Semir sah seinen Partner an. „Das tut mir leid, Alex. Kanntest du ihn sehr gut?“ Alex nickte. „Seit acht Jahren. Damals habe ich ihm einen Entzugsplatz gesichert und es sah auch so aus, als würde er es packen, doch dann ist er wieder zurück in den Sumpf und ist immer weiter abgesackt. Gestern hat er mir noch gesagt, dass er sich am liebsten einen goldenen Schuss setzen würde, damit er die Welt verlassen kann.“ erklärte er leise. „Denkst du er hat sich das Leben genommen?“ hakte Semir nach. „Ich weiß es nicht. Aber gestern sprach er mit so einer Todessehnsucht, dass es nicht ausgeschlossen ist. Und was hast du so gemacht? Was hast du so herausgefunden?“ Alex beugte sich vor. „Ach so, also ich habe die Akten der Mädchen durchgesehen und in der Tat ist da auch diese Sophie zu finden. Sie ist vor acht Jahren im Alter von 15 von zuhause abgehauen. Wie auch bei Nicole nach einem Streit mit den Eltern.“ Alex nickte nachdenklich. „Hat man denn auch ihre Sachen irgendwo gefunden?“ Nun schüttelte sein Partner den Kopf. „Nein, aber es gibt da noch mehr Mädchen in dem Alter. Ines Rhodes, 13 Jahre als sie verschwand, Anja Krings, 15 Jahre als sie verschwand und eine gewisse Lisa Josefine Herder, die war allerdings bereits 18 als sie weg ist. Alle Mädchen sind heute zwischen 20 und 26 Jahre alt.“ endete Semir. „Und alle sind nach dem Streit mit den Eltern verschwunden?“ murmelte Alex nachdenklich und wieder nickte Semir. „Okay und ich denke, alle werden in dieser Sekte vermutet?“ Doch nun schüttelte Semir den Kopf. „Das nicht, aber ich habe dieser Sophie angesehen, dass sie Angst hatte. Richtige Angst.“ Alex stand auf und ging zum Fenster. „Okay, wir sollten aber auch das Summerdale nicht vergessen. Vielleicht taucht Nicole da ja wirklich auf.“ schlug er vor. „Die städtischen Kollegen sind bereits informiert und werden ihre Augen offenhalten. Auch wenn ich nicht denke, dass Demos die Kleine dorthin gehen lässt. Dana geht übrigens aus hin. Sie will sich dort die Musik anhören.“ Alex sah ihn erstaunt an. „Du lässt sie am Festival teilnehmen, obwohl du weißt, was da abläuft?“ fragte er. Semir nickte leicht. „Mir hat so ein Schlaumeier gesagt, dass ich manchmal Verbote ins Gegenteil umwandeln soll, damit die Kinder lernen, dass man es nur gut meint.“ Alex grinste breit und wusste genau, worauf sein Partner anspielte.
Schon am gleichen Tag fuhren die Hauptkommissare zum Bahnhof und beobachteten den Bücherkasten, aus dem sich alle Menschen, wenn sie wollten bedienen konnten. Die Bücher waren meist ausrangierte Waren, die aus den Buchhandlungen in den Kasten gestellt werden, um auch den Personen, die auf der Straße lebten, die Gunst des Lesens zu geben. Doch dieser Kasten schien sehr übersehen zu werden. In drei Stunden waren gerade mal drei Leute dort und sahen sich einige Bücher an, stellten sie wieder weg oder legten sie einfach oben auf. „So bringt das gar nichts. Wir müssten wirklich wissen, ob es die Dealer sind, die die entsprechenden Bücher nutzen. Wir kennen doch gar keinen von denen.“ stöhnte Semir. „Das ist klassische Polizeiarbeit. Wir werden von jedem, der an den Kasten geht, ein Bild machen und es später durch den Computer jagen.“ erklärte Alex und hob eine Kamera mit Objektiv hoch. Semir nickte nachdenklich. „Na, dann warten wir mal. Ich habe Sophie übrigens versprochen, sie und auch die anderen Mädchen aus den Fängen von Leuthäuser zu befreien. Mich lässt es einfach nicht los, was sie mir über diesen Kerl sagte. Also, das er nicht mehr der ist, den sie kennen gelernt hatte. Aber ich denke auch, das Leuthäuser sie jetzt ziemlich bewacht.“ Alex sah ihn kurz an. „Das wird er mit Sicherheit und ich bin mir auch nicht sicher, ob Nicole wirklich auf dem Festival auftaucht. Nicht nach der Durchsuchung. Leuthäuser ist ja nicht dumm und er weiß, dass es für Nicole eine Fluchtmöglichkeit wäre.“ Semir nickte leicht. „Das denke ich auch. Dennoch können wir es versuchen. Hey, sieh mal! Das ist doch der junge Mann vom Bahnhof!“ stieß Semir aus, als er wieder zum Bücherkasten sah. „Flo! Das ist dieser Florian! Dein Informant hatte Recht!“ Alex nickte. „Jetzt wird es spannend.“ murmelte er und machte ein Foto. „Das ist echt die langweiligste Überwachung die ich je gemacht habe.“ knurrte Semir nach drei weiteren Stunden. „Du kannst dir ja ein Buch holen.“ grinste Alex. Er bekam von Semir einen leichten Seitenhieb. „Weißt du was, ich denke es ist nicht notwendig, dass wir beide hier sind. Das war deine Idee und damit wirst du dann die Nacht durchmachen. Ich fahre gleich nach Hause.“ drohte er mit einem Grinsen an. „Semir! Wir sind Partner! Wir tun alles zusammen, schon vergessen? Du machst mit mir weiter!“ legte sein Partner nun fest. „Was willst du denn dann machen? Die Menge, die du da finden wirst, ist verschwindend gering. Diese ganze Überwachung bringt nichts!“ Semir sah seinen Partner an und Alex schien tatsächlich darüber nachzudenken. „Also gut. Wir machen bis vier und dann fahren wir nach Hause.“