Zurück im Park …
„Seid ihr fertig?“, zischte Ben in Richtung der beiden Frauen.
Sein Blick wanderte wieder zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er glaubte dort in der Dunkelheit eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Nur vage konnte der Polizist die Umrisse einer menschlichen Gestalt erahnen, die auf sie zu gehumpelt kam. Mit jeder Minute, die verstrich, gewöhnten sich seine Augen besser an die vorherrschenden Lichtverhältnisse im Schatten der alten Baumriesen. Angespannt lauschte er mit allen Sinnen, da kaum ein Strahl des Mondlichtes den Boden des Parks erreichte. Da, das Knacken eines Astes, der unter der Last menschlicher Schritte zerbrach. Das Rascheln des Laubes, das welk und dürr unter den Bäumen lag. Ein Schauer durchrann seinen Körper, als er an der Gestalt den Verfolger erkannte. Sein Pulsschlag begann zu rasen. Remzi! Ben drückte sich noch näher an den Baumstamm heran, der ihm als Stütze diente und versuchte mit den Ästen der benachbarten Fichte zu verschmelzen. Die Fichtennadeln piksten seine nackte Haut an den Armen, doch das störte ihn überhaupt nicht.
„Das habt ihr euch hübsch ausgedacht! Einfach so verschwinden!“, brummte die tiefe Stimme des Jägers mit einem drohenden Unterton, als er die Verfolgten erspähte.
Remzi trat aus dem Schatten der Eiche mit ihren tiefhängenden Ästen heraus. Schwer atmend, auf seine Krücken gestützt, stand er da und lauerte wie ein Raubtier nach seiner Beute.
Ben spürte, wie er zu zittern begann. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Die Angst nahm seinen Körper in Besitz, lähmte förmlich seine Muskeln. Er war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Blankes Entsetzen packte ihn, als er die Schusswaffe in der Hand des Grauhaarigen erkannte, in deren silbernen Lauf sich das Mondlicht spiegelte. Ben biss die Zähne zusammen. Er wollte keine Angst mehr vor diesem Monster in Menschengestalt haben. Er wollte nicht sterben, wollte nicht, dass Anna und Elena etwas passierte … Der pure Willen zum Überleben übernahm die Kontrolle seines Denkens und Handelns. Dennoch brachte seine Kehle nur ein heißeres Krächzen hervor.
„Deckung! Geht in Deckung!“
Fast gleichzeitig riss Ben seine Waffe hoch und brachte sie in den Anschlag, um den Abzugshahn durchzuziehen.
Zu spät! … Seine Warnung kam zu spät! … Die Reaktion des Polizisten kam zu spät!
Unter den Bäumen vor ihm blitzte das Mündungsfeuer aus Remzis Waffe diesen gewissen Sekundenbruchteil früher auf, auch wenn der Söldner im ersten Moment von dem Warnruf seitlich versetzt irritiert war.
Einmal .. . zweimal … leuchtete das Mündungsfeuer der Waffe auf.
Eine Frau schrie getroffen auf ….
Bens Augen weiteten sich vor Entsetzen, seine Instinkte übernahmen sein Handeln. Wie wild feuerte der verletzte Polizist das komplette Magazin der Pistole in Richtung seines schlimmsten Feindes, dessen Gestalt er im Schein des Mondlichts nur erahnen konnte. Was Ben nicht erkennen konnte, die Einschläge der Kugeln rissen Remzi förmlich herum und der Söldner stieß einen markerschütternden Schrei aus, als er getroffen zu Boden sank.
„Anna! … Anna!“, schrie Ben gequält auf und warf die leergeschossene Waffe achtlos zu Boden.
Keine Antwort, nur ein schmerzvolles Stöhnen kam aus der Richtung der beiden Frauen. Panik erfasste den jungen Polizisten. Ein letzter Blick auf den leblosen Körper von Remzi, den er nur als Schattenriss wahrnahm und er mobilisierte seine letzten Energiereserven, löste sich vom Baumstamm und humpelte los. Die Sorge um seine Freundin trieb ihn an den Rand des Wahnsinns. Warum antwortete sie nicht? Warum nur?
„Anna … Anna, so antworte doch? … Was ist mit dir?“, rief er.
Einzig dieses schmerzvolle Stöhnen bekam er zur Antwort. Obwohl die Distanz zwischen ihm und den beiden Frauen nur wenige Meter betrug, kam sie Ben endlos lange vor. Jeder Schritt war eine Quälerei. Die Angst und Sorge um Anna verdrängten die Schmerzen aus seinem Bewusstsein. Sein Atem ging keuchend. Zwei Schritte noch, motivierte er sich, als eine Wurzel für ihn zur Stolperfalle wurde. Irgendwie versuchte er mit seinen Händen den Sturz abzufangen und konnte es trotzdem nicht verhindern, dass er mit seiner lädierten linken Körperseite auf dem Boden landete. Der Schmerz, der beim Aufprall seinen Körper durchflutete, raubte dem Dunkelhaarigen nicht nur den Atem sondern auch für einige Sekunden die Besinnung.