14. April 2004
Kindergarten, Köln-Marienburg 10:35 Uhr
Als Ben den Mercedes vor dem bunt angemalten Gebäude zum Stehen brachte, wimmelte es dort bereits von Polizisten in Uniform.
Kurz nach ihnen fuhr auch ein weiteres Zivilfahrzeug der Polizei vor und zwei Kollegen des LKA kamen auf sie zu gelaufen.
Donnerwetter, die waren wirklich zügig vor Ort, musste Ben neidlos anerkennen und frage sich zugleich was für Gefallen seine Vorgesetzte da eingeholt hatte. Klein, konnten die nicht gewesen sein.
Der größere der LKA-Beamten, der sich ihm und Semir als Lutz Neumann vorstellte, trat als erstes auf die Chefin zu, die sich soeben von einem der uniformierten Beamten berichten ließ, was bis jetzt unternommen worden war.
„Anna, das tut mir so leid! Wir sind so schnell es ging gekommen. Hat die Ringfahndung schon etwas gebracht?“ Die Chefin schüttelte verneinend den Kopf.
„Bis jetzt noch nichts. Es wird weitergesucht und der Bereich von 10 auf 15 Kilometer erweitert.“
„Gut...“ Neumann, der die Chefin offensichtlich ein wenig besser kannte, nahm sie beiseite und ging mit ihr gemeinsam in das Gebäude, wo sie einen leeren Raum fanden. Dort konnten sie sich, fernab des Trubels, ungestört und in Ruhe unterhalten.
„Anna, hast du eine Ahnung wer Leonie entführt haben könnte?“
„Nein... Ich verstehe es nicht!“ Sie schüttelte den Kopf, ihr Blick schweifte dabei durch den Raum und sie realisierte das sie in dem Raum waren, aus dem sie Leo nach ihrem Stunt vor zwei Tagen abgeholt hatte.
Anna schluckte, fühlte gleichzeitig wie sich ihr die Kehle zuschnürte und sie versuchte sich wieder auf den Kollegen vor sich zu konzentrieren.
„Irgendeiner der bösen Jungs, die du eingebuchtet hast und der sich rächen möchte?“
„Theoretisch ist das möglich, aber ich wüsste nicht wer... Es war die letzten Monate recht ruhig bei uns...“
„Fällt ihnen jemand ein?“ Die Frage galt Ben und Semir, die vor der Tür standen und warteten. Die Kommissare dachte kurz nach, schüttelten aber die Köpfe.
„Es war in letzte Zeit wirklich sehr ruhig bei uns...“, antwortete Semir.
Neumann nickte, und wies seinen Partner dennoch an, umgehend eine Liste, mit allen sich momentan auf freiem Fuß befindlichen Verbrechern zu erstellen, die die Chefin in ihrer Karriere hinter Gitter gebracht hatte.
„Könnt der, oder die Entführer, aus deinem privaten Umfeld kommen?“, fragte Lutz vorsichtig und bekam sofort ein entschiedenes „Auf keinen Fall!“ als Antwort.
„Also gut... Anna wir übernehmen ab hier. Du kannst dir absolut sicher sein, dass wir alles unternehmen werden, um deine Tochter so schnell wie möglich zu finden und unbeschadet zu dir zurückzubringen...“
Die Engelhardt schüttelte jetzt energisch mit dem Kopf. „Ich werde jetzt ganz sicher nicht nach Hause gehen und dort Däumchen drehen!“
„Chefin...“ versuchte es Semir vorsichtig, wurde aber ebenfalls mit einem strengen Blick abgestraft, der ihn sofort verstummen ließ. Ben versuchte es daraufhin nicht einmal. Auch wenn er es für das Beste hielt, sie umgehend aus der Schusslinie zu nehmen. Ansonsten konnte das Ganze womöglich in einem noch größeren Drama enden, als es das eh schon war.
Auch Semir schien zu überlegen, wie er die Chefin davon überzeugen konnte das LKA und ihn und Ben ihren Job machen zu lassen, als das Handy der Engelhardt klingelte.
Da sie die Nummer nicht kannte, wollte sie den Anruf schon wegdrücken, bis ihr eine Vermutung in den Sinn kam!
Ein Stromstoß ging durch Annas Körper und ihr Geist war mit einem Schlag hellwach.
Auch die übrigen Anwesenden erkannte sofort das etwas im Gange war. Die Chefin legte ihr Handy auf den Tisch im Raum und schaltete es auf Lautsprecher, ehe sie sich meldete.
„Engelhardt?“
„Frau Engelhardt, sie können sich mit Sicherheit denken, wer ich bin und warum ich sie anrufe.“ Die Stimme war Computer verzerrt, dennoch glaubte die Polizistin eine leichte Unsicherheit zu erkennen.
Hatte sie also richtige gelegen, mit ihrer Vermutung...
„Wo ist meine Tochter?!“, fragte sie sofort und konnte ein Zittern ihrer eigenen Stimme nur mit Mühe unterdrücken.
„Sie ist bei mir und es geht ihr gut. Damit das so bleibt, müssen sie mir allerdings einen kleinen Gefallen tun...“
„Wer sind sie und was wollen sie?“ Jetzt musste sie nicht nur ein Zittern, sondern auch Wut in ihrer Stimme unterdrücken.
„Wer ich bin ist egal! Ich will bis morgen Mittag um 12:00 Uhr, die von Ihnen sichergestellten Diamanten, die sich momentan in der Asservatenkammer befinden, haben! Wann und wo die Übergabe stattfindet erfahren sie morgen. Wenn sie mir die Diamanten bringen, bekommen sie ihre Tochter zurück!“
Ben, Semir und Anna rissen gleichzeitig ungläubig die Augen auf, während die Kollegen vom LKA ein wenig verwirrt wirkten.
Annas Gedanken überschlugen sich mehrfach und sie hatte Mühe, auch nur einen vernünftigen Schluss daraus zu ziehen.
Deswegen platzte ihr auch in einer Kurzschlussreaktion der Kragen und sie verlor die Nerven:
„Jetzt pass mal auf du Penner! Wenn du meinem Kind auch nur ein Haar krümmst bringe ich dich eigenhändig um! Darauf kannst du dich verlassen! Und wenn es sein muss, werde ich dich dafür bis ans Ende der Welt jagen! Ich werde dich jagen und ich werde dich finden! Und es gibt nichts und niemanden, der dich vor mir schützen kann!“ brüllte sie in Richtung des Mikrophons, ehe einer der anwesenden Männer es verhindern konnte.
Nach diesem Ausbruch war es Ben Jäger, der als erstes reagierte.
Er packte seine Vorgesetzte recht unbeholfen, aber bestimmt und zog sie aus dem Raum heraus, während Kriminalrat Neumann vom LKA und Semir versuchten vernünftig mit dem Kidnapper zu reden.