch und in seiner eigenen Welt mit sich und seinen Widersachern. Erst als sich eine Hand auf seine rechte Schulter legte, schrak der junge Schüler auf.
"Mama!! Musst du mich so erschrecken?", rief er und fuhr herum. Seine Mutter stand mit vorwurfsvoller Miene hinter ihm, und zog ihm mit einer Hand die dick gepolsterten Kopfhörer von den Ohren. "Kein Wunder, dass ich mir unten die Lunge aus dem Hals schreie, wenn du diese Dinger auf den Ohren hast.", sagte sie und legte den teuren Kopfhörer auf den Schreibtisch neben die Maus, auf der Tobias' feuchte Hand ruhte, beinahe verkampft das Spielgerät umklammert, den Finger am Abzug. "Ich wollte dir nur sagen, dass das Mittagessen fertig ist... glaubst du, du kannst dein Spiel mal für eine halbe Stunde zur Nahrungsaufnahme unterbrechen?" "Ja... ja, sorry... ich hab dich nicht gehört. Ich komm gleich runter." Mit zwei Klicks beendete er das Ballerspiel an seinem PC und atmete, unbemerkt von der Mutter die kopfschüttelnd zwei leere Flaschen neben seinem Tisch mit in die Küche nahm, einmal durch.
Es war ihm immer etwas unangenehm, von seiner Mutter so überrascht zu werden. Nicht, dass er was peinliches tat... er spielte Ballerspiele wie vermutlich jeder zweite Jugendliche in seinem Alter auch. Unangenehm war ihm eher, wie ernst er dieses Spiel nahm, wie sehr er sich reinsteigerte... und die Tatsache, dass ihm sein Freund Niklas das Spiel umprogrammiert hatte. Statt vermummter Geiselnehmer, die seine Gegenspieler waren, waren es Leute, die er kannte, aus seiner Schule... die er hasste wie die Pest. Sollten seine Eltern das mal wissen, würde er sich wohl unangenehme Fragen gefallen lassen.
Am Tisch saß bereits Tobias Vater, während die Mutter dem Mittagessen den letzten Schliff gab und dann mit zwei Töpfen zum Essenstisch kam. "So früh schon Schluß heute, Sohn?", fragte er und legte die Zeitung, die er heute morgen nicht zu Ende gelesen hatte, zur Seite. Er arbeitete bei einem Versicherungsunternehmen in verantwortlicher Position, verdiente gut und konnte es sich wegen seines kurzen Arbeitsweges fast jeden Tag erlauben, mittags daheim zu essen. Dass sein einziges Kind mit am Tisch saß war eine Seltenheit, meistens hatte er bis in den Nachmittag Unterricht, er war auf dem Weg zum Abitur. "Ja... weißt doch wie das ist am Ende des Schuljahres, wenn alle Arbeiten geschrieben sind, fällt hin und wieder mal ne Stunde aus.", sagte er und klang eher desinteressiert, als gäbe es für ihn nichts langweiligeres als sich mit seinem Vater über die Schule zu unterhalten.
Und so verlief das Mittagessen von Tobias aus sehr schweigend, er hörte mit wenig Interesse dem Gespräch seiner Eltern zu und gab eher einsilbig Antwort, wenn sein Vater ihm ein paar Worte entlocken wollte... wenn man schon mal zusammen zu Mittag aß. Irgendwann wurde es aber auch dem Erwachsenen zu dumm, und er gab die Versuche schnell wieder auf, und sein Sohn dankte es ihm schweigend.
Nach dem Mittagessen klingelte Tobias' Smartphone, gerade als er das Geschirr in die Spülmaschine räumte. Als Marvins Name darauf ließ, entschuldigte er sich bei seiner Mutter, da müsse er dran gehen. "Ja, geh nur. Ich schaff das hier alleine.", sagte die Frau und trocknete das restliche Geschirr selbst ab. Da ihr Mann so gut verdiente, konnte sie es sich leisten nur halbtags in ihrem Job als Buchhalterin zu arbeiten. "Hi Tobias, hier ist Marvin.", hörte er die aufgeregte Stimme seines besten Freundes am Telefon. "Ja, das hab ich auf dem Display gesehen. Was gibts denn?" "Ich hab den Schlüssel gefunden... ich weiß, wo mein Vater ihn aufbewahrt... wir können an die Sachen ran." Tobias sah sich kurz um... natürlich war seine Mutter weit genug weg, als dass sie Marvins aufgeregte Stimme hätte hören können. Damit aber auch er ungestört reden konnte, verschwand er mit schnellen Schritten in seinem Zimmer.
"Das ist ja der Hammer. Und ist auch alles da, was wir brauchen?" "Auf jeden Fall. Für jeden eine und genügend Munition. Aber wir können nicht vorher üben... Papa guckt da jeden Tag rein und er würde sofort merken, wenn etwas fehlt oder weggenommen wurde. Wir können es erst holen, an dem Tag, wenn wir es machen." Tobias nickte unmerklich während er gedankenverloren auf der Tastatur drückte und mit einem Leuchten in den Augen sagte: "Und das wird bald sein..."