„Gib Gas!“, feuerte Ben seinen Partner Semir an, der bereits mit quietschenden Reifen hinter dem verfolgten Seat Leon Cupra durch die Kölner Innenstadt schoss. Inzwischen wussten sie, wer der Fahrzeughalter war, ein fünfundvierzigjähriger Mann, aber die Gestalt hinterm Steuer sah kaum zur Windschutzscheibe raus. Sie waren bei einer Routinestreifenfahrt auf das Fahrzeug aufmerksam geworden, das auf der Autobahn einen anderen Verkehrtsteilnehmer so geschnitten hatte, dass der in die Leitplanke gekracht und dann abgehauen war. „Den schnappen wir uns!“, hatte Semir gerufen, die Blaulichtleiste in seinem BMW eingeschaltet und die wilde Verfolgungsjagd war losgegangen. Immer wieder hatte der Fahrer des verfolgten Wagens sie beinahe abhängen können und Ben hatte seinem Partner auch erklärt, warum das so war: „Mann der hat 300 PS unter der Haube-dieses Auto ist eines der schnellsten Straßenfahrzeuge überhaupt-so einen überlege ich mir die ganze Zeit schon zu kaufen, aber Sarah ist dagegen!“, hatte er seinem Partner vorgeschwärmt und Semir hatte gestaunt, wie der Wagen abgezogen war. Allerdings hatte sein BMW ja durchaus auch ein paar Pferdchen unter der Haube und so war er dran geblieben und ehrlich gesagt machte es ihm Spaß, sein fahrerisches Können auszuleben.
Der Seat hatte die Autobahn dann verlassen und versucht, in der Kölner Innenstadt zu verschwinden, aber auch da war ihm Semir auf den Fersen. Ben, der sich unbewusst an der Tür festklammerte, zählte derweil die Verkehrsverstöße auf, die der Fahrer-oder die Fahrerin vor ihnen beging: „Whow-Überfahren einer roten Ampel, überhöhte Geschwindigkeit-mehr als 80 innerhalb der Stadt, Verkehrsgefährdung-wenn wir dich haben, gibst du deinen Führerschein erst mal ne ganze Weile ab!“, prophezeite er und in diesem Augenblick zwang ein LKW, der rückwärts aus einer Einfahrt rangierte, das vorausfahrende Fahrzeug zu einer Vollbremsung. Bevor er wenden konnte, war Semir dicht hinter ihm aufgefahren und noch ehe die Räder des BMW völlig zum Stillstand gekommen waren, hatte Ben die Beifahrertür aufgerissen, war heraus gesprungen und mit drei Schritten beim Seat. Dort zog er die Fahrertür auf und zerrte den verdutzten Mann aus dem Wagen. Auch Semir war inzwischen ausgestiegen und jetzt blieb ihm beinahe der Mund offen stehen, der Fahrer des anderen Wagens war nämlich noch deutlich kleiner als er selber und als Ben, der ihn mit eisenhartem Griff festhielt, nun näher hinsah, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen-wen er da festhielt, war kaum mehr als ein Kind. „Wie heißt du und wie alt bist du?“, wollte er jetzt wissen und mit kindlicher Stimme antwortete der Junge vor ihm: „ Mein Name ist Sven Schuster und ich bin 13 Jahre alt!“ „Das gibt’s doch nicht!“, murmelte Ben und auch Semir konnte nur kopfschüttelnd fragen: „Wo hast du so fahren gelernt?“
Wie der Junge, der inzwischen zu zittern begonnen hatte, ihnen erzählte, war sein Vater Besitzer einer Kartbahn und er hatte sozusagen gleichzeitig mit dem Laufen auch Fahren gelernt. Nun hatte sein Vater sich diesen Wagen zugelegt und in einem unbewachten Augenblick hatte er den Schlüssel gemopst, um eine kleine Spritztour zu unternehmen. Semir schalt den Jungen und hielt ihm vor, was da alles hätte passieren können, während Ben die Angaben überprüfte und dann dauerte es noch ungefähr eine halbe Stunde, bis die Eltern, die gar nicht so weit weg wohnten, mit dem Corsa der Mutter gekommen waren und ihren Sprössling in Empfang nahmen. „Bei so nem Sohn müssen sie die Autoschlüssel im Panzerschrank verwahren!“, empfahl Semir den Eltern, nachdem er auch die ermahnt hatte. „Der hat Benzin im Blut!“
„Wir leiten ihre Daten an den Fahrer des Wagens, den Sven auf der Autobahn geschnitten hat, weiter, die Versicherungen werden das dann regeln und natürlich gehen die Anzeigen auch zum Jugendgericht“, informierte Ben noch alle Anwesenden und als der Vater dann kopfschüttelnd das Kissen vom Sportfahrersitz entfernte, das Sven gebraucht hatte, um überhaupt etwas sehen zu können und einstieg, seinen Sohn mit einer Handbewegung zum Einsteigen aufforderte und dann mit eine eleganten Fahrmanöver und quietschenden Reifen losfuhr, sah Ben seinen Freund an: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, hast du dir das auch gerade gedacht?“, wollte er dann wissen und Semir lachte. „Das hast du schön gesagt-ja ich habe den Papa auch erkannt-der war doch früher Rennfahrer,“ antwortete er und weil so ein schöner Tag war, es um die Mittagszeit war und die Sonne ihnen ins Gesicht schien, fuhren sie an der nächsten Imbissbude vorbei, holten sich einen Döner und machten ihre Mittagspause direkt am Rhein.