Welche Folge der Frühjahrsstaffel 2019 war am besten? 25
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353 - Der Klient (8) 32%
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348 - Endstation (7) 28%
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354 - Die besten letzten Tage (5) 20%
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349 - Feuerprobe (2) 8%
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350 - Die Liste (2) 8%
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352 - Schuld (1) 4%
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351 - Die Wächter von Engonia (0) 0%
Nach zwölf Wochen sind wir also mal wieder auf der Suche nach der besten Folge der letzten Sendestaffel, bereits die 45. der Serie, das erstaunt immer wieder aufs Neue. Aber zwölf Wochen = zwölf Folgen? Nein, König Fußball hat dieses Mal zuverlässig dafür gesorgt, dass die Resonanz so gering war wie nie zuvor. Vor wenigen Jahren erst fing der Kampf um die 3-Millionen-Marke bezüglich der Quoten an. Heute sind es die 2 Millionen, die keine Selbstverständlichkeit mehr sind. RTL ist in einer Umbruchphase, will erstens das Image anfangen aufzupolieren und zweitens seinen Schwerpunkt immer mehr vom linearen Fernsehen hin zu TVNOW verlagern. Einerseits finde ich es nicht verkehrt, mit der Zeit zu gehen, andererseits kommt dieser Umschwung meiner Meinung nach viel zu früh, auch weil deutsche Produktionen in über 95 % der Fälle qualitätstechnisch US-Serien meilenweit hinterherhinken. Man will einfach anfangen, etwas zu sein, was man noch nie war und was einfach wenig glaubwürdig ist. Gerade jetzt ist es aber – wenn man das Ganze mal auf Alarm für Cobra 11 bezieht, ein interessanter Zeitpunkt, denn mit jedem neuen Partner verändert sich die Serie ein Stück weit – sieht man vom Kranich-Richter-Kranich-Wechsel einmal ab. Und nachdem von Frühjahr 2017 bis einschließlich Frühjahr 2018 fast durchgehend Comedy an der Tagesordnung war, brachte schon die Herbststaffel 2018 das Format Cobra 11 wieder auf einen guten Weg, was sich mit dieser Staffel fortsetzt, auch wenn das in dieser Staffel wohl nicht so viele Fans mitbekommen haben. Ich denke aber auch, dass nicht nur die Zerstückelung der Staffel, die Vorab-Verfügbarkeit auf TVNOW und die wenigen Postings auf Facebook dafür verantwortlich sind, dass das Interesse der Zuschauer auf dem Tiefpunkt angelangt ist, sondern den Grundstein dafür hat man ab Herbst 2015 selbst gelegt und dafür stehen nicht einmal die drei Comedystaffeln F17, H17 und F18, sondern im Prinzip ist das komplette Cobra-Jahr 2016 dafür verantwortlich, wo man einfach so überhaupt keinen Plan hatte, wohin es denn nun gehen soll. In dem Jahr gab es nämlich keine einzige reine Comedyepisode und keinen einzigen reinen Thriller. Niemand der Verantwortlichen hat verstanden, dass alles gleichzeitig nicht geht und das ist der Unterschied zur Ben-Jäger-Phase, wo man einen klaren Plan konsequent verfolgt hat, zwei funktionierende Hauptdarsteller und ein ordentliches Actionbudget inklusive. Damals hat man Trost im Zerpflücken der Folgen gesucht, ab 2016 hat sich das schlichtweg nicht mehr gelohnt. Es war, wie Campino es sehr gut im Meinungsthread zu Drift formuliert hat, einfach nur noch egal.
Ich habe die komplette Staffel ja bereits vorab auf TVNOW angesehen, Die Liste, Schuld, Der Klient und Die besten letzten Tage sogar zwei Mal, teilweise auch beim zweiten Mal noch vor der TV-Ausstrahlung (Zeit genug gab es ja…). Und auch wenn sich Cobra 11 von seinen Wurzeln inzwischen doch ein gutes Stück entfernt hat und Daniel Roesners Figur Paul Renner auch nach 63 Folgen immer noch nicht Frank Stolte in meinem Partner-Ranking überholen konnte, so behaupte ich, wirklich mit der aktuellen Ausrichtung der Serie zumindest größtenteils zufrieden zu sein, ganz ohne rosarote Brille. Vielleicht liegt es an deutlich runtergeschraubten Erwartungen oder einer überschäumenden Freude, dass mich nach meinem zwischenzeitlichen Abgang wieder Folgen begeistern konnten – oder RTL hat die Gebete tatsächlich erhört und plant jetzt wieder mit Vinzenz Kief-, ähm … behält die ernste Schiene bei – ich will mal lieber nicht zu viel erwarten.
Sinnbildlich dafür, was man noch stark verbessern kann, ist gleich die erste Episode Endstation, nämlich erstens, dass die Action wohldosiert und in einem guten Kontext zur Story eingebaut wird und zweitens, dass man Plots wie diesen nicht so dermaßen verschenkt und 0815-mäßig einbaut. Franco Tozza sorgt mit seinem einmal mehr überragenden Look dafür, dass sich die Episode im soliden Mittelfeld wiederfindet, er macht also quasi das Beste aus dem ausbaufähigen Drehbuch, aber nicht mal das ist in dieser Staffel gut genug für die ersten Plätze.
Feuerprobe ist dagegen eine von vielen grundsoliden Episoden der Serie, die im Prinzip das richtig anpackt, was man 2016 nicht hinbekommen hat, nämlich gut dosierte, passende Action, guter Humor, eine grundsolide Story mit gutem Erzähltempo und vor allem eine gelungen eingefangene Team-Atmosphäre. Und so ist vielleicht gar nicht so verkehrt, dass der Tozza-Look hier etwas zurückgefahren wird, das wäre vielleicht einfach zu viel des Guten gewesen, denn die Dramatik um Finn mag hier nicht so recht überzeugen.
Eine etwas gegenteilige Meinung habe ich zu Paschmanns Die Liste, denn hier hatte ich mehr von der Kombi Andrea im Mittelpunkt + Regisseur von Schutzengel und Zwischen Leben und Tod einfach etwas mehr versprochen. Die Folge ist gut, sie ist stark, flüssig erzählt, zeigt Härte an den richtigen Stellen und bietet gelungene Wendungen, aber letztlich lag die eigene Latte für Herrn Paschmann dann wohl doch etwas zu hoch, denn irgendetwas hat gefehlt. Wahrscheinlich hängt das aber auch mit den zu starken Charakteren aus Schutzengel zusammen.
Die Ritter-Folge Die Wächter von Engonia haben wir fast alle schon im Voraus verflucht – ich bin da mittlerweile etwas vorsichtiger geworden, denn wie schon bei Weiberfastnacht ist man auch hier überwiegend sichtlich bemüht, dass keine allzu großen Assoziationen zu den Werken von Andreas Knop aufkommen. Für eine Comedyfolge macht die Episode nämlich erstaunlich wenig Comedy, hat mit dem Gespräch zwischen Dana und Frau Krüger sogar eine unglaublich wichtige Szene (Familienfest lässt grüßen!) und die Peinlichkeiten halten sich stark in Grenzen (Pinkelszene, Bodyfights in Rüstungen). Dazu schafft Polinski es hier bewundernswerterweise, dass man das Spiel der Gangster ernst nehmen kann. Handwerklich ist die Folge genauso, wie man eben solch leichte Kost inszeniert. Im Prinzip ist die Episode das Gegenstück zu Endstation, zumindest, was das Drehbuch betrifft – schwächere Geschichte, besser ausgereizt.
Mit Schuld ging es dann wieder in die komplett ernste Richtung und ich muss sagen, dass ich auch beim zweiten Mal von dieser Folge extrem begeistert war. Im Voraus wegen Kemal klar als vermeintlich schwächste Tozza-Folge der Staffel vermutet, ist sie hier mit Abstand seine beste. Action, Spannung, Story, Bodyfights, Charaktere – alles top und sogar Kemal nervt nur am Anfang leicht. Humor ging schon mal besser, geschenkt und natürlich traut man sich am Ende nicht, dass Sky tatsächlich stirbt, aber sonst ist das genau die Cobra, mit der ich anno 2019 mehr als zufrieden bin.
Polinskis zweite Folge in dieser Staffel, Der Klient, hat mich ehrlich fasziniert. Es gab über die vielen Ären bei Cobra 11 unzählige differenzierte Erzählweisen, aber diese Episode hat nochmal eine ganz eigene, mit einer fantastischen Besetzung und einem genialen Plottwist, wunderbar erwachsen, reif und einfach spannend. Genau, einfach spannend – denn das Actionbudget war wohl kaum besonders hoch und ich denke, viel besser kannst du eine Folge mit so begrenzten Mitteln gar nicht inszenieren. Davon hätte ich gerne mehr. Eindeutig Polinskis beste Roesner-Folge – auch wenn die Latte da nicht so unglaublich hoch hängt…
Das Staffelfinale Die besten letzten Tage führt die um 180 Grad gedrehte neue Polinski’sche Erzählweise fort und wusste mir beim zweiten Mal noch besser zu gefallen. Auch hier richtet sich der Fokus ganz klar auf die Tiefe der Geschichte und der Charaktere und einmal mehr sind die wichtigen Personen hervorragend besetzt, sodass es erneut nicht stört, dass die Action stark zurückgefahren wurde. Im Gegenteil, es tut dieser Story sogar ausnahmsweise richtig gut. Und für mich passt hier sogar die angezogene Handbremse bei den Emotionen von Daniel Roesner, diese starke Hilflosigkeit und das Gefühl, nicht mehr weiterzuwissen in Bezug auf Klaus Renner und die Demenzerkrankung, das funktioniert hier einfach. Nur sollte man da jetzt auch weitermachen und einen großen Schritt vorwärtsgehen, anstatt sich weiter im Kreis zu drehen. Vor allem, weil dafür noch maximal 9 Folgen bleiben.