13.06.2017
Mühsam hob er seinen Kopf, als er bemerkte, dass er nicht mehr allein in diesem Raum war. Seine Augen waren verbunden und in seinem Mund steckte ein Knebel, der ihn stark beim Atmen behinderte. Er konnte die eintretende Person nur anhand dessen Atmung orten. Wie viele Tage war er schon hier? Wo war sein Partner? Lebte er noch? Er zitterte vor Kälte und Schwäche und sein geschundener Körper schrie nach Ruhe. Bisher war ihm diese nicht vergönnt. Sein Peiniger hatte ihn zusammengeschlagen, Zigarren auf seinen Armen ausgedrückt, mit einem Gürtel drangsaliert. Sein Rücken hatte tiefe blutende Striemen. Mindestens zwei Rippen waren gebrochen, das spürte er und er hatte Angst davor, was nun kommen sollte. Als eine Hand ihm den Knebel aus dem Mund zog, zuckte er zurück. Er stieß undefinierbare Laute aus. „Bleiben Sie ruhig … bitte...“ flehte die Stimme, die eindeutig weiblich war. Eine Hand strich sanft über seine Wange und über das geschwollene Auge. „Ich tue Ihnen nichts. Ich will Ihnen helfen. Ich habe Wasser für Sie.“ erklärte die Stimme und er spürte nur kurz darauf ein Flaschenhals am Mund. Gierig sog er das Wasser aus der Flasche, denn er hatte seit Tagen schon nichts mehr zu trinken bekommen. Durch seine Gier verschluckte er sich und musste husten, was zu einer Schmerzwelle führte, die durch seine gebrochenen Rippen zog und ihn aufstöhnen ließ. „Ganz ruhig. Nicht so hastig.“ mahnte ihn die Frau. „Was wollen Sie von mir? Wo bin ich hier?“ versuchte er heraus zu finden. „Sie sind in einem Keller. Wo, darf ich Ihnen nicht sagen, denn mein Bruder würde mich umbringen, wenn er wüsste, dass ich bei Ihnen bin.“ „Was will Ihr Bruder von mir?“ hakte er nach. „Das weiß ich nicht. Wirklich, ich muss jetzt gehen aber ich komme wieder.“ versprach sie und er hörte wie sie aufstand. „Ich muss Ihnen den Knebel wieder anlegen.“ Nur wenig später war er wieder geknebelt und lehnte den Kopf gegen die Wand. Er hörte, wie sie durch den Raum ging. Doch plötzlich gab es einen lauten Knall und er zuckte zusammen. „Was tust du hier? Ich sagte doch, dass du ihn in Ruhe lassen sollst! Das ist mein Spielzeug und nicht deines!“ schrie eine wütende Männerstimme. Es klatsche und der Aufschrei einer Frau folgte. Kurz darauf kamen Geräusche auf, die an einem Kampf zwischen zwei Personen erinnerte. „Nein! Lass mich! AUA! Du tust mir weh!“ hörte er die Frau schreien und bäumte sich trotz seiner Fessel auf.
Die Kämpfenden schien es nicht zu interessieren. Sie waren mit sich selbst beschäftigt und er hörte, wie der Mann zu der Frau sagte: „Das war das letzte Mal, dass du dich gegen meine Befehle gestellt hast! Ich habe dir gesagt, du sollst dich da raushalten! Ich mache das nur für dich! Für deinen Frieden! Aber du willst es gar nicht! Du bist es nicht wert!“ Er hörte ein ihm sehr bekanntes Klicken. „Nein! Bitte nicht! Ich bin doch deine Schwester! Bitte tu das nicht!“ flehte die Frau und kurz darauf hallte ein Schuss. Ein Körper fiel zu Boden und er zuckte zusammen. Er wusste genau, was passiert war. Der Mann hatte seine eigene Schwester in seinem Beisein erschossen. Es war völlig belanglos, dass er es nicht gesehen hatte. Schritte kamen auf ihm zu und kurz darauf spürte er Hände, die an der Augenbinde zerrten, den Knoten löste und auch der Knebel verschwand. Er musste etwas blinzeln, bevor er ein klares Bild vor sich hatte. An der Tür lag eine junge Frau in einer Blutlache und er schluckte schwer. Langsam wanderte sein Blick auf die zweite Person und er sah in die fast schwarzen Augen eines jungen Mannes von höchstens 25 Jahren. „Warum haben Sie das getan?“ fragte er leise. Der Mann sah auf seine Waffe und dann auf ihn. Er grinste höhnisch. „Meine Schwester war böse. Und wer böse ist, muss bestraft werden. Das hat mein Vater immer zu mir gesagt. Er hat mich immer bestraft. Ich habe ihr verboten zu dir zu gehen. Ich habe ihr verboten dich anzufassen. Sie hat es dennoch getan. Ich mag nicht, wenn sie mein Spielzeug anfasst, weißt du. Sie musste bestraft werden. Jetzt will ich nicht mehr mit dir spielen.“ lächelte er und drückte ihm die noch heiße Mündung an die Stirn. „Good Bye, Mr. Polizist!“ verhöhnte er ihn und langsam spannte sich der Hahn. Er zuckte zurück und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Nein! Bitte nicht! Ich habe Familie! Bitte...tun Sie es nicht!“ flehte er. Sein Gegner grinste breit und ging ein paar Schritte zurück und er sah in die Mündung der Langwaffe. Der Waffenhahn war vollends gespannt, das erkannte er sofort. Es war aus! In den letzten Sekunden die ihm blieben, dachte er an seine Frau und seine Töchter.