15.April 2004
Rheinbach Wald, 12:17 Uhr
Ben und Semir kamen gerade noch rechtzeitig am Rande der kleinen Lichtung an, auf der die Hütte stand, dass sie sehen konnten wie Fux und ihre Vorgesetzte mit hinter den Köpfen verschränkten Händen unsanft in die Hütte bugsiert wurden, während man zwei Waffen auf sie richtete.
„Ich hab‘s gewusst! Dieser Idiot! Ich trete denen so dermaßen in den Hintern!“ brummte Gerkhan.
„Wem genau? Fux oder der Chefin?“
„Beiden!“
Ben verzog kurz belustigt den Mund. Das würde er zu gerne sehen...!
Dann sagte er:
„Ich werde dich sicher nicht aufhalten, aber dafür müssen wir uns was einfallen lassen, wie wir sie da wieder herausbekommen... Immer hin wissen wir jetzt, dass wir hier richtig sind!“
Das war sie eindeutig, ja! Kurz darauf hörte Semir, Ben hinter sich fluchen: „Kein Netz! Verstärkung wird also schwer!“
Das war ja wieder klar... Wenn es wichtig war, hatte man natürlich keinen Empfang! Typisch!
„Na dann muss Onkel Semir wohl wieder alleine den Tag retten...“, murmelte Gerkhan, fügte dann aber noch gnädig hinzu: „Und du darfst helfen, Jäger!“
„Das ist aber nett, dass ich helfen darf...“ Ben wirkte leicht pikiert, während sie ein Stück näher an die Hütte heranpirschten.
Als sie vorsichtig durch eins, der nicht von Fensterläden verschlossenen Fenster spähten, erkannten die Kommissare sofort das sie es mit ziemlich brutalen Schlägern zu tun hatten.
Just in dem Moment als sie durch das Fenster ins Innere der Hütte sehen konnten, wurde Fux von einem der Typen eine kräftige Faust in den Magen gerammt und er krümmte sich vor Schmerzen.
Und soweit sie sehen konnten, hatte auch die Chefin schon eine blutige Nase.
„Kannst du den Jungen irgendwo sehen?“ Ben schüttelte den Kopf. Der war vermutlich im Nebenraum, den sie nicht einsehen konnten.
„Glaubst du da sind noch mehr Verbrecher im Haus als die vier?“
Ben wog den Kopf hin und her. Es war möglich, aber sehr unwahrscheinlich, weshalb er nach kurzem Zögern sagte: „Ich denke nicht...“
Während Semir noch fieberhaft überlegte, was sie am besten tun sollten, eskalierte die Situation in der Hütte in einer rasanten Geschwindigkeit!
Die zwei Polizisten konnten nicht genau hören was gesagt, oder besser, was gebrüllt wurde aber von der einen auf die andere Sekunde wussten sie das sie handeln mussten.
Und zwar sofort!
Im Hauptraum der Hütte fing sich Fux einen weiteren Schlag in den Magen ein, während einer der Männer, vermutlich der Anführer, ihn zum zweiten Mal fragte, was sie hier taten und ob noch mehr Bullen in der Nähe waren.
„Ich habe keine Ahnung wovon sie da reden... Wir haben unseren Hund gesucht... Balto!“ keuchte André und hatte trotz allem noch immer ein leicht herablassendes Grinsen auf den Lippen.
„Natürlich... Es ist also purer Zufall das die kleine Bullenbraut hier uns gestern Abend kontrolliert hat und ihr heute hier vor der Tür steht!“ Der Kerl sah abfällig auf Fux herab, der keuchend auf dem Boden kniete.
„Ein letztes Mal: Sind hier noch mehr Bullen?! Und wer schickt euch?!“
„Willst du mich nicht verstehen? Wir sind hier zufällig spazieren gegangen...“ Der Kerl der Fragen stellte, bewegte sich mit einer rasanten Geschwindigkeit, als er ein Butterfly Messer aus seiner Hosentasche zog und mit dem offenen Messer auf die Chefin zu trat.
Er packte sie grob in den Haaren und im nächsten Moment fühlte sie die scharfe Klinge an ihrem Hals.
Bereits im nächsten Augenblick flossen die ersten Tropfen Blut, als der Verbrecher einige Zentimeter Haut dicht neben ihrer Halsschlagader anritzte.
„Wenn du mir nicht sofort sagst, was ich wissen will, du Penner, gibt’s hier gleich eine riesen Sauerei!“
Und die Sauerei gab es tatsächlich.
Allerdings ein wenig anderes als der Mann es gedacht hatte. Während Fux erstarrte und auch die Chefin sich keinen Millimeter mehr bewegte, handelten Ben und Semir!
Die Polizisten waren beide erfahren genug, um zu sehen, wenn umgehendes Handeln ohne Zögern gefragt war!
Weder Ben noch Semir hegten den kleinsten Zweifel daran, dass der Typ ihrer Chefin, ohne zu zögern, die Kehle aufschlitzen würde.
Es kam ihnen in dem Moment enorm zugute, das sie sich blind und ohne Worte verstanden. Zeitgleich standen sie auf, legten an und schossen auf ihr jeweiliges Ziel!
Die Kugeln schlugen durch die Scheibe und trafen Dead-Center!
In Semirs Fall traf die von ihm abgefeuerte Kugel den Kopf des Mannes, der die Engelhardt festhielt und mit dem Messer bedrohte.
Bens Kugel ging in die Brust des Mannes, der seine Waffe auf Fux richtete.
Als Anna den Knall hörte, griff sie Reflexartig in die Klinge an ihrem Hals.
Eine Bewegung, die ihr vermutlich das Leben rettete.
Der Typ, der sie gerade noch festgehalten hatte, fiel wie ein nasser Sack in sich zusammen, während ein Teil seines Schädels und seines Gehirns sich an der nächstgelegenen Wand verteilte.
Dabei riss er sie mit sich zu Boden und hätte ihr wohl den Hals aufgeschnitten.
So schnitte die scharfe Klinge des Messers nur ihre Handflächen auf.
Fux hatte sich in Windeseile aufgerappelt und auf eine der noch übrig gebliebenen Männer gestürzt, während Ben und Semir weitere Kugel durch die Fenster feuerten und so den vierten im Bunde zum Rückzug zwangen.
Die Chefin rappelte sich nun ihrerseits auf und sah sich kurz um. Dabei blieb ihr Blick an einer Holztür zu ihrer linken hängen. Sie eilte darauf zu, nur um festzustellen, dass sie abgeschlossen war.
André und der grobschlächtige Hüne, den sie nach ‚Balto‘ gefragt hatten, lieferten sich derweil eine heftige Schlägerei, in der keiner dem Anderen etwas schenkte. Aus dem Augenwinkel sah Anna mit wachsendem Entsetzen, das soeben einer der Vorhänge abgerissen wurde und sich ein Teil des Stoffes im Kamin verfing, in dem ein Feuer brannte, welches den Vorhang sofort entzündete.
Das war nicht gut!