Das erste, was Semir bemerkte, war die Schwere seiner Glieder. Die heftigen Schmerzen. Die vollumfängliche Dunkelheit. Er konnte sich nicht rühren, keine seiner Zellen schien ihm mehr zu gehorchen. Nicht einmal die Augenlieder ließen sich bewegen. Kein Laut entwich seinem Mund, der mit irgendetwas gefüllt war. Panik ergriff ihn. Wo war er? Was war passiert? Er spürte sein Herz rasen. So schnell, so unbändig, dass ihm das Hämmern des Pulsschlags in den Ohren kreischte. Im selben Moment musste etwas an seinem Verhalten seine Peiniger informiert haben, dass er im Begriff war, zu sich zu kommen: Ein schriller Alarm ertönte. Semir hörte ein Fluchen. Ein unmenschlicher Schmerz durchzog seinen Kopf. Ihm wurde übel. Wieder verlor er das Bewusstsein und mit ihm jeden Schmerz.
Ein paar Tage zuvor :
"Deniz, Deniz! Bitte! Halt an! Ich muss mal!" "Das ist das vierte Mal, seit wir losgefahren sind." "Mir ist so schlecht. Das Hackfleisch gestern..." "Ich merke nichts..." Widerwillig lenkte Deniz den Wagen in Richtung des Parkplatzes. Kaum war er zum Stehen gekommen, öffnete eine schwarz verhüllte Frau die Beifahrertür. Sie rannte zum Toilettenhäuschen, die Tür der Frauenkabine fiel krachend ins Schloss.
Henri Endres genoss es, mit Jenny auf Streifen zu fahren. Die jüngere, impulsive Kollegin ergänzte seine ruhige Art perfekt. Äußerlich erinnerte er seine neuen Kollegen an den verstorbenen Bonrath. Groß und hager war er auch. Da seine Haare sich nun schon mit Ende 30 stark lichteten, rasierte er die restlichen Haare stets kurz. Nur die Lachfältchen um die dunklen Augen verrieten, dass er ein durchweg positiver Mensch war.
"So, lass uns mal da raus fahren," bat ihn Jenny. "Ich muss den Kaffee weg bringen." Endres schmunzelte und fuhr von der Autobahn ab.