Innenstadt - 13:00 Uhr
Erik Peters hatten die beiden Autobahnpolizisten in ihrem Leben bereits zweimal verhört, als er, der Nachtclubbesitzer und Vater von Kevin in einem Erpressungsfall verwickelt war, der eigentlich darauf abzielte, Kevin unter Druck zu setzen. Doch die Rechnung hatte der Verbrecher und damalige Nachtclub-Größe ohne den eigensinnigen Polizisten gemacht, der ein ziemlich schlechtes Verhältnis zu seinem Vater hatte und dieses auch knallhart durchzog. Durch diese Einstellung machte er sich nicht erpressbar für Anis, der seinen Drogenchefkoch somit an die Polizei verlor. Anis Racheaktion gegen Kevin war ungemein grausamer - und nun war Kevin tot, erschossen von Anis auf dem Parkplatz der Dienststelle. Anis wurde nur wenige Tage später, grausam ermordet, in seinem Nachtclub gefunden.
Als Semir nun an der Wohnungsklingel läutete, die direkt neben dem Eingang des Nachtklubs war, der um diese Uhrzeit natürlich geschlossen hatte, hatte er ein leicht ungutes Gefühl. Es war das erste Mal, dass sie Kevins Vater sahen, seit der Beerdigung und damals hatte er nichts mit ihnen besprochen. Im Gegenteil... er verweigerte ihnen die Hand, als sie anstandshalber ihr Beileid aussprachen, trotz aller Differenzen zwischen Vater und Sohn. Erik war Kevins Vater, trotz alledem, und er trauerte um sein Kind. Damals hätte Semir gerne gewusst, wie die Beerdigung von Janine abgelaufen war, mit den beiden verfeindeten Männern, die sich gegenseitig die Schuld gaben ...
"Was meinst du, wie er auf uns reagiert?", teilte Semir sein Unbehagen mit seinem Partner, der sich den Kragen der Lederjacke hochschlug um den Hals gegen den Wind zu schützen. Der zuckte nur mit den Schultern und hatte sich aus Peters ablehnendem Verhalten eher weniger gemacht. Er wusste, dass Kevin es ihnen übel genommen hätte, ihm überhaupt die Hand reichen zu wollen. "Keine Ahnung. Interessiert mich irgendwie auch nicht. Kevins schlechtes Verhältnis zu ihm kam nicht von ungefähr." Obwohl Bel sicher Recht hatte, verdrehte Semir ein wenig die Augen. "Sag ihm das bitte nicht so." "Wenn er mich danach fragt, werde ich es ihm exakt so sagen.", gab der junge Polizist provokativ zur Antwort, als sich die Türe nach einer halben Minute endlich öffnete, und beide den Nachtclubbesitzer erkannten.
"Was wollt ihr hier?", blaffte der Mann, der in den letzten Wochen nochmal um Monate gealtert schien. Die tiefen Furchen um den Mund und die Augen hatte er schon damals, jetzt meinte Semir einen leicht grauen Ansatz in den zurückgekämmten braunen Haaren zu erkennen. Ausserdem wirkte Erik mit dem deutlich grauen Drei-Tage-Bart wesentlich älter. "Wir sind dienstlich hier. Ausweise können wir uns wohl sparen. Dürfen wir reinkommen?", gab Ben, nicht wesentlich freundlicher als die Nachfrage, zur Antwort.
Widerwillig trat der Mann, der den Polizisten untypischerweise in Jeans und T-Shirt die Tür geöffnet hatte, zur Seite. Semir und Ben kannten ihn eigentlich nur im Anzug. Sie gingen in die Küche, wo eine offene Zeitung, eine Tasse Kaffee und ein glühender Glimmstengel im Aschenbecher lag, an dem Erik Peters erstmal zog, bevor er den beiden Männern Platz anbot. "Also nochmal: Was wollt ihr?" "Wir interessieren uns für einen ihrer Türsteher. Sein Name ist Vinzenz Zolda, und laut unseren Akten war er gemeldet in ihrem Nachtclub.", sagte Semir, der sich zu Erik an den Tisch gesetzt hatte, während Ben üblicherweise stehen blieb. Erik Peters schüttelte kurz den Kopf. "Und warum geht ihr dann nicht direkt zu ihm, und kommt stattdessen zu mir?" "Arbeitet er nun für sie, oder nicht?"
Der Nachtklub-Besitzer rollte genervt mit den Augen. "Ich kümmere mich nicht um die Security. Kai Henning ist für die Sicherheit in meinem Club zuständig und er hat freie Hand bei der Wahl der Mitarbeiter. Ich vertraue ihm, dass er keine Typen in den Laden bringt, die Ärger machen oder sonst irgendwie zwielicht sind." Ben nickte sarkastisch. "Weil ja auch überhaupt nichts Zwielichtiges in ihrem Club abläuft, nicht wahr?" Ein vernichtender Blick traf den jungen Beamten, damals gab es Gerüchte über Drogengeschäfte in Eriks Laden. Ausserdem verschaffte er einem Verbrecher ein falsches Alibi... und belastete damals den eigenen Sohn.
"Regelt dieser Kai auch die Buchhaltung? Anmeldungen, Versicherungen... alles was Mitarbeitern zu tun hat?", wollte Semir mit strengem Blick wissen... und natürlich tat Kai das nicht. Er suchte die Leute aus, meist Bekannte aus seinem Boxladen, denen er vertraute. Eriks Blick auf Semir war nicht wesentlich freundlicher. "Nein, darum kümmere ich mich." Der erfahrene Polizist zog die Augenbrauen nach oben. "Wenn sie sich also um das Personal in Bürokram-Angelegenheiten selbst kümmern, den Mitarbeiter aber nicht mal am Namen erkennen, muss ich davon ausgehen, dass er weder angemeldet noch versichert ist." Er drehte sich auf dem Stuhl halb zu Ben. "Ben! Ruf die Kollegen von der Wirtschaftskriminalität an." Semirs bester Freund grinste und griff in seine Gesäßtasche, wo sein Handy steckte, als Peters seine Tasse lauter als nötig auf dem Tisch abstellte.
"Was soll der Zirkus?" "Das Gleiche könnte ich sie fragen!", antwortete Semir energisch. "Na schön, ich kenne Vinzenz. Vom Namen. Er ist gemeldet und versichert, also macht kein Fass auf." "Was ist er für ein Typ?", wollte Semir wissen und hörte aufmerksam zu. "Er fällt nicht auf. Das sind alles Jungs, die in Ordnung sind, Kai hat für sie einen Blick. Er macht keinen Ärger und tut seinen Job." "Hatte er mal etwas von Geldproblemen erwähnt?" Erik Peters zog die Augenbrauen hoch, was die Furchen in seiner Stirn nur vertiefte. "Wie kommt ihr darauf? Was ist mit ihm?"
Semir blickte kurz prüfend zu Ben... eine stumme Kommunikation zwischen den beiden Kollegen. Erik Peters mochte ein Kotzbrocken sein, ein schlechter Vater und unangenehmer Gesprächspartner... doch bisher konnten sie nicht ausmachen, dass besondere kriminelle Energie in ihm steckte. Er war vor allem bedacht, Umsatz in seinem Laden zu machen... legal. Die Tatsache, dass Vinzenz tatsächlich für ihn angestellt war, und das auch in den Akten stand, bestätigte das. Ben nickte und Semir drehte sich wieder zu Papa Peters. "Wir vermuten, dass er in Drogengeschäfte verstrickt ist." "Wenn das stimmt, fliegt er bei mir sofort raus.", reagierte der Mann sofort. "Ja ja... wir haben die Gerüchte über den Laden nicht vergessen.", meinte Ben nur sarkastisch und Erik Peters reagierte unter der Gürtellinie: "Und ich habe nicht vergessen, dass mein Sohn auf eurem verdammten Parkplatz in eurem verdammten Job gestorben ist."
Ben hatte sich eigentlich schon umgedreht, doch der gefallene Satz ließ ihn auf der Stelle umkehren und eine drohende Haltung einnehmen. "Erschossen von einem Mann, der ihn erpresste... weil sie zu feige waren, zur Polizei zu gehen.", sagte seine Stimme laut. Semir bemerkte Bens Stimmungswechsel von "provokant" zu "drohend" und stand rasch auf. Eine beruhigende Hand auf Bens Schulter stoppte dessen kurzzeitige Erruption. "Also... ist vor kurzem mit Vinzenz etwas vorgefallen?" Man sah, dass es in Erik Peters Kopf arbeitete, bis er schließlich nickte. "Er hatte nach einem Vorschuss gefragt. Den konnte ich ihm aber im Moment nicht geben. Sonst war nichts." Semir nickte und ohne Dank oder Verabschiedung verließen beide Polizisten das Haus.