Sarah ging Ben aus dem Weg, er hatte sie gestern sehr verletzt und so hatte er nur kurz geduscht, seine Klamotten aus dem Schrank geholt und eine Tasse schwarzen Kaffee getrunken, während er den „Klumpfußschuh“ wie er den Vakuumstiefel nannte, überzog. Sonst verabschiedete er sich von ihr immer mit einem Kuss, aber heute holte sie „zufällig“ etwas aus dem Keller. Hildegard brachte Tim zum Kindergarten und erst am späteren Vormittag wurde der große graue Riese vermisst.
Ben und Jenny saßen gerade bei Frau Krüger bei der Besprechung als Sarah anrief und so drückte Ben sie erst mal weg, er würde später zurück rufen- was er natürlich vergaß. Erst als er irgendwann seine Whatsappnachrichten kontrollierte, las er was Sarah im gemailt hatte: „Wenn du mit mir auch nicht reden willst- Lucky ist verschwunden. Ich habe schon im Tierheim und bei der örtlichen Polizei angerufen, wir suchen ihn überall!“, stand da und jetzt überfiel Ben das schlechte Gewissen und dazu eine große Sorge um seinen geliebten Hund. Als er Sarah anrief fertigte sie ihn kurz ab: „Ich gebe dir Bescheid wenn wir was wissen, mach du nur deinen Job!“, und dann legte sie auf.
„Jenni- wir müssen zu mir nach Hause, Lucky ist verschwunden!“, bat er seine Kollegin. Sie mussten sowieso in die Gegend, denn nachdem alle anderen Spuren im Sand verlaufen waren, hatten sie gemeinsam mit der Chefin beschlossen, im Dorf in dem die alte Frau den Spyder schon mehrmals gesehen hatte, möglichst viele Leute zu befragen, ob sie ebenfalls Beobachtungen gemacht hätten, die zu dem Todesfahrer führten.
Unterwegs verfolgten sie auf der Autobahn noch einen Raser, sprachen ein Fahrverbot aus und so nahmen sie erst, anders als geplant, die nächste Ausfahrt und kamen auf dem Weg zu Ben nach Hause am Stall vorbei, wo die Ponys gestanden hatten. Ein paar Meter weiter glaubte Ben seinen Augen nicht zu trauen! Lucky lag heftig witternd in einem Vorgarten, an dessen relativ hohem Türchen ein Warnschild mit einem Deerhound angebracht war. Als Ben ausstieg und ihn rief, wedelte er kurz mit der Rute als Zeichen des Erkennens, aber sein Blick war gebannt auf die Haustür gerichtet. Ben humpelte zum Tor, läutete, aber als niemand öffnete, machte er kurzerhand das unverschlossene Türchen auf und zog seinen Hund am Halsband hinter sich her. „Lucky- ich glaube du spinnst, aber mir ist auch klar was dich hierher geführt hat- die Hormone! Da wohnt deine Freundin- nicht? Die riecht gerade so gut, da musstest du einfach abhauen“, schalt er ihn liebevoll und hatte doch Verständnis. Er beförderte Lucky auf den Rücksitz des Dienstwagens, wo er natürlich eine Schlammspur hinterließ. „Ben- ich befürchte du wirst heute nach Feierabend noch ein Auto sauber machen!“, neckte ihn Jenni und lachte schallend als sie den vernichtenden Blick sah, den Ben ihr zuwarf. Als Sarah eine Minute später die Whatsapp checkte, die ihr Mann ihr geschrieben hatte, atmete sie erleichtert auf. „Habe Lucky soeben verhaftet- wird gleich zuhause abgeliefert!“, stand da und so trafen sie sich kurz darauf vor der Haustür, vermieden aber beide den Blickkontakt. „Ich glaube der Strolch muss im Augenblick an der Leine raus- seine Herzallerliebste ist läufig, ich befürchte sonst ist er gleich wieder weg.“, berichtete Ben, erzählte kurz wo er Lucky gefunden hatte und Jenni und er brachen gleich wieder auf. Sie waren noch kein bisschen in ihrem Fall weiter gekommen und der Audifahrer musste gefunden werden bevor er noch weitere Menschen gefährdete.
Im Dorf befragten sie viele Menschen, einige konnten sich an den gelben Sportwagen erinnern, aber niemand hatte eine konkrete Beobachtung gemacht, wohin er gefahren, oder woher er gekommen war. Anscheinend durchquerte der Fahrer in unregelmäßigen Abständen und zu jeder Tages- und Nachtzeit die Ortschaft, aber keiner der Befragten hatte je auf den Fahrer geachtet, was der getönten Scheiben dieses Modells wegen, sowieso schwierig gewesen wäre. „Irgendwo muss der Typ doch auch mal tanken! Vielleicht ist er bei irgendeiner Tankstelle in der Region auf der Videoüberwachung- wäre das nicht ein Ansatz?“, überlegte Jenni und Ben sah sie überrascht und erfreut an. „Super Idee, jetzt brauchen wir bloß noch eine Genehmigung zur Sichtung der Bänder von der Staatsanwaltschaft und wollen hoffen, dass die nicht schon alle automatisch gelöscht sind!“, überlegte Ben, aber Jenni schüttelte den Kopf. „Die werden so lange gespeichert, bis der Tankstellenpächter sein Geld hat. Nachdem die meisten Menschen an der Tanke mit Karte zahlen, kann das eine Weile dauern, ich habe früher gelegentlich mal an einer gejobbt, bevor ich auf die Polizeischule gegangen bin“, berichtete die jüngere Kollegin und hatte schon auf dem Tablet die Tankstellen in der Umgebung markiert.
„Das sage ich dir-ich habe null Bock mir jetzt stundenlang Bänder an zu schauen, vielleicht sollten wir das delegieren?“, überlegte Ben und wenig später stand fest, dass Hartmut die beiden unterstützen würde. „Nachdem wir ja primär erst mal ein genau definiertes Auto suchen, werde ich einen Algorhythmus entwerfen, wo meine Software die nicht passenden Automarken raus wirft, dann ist das Bildmaterial gleich viel weniger!“ versprach ihnen Hartmut, während sich Susanne und die Chefin um die Genehmigungen bei der Staatsanwaltschaft kümmerten. „Irgendwie kriegen wir dieses A...., war Ben fest überzeugt und wieder schoss ihm, wie schon mehrfach heute, die Erinnerung an Semir´s schweren Unfall und die dramatischen Minuten danach durch den Kopf. Wie gerne wäre er jetzt in der Klinik und bei seinem Freund gewesen und er würde auf jeden Fall später nochmals dort vorbei schauen und vielleicht hatte sich Andrea bis dahin auch wieder eingekriegt, aber jetzt galt es einen Fall zu lösen und wenn er so recht darüber nachdachte, wären die Ponys vielleicht gar nicht durch gegangen, wenn der Fahrer des Spyder sie nicht mit Vollgas überholt und gehupt hätte.