Hier kommt meine zweite Story.
Ich hab mich natürlich sehr über eure letzten Feedbacks gefreut und hoffe, daß es euch diesmal wieder gefällt.
Los gehts!
"Verdammt, das kann doch nicht wahr sein!" Tom schüttelte fluchend den Kopf und sah sich weiter auf dem Tankstellengelände um. überall wimmelte es inzwischen von Streifenwagen und Polizeibeamten. Die gesamte Tankstelle war längst abgesperrt und hinter den rotweissen Absperrbändern tummelten sich jede Menge Schaulustige. Auch die Leute der KTU waren längst an der Arbeit.
Semir sah Tom achselzuckend an.
"Was regst du dich so auf ?"
"Ich fasse so was einfach nicht, tut mir leid! Da überfallen drei Maskierte eine Tankstelle, ja? Dann spazieren sie raus , springen in ihren Wagen und hauen ab! Und die ganze Takstelle, alles ist voller Menschen! Und wir haben nicht einen einzigen brauchbaren Zeugen!"
" Ja, ich weiss, was solls. Die Leute sind halt sowas nicht gewohnt, was weiss ich..."
"Ach Semir,keiner kann die Täter beschreiben! Wir wissen nicht mal, was es für ein Fluchtwagen war!"
"Ein dunkler Kombi."
"Dunkler Kombi...toll! Da gibt es ja höchstens ein paar tausend! Wieso, verdammt nochmal, hat sich keiner wenigstens die Marke gemerkt ? "
" Es war ein dunkelblauer VW Passat."
Tom und Semir fuhren herum. Etwa drei Meter neben ihnen, direkt hinter dem Absperrband, stand ein blonder Junge, etwas sieben oder acht Jahre alt und sah ihnen entgegen.
"Was hast du gesagt ?" Tom war sofort bei dem Jungen und ging neben ihm in die Knie.
"Das war ein VW Passat."
Tom lächelte ihm zu, sah zu Semir und wieder zu dem Jungen.
"Wie heisst du denn ?
"Niklas. Und du ?"
"Ich?", Tom sah ihn etwas überrascht an, lächelte dann wieder. "Tom. Ich bin Tom."
Niklas lächelte jetzt auch und einen Moment war es still. Tom Kranich stellte für sich selbst fest, dass er gerade etwas überfordert war. Hilfesuchend drehte er sich wieder zu Semir um, der jedoch nur grinsend und mit verschränkten Armen neben ihm stand und die Szene beobachtete. Wie zum Teufel spricht man mit Jungs in diesem Alter, dachte Tom fieberhaft. Seine Erfahrungen mit Kindern war gleich null!
Und Semir, der schliesslich immerhin seit einem Jahr Vater war ,machte nicht die geringsten Anstalten, ihm zu helfen.
"Bist du von der Polizei?" Die Stimme des Jungen.
"Ja. Ja, genau, Niklas...Sag mal,du hast das Auto gesehen, mit dem die Verbrecher weggefahren sind ?"
"Ja, es waren drei Männer. Sie haben Masken getragen. Schwarze Masken. Und sie sind mit einem dukelblauen Passat weggefahren."
"...Okay. Und das weisst du genau, Niklas ?"
"Na klar !"
"Kennst du dich gut mit Autos aus ?"
"ich kenne alle Marken. Ich sammle nämlich Siku ."
"Siku ?" Tom sah ihn fragend an. Niklas grinste ihn an, fand es wahrscheinlich lustig, dass Tom keine Ahnung hatte, wovon er sprach.
"Das sind kleine Modellautos. Ich hab fast hundert !"
"..Achso...Sag mal Niklas, von wo hast du denn diese drei Männer und den Passat gesehen ?"
"Na von da oben !" Niklas deutete hinter sich auf die erste Etage der Autobahnraststätte, die direkt neben der Tankstelle lag.
"Ich hab aus dem Fenster gesehen. Samstag arbeitet meine Mama hier und dann beobachte ich immer von da oben die Autos. Einmal, da war sogar ein Ferrari hier tanken!" Seine dunklen Kinderaugen leuchteten, während er von dem Ferrari sprach und Tom nickte verständnisvoll.
"Okay Niklas, weisst du was ? Laß uns doch mal deine Mutter suchen, ja ? Ich würde gerne noch ein bißchen länger mit dir sprechen. Vielleicht hast du ja noch was gesehen, was wichtig sein könnte."
"Ich weiss noch ,dass der Wagen aus Köln war. Und das Kennzeichen hatte vorne eine drei. Dann kamen noch zwei Zahlen, aber die hab ich nichtmehr gesehen."
Tom und Semir sahen sich wortlos an. Dann ging Semir bereits Richtung Dienstwagen ,um die neuen Informationen an Petra durchzugeben.
Tom dagegen folgte jetzt Niklas, der zielstrebig Richtung Raststätte lief.
Niklas Mutter sah Tom Kranich fragend an, während sie ihm seinen Dienstausweis zurück gab. Sie mochte etwa Mitte dreißig sein und hatte die gleichen grossen dunklen Augen, die auch Niklas hatte. Ihre braunen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden und sie wirkte auf Tom sofort sympathisch.
"Und Niklas hat etwas von dem Überfall gesehen?....Niki, stimmt das ?"
"Ja ,Mama. Ich war oben. Ich hab das Auto gesehen und die Verbrecher!"
"Ja, aber wie..."
"Ihr Sohn stand unten an der Absperrung und hat uns gerade erzählt was er gesehen hat, Frau Rieger."
Sie sah zu Tom, dann wieder zu Niklas.
"Niki, warum sagst du mir nicht, dass du zur Tankstelle rüber bist? Niklas, das ist gefährlich!"
"Aber ich bin doch erst hingegangen, als die Polizeiautos da waren, Mama."
"Aber deine Mama hat schon recht, Niklas.", Dabei sah Tom zu Niklas Mutter. Ihre Blicke trafen sich für ein, zwei Sekunden,dann sah sie wieder zu ihrem Sohn.
"...Okay, wir reden nachher noch darüber, Niklas.", Wieder sah sie zu Tom. "Ich habe in einer Stunde Feierabend, Herr Kranich."
"Könnten sie dann mit Niklas zu uns ins Büro kommen? Ein Streifenwagen kann sie abholen.Ich muß die Aussage von ihrem Sohn aufnehmen und würde gerne nochmal in Ruhe alles durchgehen, ja?"
Sie nickte. "Okay, wenn es wichtig ist."
"Ihr Sohn ist ein sehr wichtiger Zeuge, Frau Rieger. Um ehrlich zu sein, der einzige."
"Der Einzige? Herr Kranich, es sind immer jede Menge Menschen in der Tankstelle. Wollen sie mir allen ernstes erzählen, dass mein siebenjähriger Sohn der einzige ist, der ihnen weiterhelfen kann?"
"Ja", Tom nickte, "Genau so sieht es im Moment aus.Ich weiss, es ist kaum zu glauben..."
Etwa anderthalb Stunden später, PAST.
Tom und Semir standen hinter Petra über den PC gebeugt.
"Hier, seht es euch selbst an. Ein dunkelblauer Passat, Kölner Kennzeichen 361,taucht jetzt schon das dritte Mal bei einem Tankstellenüberfall auf."
Semir nickte. "Ja, einmal bei Wuppertal, vor sechs Wochen in der Nähe von Leverkusen und jetzt hier auf der A 45. Immer das gleiche Schema, drei maskierte Männer."
"Also Serientäter ?", Die Stimme von Anna Engelhardt, die jetzt ebenfalls neben ihnen stand.
"Sieht so aus, Chefin."
"Auf wen ist der Wagen ursprünglich zugelassen?"
"Auf einen gewissen Burkhard Drews. Er hat den Wagen vor knapp drei Monaten als gestohlen gemeldet. Wohnt hier in Köln."
"Gibts was über den ?"
"...Nein, keine polizeilichen Vorstrafen, nichts."
"Trotzdem. Sehen sie sich diesen Drews mal an, meine Herren. Wäre ja nicht das erste Mal, das jemand mit einem angeblich gestohlenen Wagen verbotene Dinge tut."
Tom nickte, sah zur Uhr.
"Semir, mach du doch diesen Drews, ja? Ich will auf jeden Fall hier auf den Jungen und seine Mutter warten."
Anna Engelhardt sah ihn fragend an. "Was für ein Junge ?"
Bevor Tom antworten konnte, mischte sich bereits Semir grinsend ein.
"Tom hat einen neuen Verehrer, Chefin." Dabei nahm er schon seine Jacke und ging immer noch grinsend zur Tür. "Viel Spaß, Tom! "
Anna Engelhardt sah jetzt wieder zu Tom, dieser zuckte nur die Achseln.
"Niklas Rieger, sieben Jahre alt. Hat von der Raststätte den Wagen gesehen. Von ihm haben wir auch das Kennzeichen, Chefin."
"Okay, sprechen sie mit ihm. Kinder sind ausgezeichnete Beobachter. Wer weiss, vielleicht erfahren wir noch was."
"Sag ich doch."
Die Chefin nickte und ging zurück in ihr Büro.
In dem Augenblick sah Tom an der Tür Niklas und seine Mutter hereinkommen.
Schon hatte der Junge ihn entdeckt und winkte zu. Tom Kranich stand auf und ging ihnen entgegen.
Kurz darauf sassen sie in Toms und Semirs Büro. Niklas sah sich neugierig um und seine Augen schienen jede Kleinigkeit, die er bemerkte, zu registrieren. Tom Dagegen sah immer wieder zu Niklas Mutter hinüber und immer wieder begegneten sich ihre Blicke.
"Ja, kann ich ihnen vielleicht einen Kaffee anbieten?"
"...Nein, danke, Herr kranich."
"Und du, Niklas? Möchtest du was trinken ?"
"...ja....Apfelschorle."
Tom ging zur Tür, öffnete sie einen Spalt und wandte sich an Petra.
"Ich bräuchte mal Apfelschorle."
"Apfelschorle?", Sie schüttelte den Kopf."Und wo soll ich die hernehmen ?"
"Ja, was weiss ich...lass dir was einfallen!" Die Tür ging wieder zu und Petra stand seufzend unter den grinsenden Blicken der Kollegen von ihrem Schreibtisch auf.
Tom dagegen wandte sich im Büro wieder Niklas zu.
"Apfelschorle kommt sofort!"
Der Junge lachte und schüttelte dabei den Kopf.
"Ha,ha, stimmt nicht...Ihr habt garkeine Apfelschorle."
Tom sah ihnfassungslos an,während seine Mutter zu lachen begann. Auch Tom lachte jetzt und nickte.
"Stimmt. Du hast Recht."
"Macht nichts."
"Okay...sag mal,warst du schon mal auf einem Polizeirevier ?"
"Nein. Aber es ist langweilig...hast du heute schon jemanden verhaftet?"
"...Äh, nein. Heute noch nicht....Aber vielleicht erwischen wir die Männer bald, die du heute an der Tankstelle gesehen hast.Nur das wird schwierig, du hast ja gesagt, dass sie Masken getragen haben."
"Ja, haben sie.Als sie aus der Tankstelle kamen. Aber im Auto nichtmehr."
Tom Kranich starrte Niklas an. Und auch Niklas Mutter sah jetzt fast erschrocken zu Tom.
Niklas dagegen sprach weiter, als wäre nichts geschehen.
"Die Masken haben sie abgemacht, als sie im Auto waren."
"Im Ernst ? Das hast du mir ja noch garnicht erzählt."
"Du hast mich ja auch nicht gefragt..."
"...Ja, stimmt. Sag mal, Niklas, wie sahen die denn aus?"
"Einer hatte einen Bart...so hier oben an der Lippe."
"Einen Schnurbart?"
"Ja...der ist gefahren. Der ,der neben ihm saß, hatte so lange Haare wie mein Fußballtrainer. Aber blond. So wie ich. Den hinten habe ich nicht gesehen."
"...Okay...Niklas, wir haben hier bei der Polizei jemanden, der kann unheimlich gut Menschen zeichnen. Er kann genau das zeichnen, was du ihm sagst. Meinst du, du könntest ihm erzählen, wie die Männer ausgesehen haben ?"
Niklas nickte nur. Tom griff bereits zum Telefon.
Zur gleichen Zeit stand Semir dem Mann gegenüber, der vor etlichen Wochen den Wagen als gestohlen gemeldet hatte, mit dem inzwischen drei Tankstellen überfallen worden waren.
Burkhard Drews, ein Dunkelhaariger Mann Mitte vierzig sah Semir genervt entgegen. Und schon im ersten Augenblick hatte Semir für sich entschieden, dass der Kerl ihm äusserst unsympathisch war.
"Was soll das denn, Herr Kommissar?! Der Wagen wurde gestohlen, das hab ich schon vor Wochen mit irgendwelchen Kollegen von ihnen geklärt. Was wollen sie jetzt noch von mir?!"
"Es hat sich herausgestellt, daß ihr Wagen für Tankstellenüberfalle benutzt wird, Herr Drews."
"Ja,ja, ich weiss! Da waren auch schon Kollegen von ihnen hier."
"Heute Vormittag wieder, auf der A45. Die Täter gehen äusserst brutal vor, es ist nur eine Frage der Zeit bis jemand verletzt wird!"
"Was hab ich damit zu tun?"
"Wo waren sie denn heute zwischen 10 und 12, Herr Drews?"
Drews sah Semir wütend entgegen uns schien sich nur mühsam beherrschen zu können.
"Ich war hier, zuhause!"
"Zeugen?"
"Nein!"
"Schade."
Semir lächelte ihm freundlich zu und Drews war kurz vorm Explodieren.
"Hören sie, lassen sie mich mit ihren absurden Verdächtigungen in Ruhe, Herr Kommissar. "
"Was regen sie sich so auf, Herr Drews? Alles reine Routine. Oder haben sie etwas zu verbergen?"
"Auf Wiedersehen, Herr Gerkan!"
Semir nickte nur, verließ langsam Drews Wohnung. Sein Gefühl sagte ihm, dass der Kerl nicht sauber war. Aber es war nur so ein Gefühl....
Niklas saß neben dem Phantomzeichner der Polizei, nickte oder schüttelte den Kopf. Langsam entstanden auf dem Monitor zwei Gesichter. Dem Jungen schien es Spaß zu machen und mittlerweile standen immer wieder sämtliche Kollegen amüsiert um ihn herum.
Tom saß mit Kristin Rieger in seinem Büro, beide sahen auch immer wieder hinüber zu Niklas.
"Jetzt einen Kaffee ?"
"...Ja, gerne."
"Ihr Sohn ist großartig."
"Ja...ich weiß", Sie lächelte, "aber sie sollten ihn auch mal erleben, wenn er sauer ist."
"Würd ich gern.."
Sie sah ihn an, lächelnd, nachdenklich. Tom sah ihr in die Augen und fühlte, das da etwas geschah, was er noch nicht einzuschätzen wusste. Schnell schob er seine Gedanken beiseite und ging zwei Becher Kaffee holen. Dabei erwischte er sich dabei, daß er seit langer ,langer Zeit wieder an Elena dachte.... Und daran , dass er all die Jahre sicher gewesen war, dass er niewieder für jemanden so etwas empfinden könnte wie für Elena. Und jetzt, seit heute Mittag passierte irgendetwas in seinem Leben, was ihn komplett durcheinander brachte.
"Ah, Kaffee für mich? Danke!" Semirs Stimme riß ihn aus seinen Gedanken. Tom sah auf seine leere Hand, die gerade noch eine der Kaffeebecher gehalten hatte und schüttelte den Kopf.
"Der war nicht für dich....aber immer wieder gerne, Partner."
"Was macht der Junge da ?"
"Phantombilder. Er hat zwei von den Kerlen gesehen, als sie sich die Masken abgezogen haben."
"Na, und du sagst wir haben keine Zeugen!"
"Wie wars bei Drews?"
"Weiß nicht, ätzender Typ. Ist aber nur so ein Gefühl...."
"...Naja, ich hab zu tun. Sieh doch mal wie weit Niklas ist, ja?"
"Ich ? Das ist ja wohl eher dein..." Aber Tom war bereits mit dem Kaffee in seinem und Semirs Büro verschwunden und schloß die Tür. Semir sah ihm nach, sah Niklas Mutter mit im Büro sitzen und schüttelte grinsend den Kopf. Tom, der sich nochmal zu ihm umdrehte ,grinste zurück und zuckte mit den Schultern.
"So, hier kommt der Kaffee."
"Danke...Herr Kranich."
"Gern geschehen...ich hoffe, wir halten sie hier nicht allzu sehr auf. Aber ich erhoffe mir eine Menge von den Phantombildern."
"Das ist schon in Ordnung. Ich hoffe auch, dass sie die Täter schnell erwischen. Und wenn Niklas dabei helfen kann..."
"Das hat er bereits! Egal, ob jetzt etwas bei den Bildern rauskommt oder nicht."
Sie nickte, nahm ein Schluck Kaffee.
Semir kam herein.
"Die Bilder sind fertig. Petra lässt sie schon durch die Computerraster laufen."
Tom stand auf,ebenso Kristin Rieger. Fast wären sie dabei gegeneinander gelaufen, so dicht standen sie sich einen Moment, zwei, drei Sekunden lang,
gegenüber. Beide lachten. Tom ging beiseite.
"...Nach ihnen..."
"Danke."
Semir stand bereits wieder bei Petra.
"Wie lange dauert das ?"
"Zwei, drei Minuten. Das Programm verarbeitet die Merkmale und vergleicht sie mit allen registrierten Fotos aus der Kartei. Vielleicht haben wir Glück."
Semir nickte. Auch Tom stand jetzt bei ihnen, während Kristin Rieger zu ihrem Sohn gegangen war. Hotte und Dieter unterhielten sich lachend mit Niklas.
"Und ? Gefällt sie dir ?"
"Was?", Tom sah Semir an und antwortete nicht.
"Klar gefällt sie dir! Seh ich doch...."
"Was du so alles siehst, Semir....."
Die Stimme von Petra beendete ihr Gespräch.
"Hier! Seht euch das an!"
Auf dem Bildschirm erschienen die Daten von zwei Männern. Tom schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Treffer, Semir!"
"Dein Niklas ist Gold wert....Roman Hermann...und Günter Drews."
"Drews?!"
"Ja genau, Drews! Petra, check mal, ob es da Verbindung zu diesem Burkhard Drews gibt."
Sie nickte, ging an den zweiten PC. Tom und Semir lasen weiter in den Akten der beiden Männer.
"Haben beide zusammen gesessen, beide wegen diverser Überfälle."
"Ja, da haben sich wohl die richtigen im Knast kennengelernt!"
"Hermann ist vor vier Monaten entlassen....Und dieser Drews, na sieh mal an, auch etwa vor vier Monaten."
"Was für ein Zufall! Petra, hast du was?"
"Ja Tom! Haltet euch fest, Burkhard Drews ist der ältere Bruder von Günter! Gleiche Meldeadresse!"
Semir und Tom sahen sich an.
"Mein Gefühl täuscht eben nicht! Vielleicht ist das unser dritter Mann, den Niklas nicht sehen konnte!"
"Na dann los ! Vielleicht sitzen die ja bei Kaffee und Kuchen!....Petra, zwei Streifenwagen sollen zu diesem Hermann fahren!"
"Okay!"
Tom und Semir rannten Richtung Ausgang. Kurz vor der Tür blieb Tom noch bei Niklas und seiner Mutter stehen.
"Niklas, das war großartig!...Ein Kollege wird sie nach Hause fahren und ich...."
"Ja?"
"Ich muß leider los, aber ich .."
Semir zog Tom aus dem Büro. "Ja,ja, er meldet sich dann!...Nun los Partner, sonst verpassen wir noch Kaffee und Kuchen!"
Tom warf Semir einen bösen Blick zu, folgte ihm dann aber eilig. Kristin Rieger sah ihm stumm hinterher.
Während sie zum Auto rannten, grinste Semir schon wieder.
"Bestimmt hat sie einen Mann und das ist eine glückliche Familie, Tom!"
"Ach, kümmere du dich doch um deinen Kram!...Ich fahre!"
"Ja,ja, ist ja gut..."
In der Wohnung von Drews lief Günter nervös auf und ab.
"Laß uns endlich den verdammten Wagen entsorgen! Das wird mir zu heiß, Burkhard!"
"Ja,ja, du hast Recht! Roman soll sich da morgen drum kümmern."
"Was hat dieser Bulle noch gefragt?"
"Ach, jetzt mach mich nicht irre! Keiner hat unsere Gesichter gesehen, es gibt keine Beweise, nichts! Vergiß den Bullen!"
An der Tür klingelte es! Die beiden sahen sich fragend an, Burkhard Drews ging langsam Richtung Tür....
Semir drückte den Klingelknopf, sah zu Tom, der bereits sicherheitshalber die Sicherung der Waffenhalterung am Gürtel löste. In der Wohnung war kein Laut zu hören. Semir klingelte erneut.
"Polizei! Herr Drews, machen sie bitte auf!"
Schliesslich öffnete sich die Wohnungstür, Drews sah ihnen entgegen.
"Sie schon wieder! Was wollen sie ?!"
"Wir hätten da noch ein paarFfragen. Das ist mein Kollege Kranich. Können wir kurz reinkommen?"
"Nein."
"Sie können uns auch aufs Revier begleiten, Drews...Wir suchen ihren Bruder, ist er hier?"
In dieser Sekunde knallte Drews die Tür zu! Tom versuchte noch den Fuß dazwischen zu schieben, aber es war zu schnell gegangen.Im Gleichen Moment fielen auch schon zwei Schüsse und durchschlugen die Wohnungstür. Semir und Tom sprangen neben der Tür in Deckung, hielten bereits die Dienstwaffen in der Hand.
"Mann, Mann, immer gleich diese Schiessereien....Auf drei?!"
Tom nickte nur, zählte in Gedanken bis drei, sprang dann vor und trat die Tür ein.
"Polizei! Stehenbleiben!"
Keine Reaktion. Die Wohnung schien leer. Langsam und unter höchster Anspannung arbeiteten sich die beiden von Zimmer zu Zimmer vor. Nichts.Im Wohnzimmer stand die Balkontür offen.
"Ich nehm die Treppe !" Tom rannte zurück Richtung Hausflur, während Semir über die Balkonbrüstung nach unten sah. Drews und ein weiterer Mann rannten Richtung Parkplatz.
"Na toll....verdammt nochmal!" Damit sprang auch Semir über die Brüstung der ersten Etage und landete wie vermutlich gerade zuvor die beiden Flüchtenden in einer dichten Hecke.
Mühsam rappelte er sich auf, fluchte über die am Ärmel zerrissene Jacke und rannte dann Richtung Parkplatz. Dort raste gerade ein roter Golf davon!
Gleichzeitig bog auch schon Tom mit quitschenden Reifen um die Ecke des Hauses, hielt neben Semir.
"Taxi gefällig!?"
Eilig sprang Semir auf den Beifahrersitz und Tom gab Gas.
"Da vorne sind die lang!....Nächstes Mal nehme ICH die Treppe!"
Tom warf einen Seitenblick zu Semir, sah die kaputte Jacke und grinste kurz.
Der Golf raste inzwischen durch die engen Straßen der Kölner Innenstadt. Tom fluchte.
"Mist ! Wenn der so weiter fährt, passiert noch was!"
"Ja, dann hol ihn ein, brems ihn aus, fertig!"
"Schon dabei!"
Wieder fielen Schüsse. Semir und Tom duckten sich fluchend. Sofort darauf erwiderte Semir das Feuer, doch in diesem Moment fuhr ein LKW rückwärts aus einer Ausfahrt. Der rote Golf raste in letzter Sekunde links an dem ausfahrenden Lkw vorbei, dann war die Straße komplett von dem 18 Tonner versperrt. Tom fluchte erneut und trat in die Bremsen. Etwa einen Meter vor dem Lkw kam der CLK zum Stehen!
"Scheisse!"
Semir sprang aus dem Wagen, winkte wie wild dem Fahrer zu, doch es dauerte alles viel zu lange. Tom winkte ab, griff zum Funkgerät.
"Die sind weg, Semir!...Cobra 11 an Zentrale!"
"Ja, was gibts?"
"Fahndung raus nach rotem Golf 4, Kennzeichen K-R 392. Wagen fährt Richtung Innenstadt, Schenkendorfstrasse. Achtung, Die Männer sind bewaffnet, Schußwechsel!"
Dann lehnte sich Tom einen Moment im Fahrersitz zurück, sah raus zu Semir und schlug wütend gegen das Lenkrad.
"Verdammter Mist!"
Anna Engelhardt kam ihnen sofort entgegen, als sie die PAST betraten.
"Wieso sind sie ihnen entwischt?"
Tom antwortete nicht, ging an der Chefin vorbei in ihr Büro.Semir folgte ihm, ebenso Anna Engelhardt.
"Verkettung unglücklicher Umstände, Chefin."
"Hat die Fahndung nach dem Golf etwas ergeben?"
"Nein, nichts! Die Wohnung von Drews wird überwacht, auch die von diesem Hermann. Der ist aber da noch nicht aufgetaucht."
"Wird er jetzt wohl auch nichtmehr,Tom."
"Weiss ich selbst!"
Sie schwiegen. Anna Engelhardt musterte ihre beiden Beamten und wußte, was in ihnen vorging. Semir brachte es auf den Punkt.
"Verdammt, wir waren so dicht dran! Das kann doch nicht wahr sein!"
"Nun, sie werden sie schon kriegen. Ewig können die nicht untertauchen. Gehen sie die Akten durch. Vielleicht finden sie was, wo sich die drei verstecken könnten. Und halten sie mich auf dem Laufenden! Ich will nicht noch weitere Überfälle."
Tom und Semir nickten nur.
"Woher, verdammt, wissen die Bullen von uns?!" Günter Drews starrte seinen Bruder und Roman Hermann fragend an. Nachdem sie der Polizei entkommen waren, hatten sie sich an einer Raststätte mit Hermann getroffen, ein Auto geklaut und waren hierher in das alte Fabrikgelände gefahren. Früher hatte Burkhard hier gearbeitet, aber inzwischen stand das Gelände fast zwei Jahre leer.
"Wenn die nach mir fragen, woher wissen die das ?!"
"Jemand muß uns gesehen haben...beim letzten Coup an der A45."
"Verdammt, wie denn?!"
Sie schwiegen. Schliesslich war es Hermann, der weitersprach.
"Wenn, dann kann das nur im Wagen gewesen sein! Als wir die Masken ab..."
"Ein Zeuge! Ich will keine Zeugen!...Wir müssen rausfinden, wer uns gesehen hat!"
"Und dann ?! Was dann?!"
"Ohne Zeugen keine Beweise, Ganz einfach! Ohne Beweise, keine Anklage! Ohne Anklage, kein Knast! Ich geh nichtmehr in den Knast!!"
"...Okay, und wie willst du das rausfinden?! Vielleicht zu den Bullen reinspazieren und fragen!?"
"Laß mich nur machen, Burkhard! Nicht umsonst hab ich im Knast jede Menge Leute kennengelernt! Und ein paar von denen, die schulden mir noch was! "
Burkhard Drews und Hermann sahen Günter an. Der sah jetzt entschlossen aus dem Fenster und schwieg.
"Mir gefällt das nicht, Günter! Laß uns die Kohle holen und verschwinden!"
"Roman hat Recht! Wit tauchen unter und lassen erstmal Gras über die Sache wachsen!"
"Blödsinn! Die Bullen sind hinter uns her und die werden keine Ruhe geben! Dieser Kranich, der war schon mal hinter mir her! Hat mich vor sechs Jahren hochgenommen! Sowas vergesse ich nicht!"
"Günter, laß den Quatsch ! Wir hauen ab!"
"Nein!...Wenn wir diesen Kranich immer schön im Auge behalten, dann haben wir auch bald unseren Zeugen! Da geh ich jede Wette ein! "
"Und wie willst du das machen?! Die kennen mein Gesicht, dein Gesicht und sicher auch das von Roman!"
"Ich sagte doch, ich kenne Leute, die schulden mir noch was!...Ihr bleibt hier, ich muß telefonieren!"
Günter Drews verließ das Fabrikgebäude. Hermann und sein Bruder sahen ihm stumm hinterher.
Semir gähnte, nahm den letzten Schluck Kaffee und sah zur Uhr. Es war lange nach Mitternacht. Tom saß ihm gegenüber und klappte die Akte von Roman Hermann zu. Müde sah er zu Semir.
"Hast du was ?"
"Nee....aber du hast diesen Drews mal verhaftet. Erinnerst du dich?"
"Ach, im Ernst? Wann war das ?"
Semir warf ihm die Drews Akte über den Schreibtisch.
"Vor sechs Jahren. Wirst langsam vergesslich, was?"
"Ich kann mir nicht jeden merken, Semir....das müssen ja schließich inzwischen Hunderte sein..."
"Angeber!" Beide lachten.
Tom nahm die Akte, las den Bericht der Verhaftung, zuckte die Achseln.
"Ja, ich glaub, ich erinnere mich. War nichts Spektakuläres, kleiner Fisch damals."
"Na, da hat er ja inzwischen einiges dazugelernt!"
"Sieht so aus...Laß uns nach Hause fahren, morgen ist auch noch ein Tag."
Semir nickte, griff nach seiner Jacke und gähnte erneut. Gerade klingelte sein handy.
"Ja, Andrea. Ich bin praktisch schon auf dem Weg....Ja, alles okay bei uns, bis gleich."
Er steckte das Handy weg, ging hinter Tom Richtung Tür.
"Irgendwann brauch ich n`anderen Job ! Sonst macht Lilli Abitur und ich habs nicht mitgekriegt....."
"Du hättest ja an der Polizeischule durch die Prüfung fallen können...."
"Ja....naja, zu spät!"
Grinsend verließen sie die PAST, fuhren jeder mit seinem Dienstwagen nach Hause.
Nächster Morgen, PAST.
Tom saß neben Petra am PC, als Kristin Rieger hereinkam. Lächelnd ging sie auf ihn zu.
"Guten Morgen, Herr Kranich."
"Hallo!...Wirklich ein schöner Morgen! Was kann ich für sie tun?"
Sie hielt ihm einen Umschlag entgegen.
"Ich wollte das nur vorbeibringen. Ein Kollege von ihnen hatte gestern Niklas Aussage aufgenommen...Ich sollte es noch mal durchsehen und unterschreiben...Bitte."
Tom nahm den Umschlag, nickte ihr zu.
"Danke....sagen sie, haben sie schon was gefrühstückt?...Also,gleich um die Ecke bekommt man erstklassige Croissants und anständigen Kaffee."
Sie sah ihn an, dann zur Uhr.
"Ich hab eine halbe Stunde. Dann muß ich in der Praxis sein."
"Gut, kommen sie!...Petra, wenn Semir auftaucht, ich war noch nicht da."
Petra nickte nur und dachte, dass das sowieso nicht auffallen würde, da Tom im Grunde nie vor Semir da war....Dass das heute mal so war, konnte nur daran liegen, dass er Streß mit Andrea gehabt haben musste.
Tom dagegen war bester Laune. Lächelnd saß er Kristin Rieger gegenüber und musterte sie unauffällig. Sie war genau wie gestern nur wenig geschminkt, wirkte natürlich und ihre Augen strahlten ebenso einen Ausdruck aus ,der ihn schon gestern durcheinander gebracht hatte. Ihre Haare fielen heute offen auf ihre Schulter und ab und zu fiel ihr eine Haarsträhne ins Gesicht.
"Niklas ist in der Schule?"
"Sicher...."
Und in welcher Praxis arbeiten sie?"
"Bei einem Kinderarzt. Ich bin Kinderkrankenschwester...bis Niklas geboren wurde, habe ich in einer Klinik gearbeitet. Dann ging das nicht mehr, wegen dem Schichtdienst."
Tom nickte, überlegte, ob er die nächste Frage stellen sollte, die ihn mehr interessierte als alles andere...
"...Und ihr..Mann..?"
Sie lächelte, schüttelte den Kopf. "Es gibt keinen Herrn Rieger, falls sie das
meinen."
"Entschuldigen sie, ich wollte nicht..."
"Schon okay."
Einen Moment schwiegen sie beide.
"Wissen sie, Herr Kranich..."
"Tom."
"...Okay...Tom, Ich bin Kristin."
Wieder trafen sich ihre Blicke, doch eilig sah sie woanders hin, nahm einen Schluck Kaffee.
"Ja, ich...ich muß dann los."
"Wo ist die Praxis? Ich kann sie fahren."
"Danke, aber...ich nehme den Bus, so wie immer."
Sie stand auf, nahm ihre Jacke, ihre Tasche. Tom erhob sich ebenfalls, sah sie an.
"Kristin, ich...naja, ich würde sie gerne wiedersehen."
"...Ich weiss nicht..."
"Wir könnten zusammen essen gehen. Heute Abend?"
"...Ich kann schlecht weg, wegen Niklas..."
Tom nickte. Sicher, daran hatte er nicht gedacht. Wie auch? Noch nie zuvor war er in dieser Situation gewesen. Kristin lächelte ihm nochmal zu, reichte ihm die Hand.
"Ein anderes Mal vielleicht, Tom....danke."
Dann verließ sie das Cafe. Tom sah ihr nach. Und ihm wurde klar, dass er dabei war ,sich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit in eine Frau zu verlieben!
Eilig lief er ihr hinterher.
"Kristin, warten sie!"
Sie blieb stehen, drehte sich zu ihm um.
"Ja?"
"Wir...wir können zusammen essen gehen, sie, Niklas und ich. "
"Sind sie sicher?"
"Absolut sicher."
Sie sah ihn an, nickte schließlich.
"Okay....Um sechs? Später geht nicht, Niklas muß ja früh wieder zur Schule."
"Ich hol sie ab.Bis heute Abend!"
"Ja, bis nachher."
"Na, auch schon da?", Semir sah mißmutig von seinem Schreibtisch auf, als er Tom hereinkommen sah. Tom dagegen grinste, warf sein Jacket über den Garderobenhaken und ließ sich fröhlich pfeifend auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Semir sah ihn an.
"Was ist denn mit dir los?"
"...Mhm...nichts."
"Was grinst du so?..Kann ich heute nicht gebrauchen."
"Aha!...Streß mit Andrea?"
"Eins sag ich dir, heute bin ich pünktlich zuhause, ja? Keine Verfolgungen, keine Akten, nichts!"
Tom nickte nur grinsend."Ja, das trifft sich gut..."
"Was?"
"Hab um sechs `ne Verabredung."
"Ach, mit wem denn ?"
"Geht dich garnichts an, Semir....So, gibts sonst was Neues?"
"Laß uns zu der Ex - Frau von diesem Roman Hermann fahren. Vielleicht weiss die was. Und was anderes fällt mir im Moment auch nicht ein....Achso, der rote Golf wurde gefunden. Ausgebrannt. Ist schon in der KTU."
"Okay, du zu der Hermann, ich zur KTU?"
Semir nickte gleichgültig und sie verliessen die PAST.
Den hellen Opel Astra, der Tom gleich vom Parkplatz aus folgte, bemerkte keiner von beiden....
Der Tag verging, ohne das Tom und Semir auch nur ein kleines Stück weiterkamen.
Die Exfrau von Hermann hatte diesen bereits seit einem Jahr nicht mehr gesehen und erschien auch glaubwürdig. Auch an dem verbrannten Golf gab es nichts, was sie voran gebracht hätte. Die drei Mutmaßlichen Tankstellenräuber blieben verschwunden.
Aber wenigstens gelang es den beiden dadurch zum ersten Mal seit Wochen ,pünktlich Feierabend zu machen.
Semir verschwand eilig nach Hause und auch Tom fuhr geradewegs zu seiner Wohnung.
Wieder war der helle Astra da, aber Tom war mit seinen Gedanken längst woanders und achtete nicht darauf.
Tom hielt vor Kristins Haustür, stellte den Motor ab. Es war spät geworden, fast zehn. Niklas schien jedoch kein Stück müde zu sein, schnallte sich ab und sprang aus dem Wagen. Der CLK hatte es ihm sichtlich angetan.
"Den kaufe ich mir als nächstes! Einen CLK habe ich noch nicht. Hoffentlich gibt es ihn auch in blau!"
Tom lachte, sah dabei neben sich zu Kristin. Sie lächelte ebenfalls.
"Es war ein schöner Abend, Tom..."
"Ja."
"Möchten sie...möchtest du noch mit hoch kommen?"
"...Ja, gerne."
Sie stiegen aus, folgten Niklas zur Haustür. Der sah zurück zur Straße und deutete auf einen Opel Astra, der etwa zwanzig Meter entfernt am Straßenrand stand.
"Guckt mal, der hatte genau den gleichen Weg wie wir."
Tom sah sich um.
"Wieso?"
"Der Opel da! Der stand auch vor der Pizzeria und ist genau den gleichen Weg gefahren.Lustig, was ?"
Tom blickte hinüber zu dem Wagen, stutzte einen Moment. Dann aber schüttelte er seine "Polizistengedanken" ab. Blödsinn, sagte er stumm zu sich selbst. Einfach ein Zufall, mehr nicht.
"Naja, vielleicht gehen die Leute auch gerne bei Luigi essen, Niklas", sagte Kristin lächelnd. Dann gingen sie nach oben.
Sp?ter dann, als Niklas endlich ,nach mehrfachen Protesten im Bett lag, sassen sie zusammen auf der Couch im Wohnzimmer.
"Magst du noch ein Glas Wein?"
"...Besser nicht, ich muß noch fahren."
Kristin nickte, holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank der offenen Küche. Tom sah zu ihr hinüber. Seine Gedanken gingen hin und her, überschlugen sich förmlich. Kristin kam zurück zur Couch ,setzte sich, sah ihn fragend an.
"Was denkst du, Tom?"
Tom antwortete nicht, sah ihr fest in die Augen. Und diesmal wich sie diesem Blick nichtmehr aus. Er küsste sie, vorsichtig, nur kurz. Sah sie erneut an.
Seine Hand strich über ihre Wange und wieder küssten sie sich.
"Habt ihr euch verliebt ?" Die Stimme von Niklas . Beide sahen sich um und sahen ihn grinsend in der Tür des Wohnzimmers stehen. Der Junge hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihnen entgegen. Tom stand auf, etwas unsicher, was er sagen sollte. Kristin blieb auf der Couch sitzen, fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
"...Ja, dann...werde ich mal los. Ist ja auch schon spät, Niklas."
Er ging zur Tür. Kristin stand jetzt auf, folgte ihm. Dann standen sie beide an der Wohnungstür.
"Tom?"
"Ja?"
"Eines muss dir klar sein..."
"Ja?"
"Einzeln gibt es mich nicht...."
Er lächelte und nickte. Dabei nahm er ihre Hände, küsste sie erneut.
"Ich weiss....Gute Nacht. Ich ruf dich an."
Und als er unten am Wagen war und nochmal hinauf sah, stand Kristin am Fenster.
Sie hob die Hand, winkte. Tom stieg ein,winkte ebenfalls nochmal hinauf und fuhr los.
Der Astra war verschwunden. Aber daran dachte er längst nichtmehr.
Semir saß wie fast immer bereits am Schreibtisch, als Tom hereinkam.
Semir sah auf, sah das fröhliche Lächeln in Toms Augen und grinste.
"Na, da scheint deine mysteriöse Verabredung ja schön gewesen zu sein..."
Tom antwortete nur mit einem erneuten Grinsen, warf die Jacke über seinen Stuhl, ging nach draußen zur Kaffeekanne.
Kurz darauf kam er mit zwei Kaffeebechern zurück, stellte einen davon zu Semir und ging dann zum Fenster, sah hinaus, offentsichtlich mit seinen Gedanken woanders.
Semir warf eine Akte zu seinem Schreibtisch hinüber.
"Hier, sieh das mal durch. Petra hatnoch eine ganze Menge über unsere drei Freunde gecheckt. Alte Adressen, Arbeitsstellen ,Verbindungen, Knastaufenthalte, und so weiter und so weiter. Vielleicht kommt dir ja ein Geistesblitz....Tom?"
Keine Antwort.
"Tom?...Hallo?"
Wieder bekam er keine Antwort. Tom stand am Fenster, war nicht so richtig anwesend. Semir verschränkte die Arme vor der Brust, schüttelte den Kopf.
"Na, dich hat`s ja wohl ziemlich erwischt!"
"..Was?", Tom wandte den Kopf, sah Semir an."Was ist los?"
"Wie heißt sie denn?"
"Wer?"
"Ha,ha,ha,ich rede die ganze Zeit mit dir, Mann!...Da liegt Papierkram für dich."
"...Ja, und?"
"Oh Mann, das wird ja ein toller Tag werden!"
"Ach Semir, laß mich doch mit deinem Gequatsche in Ruhe!", erwiderte Tom und wollte sich gerade zum Schreibtisch abwenden, als sein Blick aus dem Fenster nach unten auf die Strasse fiel. Der helle Astra! Schon wieder! Ein Mann saß am Steuer, mehr konnte Tom nicht erkennen. In Sekundenschnelle versuchte er zu rekonstruieren, wo der Wagen jetzt schon überall gestanden hatte...Laut Niklas gestern Abend vor dem Restaurant, später vor Kristins Wohnung, jetzt unten vor der PAST. Tom hatte das Gefühl, das die Zufälle langsam zu häufig wurden.
"Semir..."
"Ja?"
"Komm, wir fahren einmal um den Block!"
Semir sah ihn an, als ob er sie nichtmehr alle beisammen hätte."WAS ist los?"
"Na komm schon! Erklär ich dir unterwegs."
Als sie im Wagen saßen und Tom aus der Auffahrt fuhr und nach rechts abbog,setzte sich auch der Astra in Bewegung. Semir sah in den Rückspiegel und nickte.
"Du hast Recht....Vielleicht ein neuer Bewunderer?"
"Das werden wir gleich sehen! Den schnapp ich mir jetzt!" Schon trat er voll auf die Bremse und sprang im selben Moment bereits aus dem CLK, rannte auf den Astra zu. Semir war sofort neben ihm und sekundenspäter hielten sie dem völlig überraschten und überrumpelten Fahrer ihre Dienstwaffen durch die Seitenfenster entgegen.
"So Freundchen! Was willst du ?!"
"...Ich weiß nicht, wovon sie reden..."
"Nein?! Aussteigen! Schön langsam!"
Ein paar Minuten später saß der Astrafahrer im Verhörraum der Autobahnpolizei und schwieg. Tom stand vor ihm ,hatte die Arme auf den Tisch gestützt und sah ihn fest an.
"So, Mister Unbekannt! Wer ist ihr Auftraggeber?!"
Schweigen. Tom wurde spürbar langsam wütend.
"Was glauben sie, wie lange es dauert, bis wir wissen, wer sie sind,hey?!"
Wieder Schweigen.
"Ich hab was gegen Leute, die hinter mir herfahren!"
Semir kam herein, gab Tom eine Akte. Der Astrafahrer beobachtete sie und schien zu ahnen, was jetzt kam. Tom nichte zufrieden, als er die Akte aufgeschlagen hatte.
"Na bitte! Boris Ziemer! Herzlich Willkommen bei uns! Ist ja wohl nicht das erste Mal! Drei Monate Haft wegen Diebstahl, zweimal sechs Monate wegen Betrug und Körperverletzung und so weiter...."
"Was wollen sie?! Ich hab nichts gemacht!"
"Warum fahren sie hinter mir her?"
"Ich kann langfahren, wo ich will..."
"Achja?! Jetzt passen sie mal auf, Ziemer!"
In diesem Moment wurde Tom von Semir unterbrochen.
"Tom?", Er legte ihm eine Hand auf die Schulter,"Kommst du mal?"
Als sie vor dem Verhörraum standen, sah er Semir verständnislos an. "Was soll das, Semir, ich hatte ihn fast!"
"Da ist noch was....komm mit."
Semir zog Tom hinüber zur Dienststelle.
"...Petra hat was auf der Digitalkamera entdeckt, die bei Ziemer im Wagen lag..."
"Okay, was interessantes?"
Semir antwortete nicht und gab ihm, als sie bei Petra waren, wortlos einen gerade ausgedruckten Stapel Fotos in die Hand.
"...Hier, die waren auf der Speicherkarte.."
Tom nahm die Bilder, erstarrte! Nachdem er die ersten drei Bilder gesehen hatte, ging er mit dem gesamten Stapel wortlos in sein Büro ,schloß die Tür. Semir und Petra sahen ihm nach, Semir folgte ihm schließlich.
Tom saß an seinem Schreibtisch, musterte die Fotos, immer wieder.... Kristin, Niklas und er vor ihrer Wohnung, im Restaurant, auf dem Weg nach draußen, wieder vor ihrer Wohnung und so weiter. Gestochen scharf, sicher mit einer verdammt guten Kamera aufgenommen. Man konnte förmlich sehen, wie schön der Abend gewesen war.....
Tom warf die Bilder auf den Schreibtisch, ging zum Fenster, sah genau wie heute morgen hinaus. Doch seine Fröhlichkeit war dahin!
Semir beobachtete ihn stumm.
Dann nach einer Weile sah Tom sich zu ihm um.
"Was geht hier vor, Semir......"
Semir antwortete zunächst nicht, ging auf Tom zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Ich weiss es nicht...aber wir werden es herausfinden."
"Jetzt nehm ich mir diesen Ziemer vor!!"
Schon rannte Tom hinaus und Semir folgte ihm eilig.
Wütend warf Tom die Bilder vor Ziemer auf den kleinen Tisch, riß ihn dabei vom Stuhl hoch und sah ihn an.
"Für wen machst du diese Fotos, Ziemer?!"
Boris Ziemer erwiderte Toms Blick , grinste nur und sah ihn haßerfüllt an.
"...Nette kleine Familie ,Bulle!"
Tom zog ihn an den Armen zur Seite, drückte ihn an die Wand und einen Moment lang schien es als würde er zuschlagen, da ging Semir dazwischen.
"Okay Tom ! Laß ihnlos!Hey, komm, Tom!"
Tom starrte Ziemer an, lockerte dann seine Griff, ging zwei Schritte beiseite. Ziemer wandte sich an Semir.
"Hey, der Bulle ist ja gemeingefährlich!"
Semir antwortete nicht, sah zu Tom.
"Alles okay?"
"...Ja...",Tom fuhr sich durchs Haar, nickte leicht,"..Ja, alles okay..."
Semir nickte, wandte sich wieder Ziemer zu.
"So, was ist mit diesen Fotos, Ziemer? Los Mann, reden sie schon!"
"Ist mein hobby...."
"Verdammt, der Spa? ist vorbei! Das ist kein Kavaliersdelikt mehr! Für wen machen sie die Fotos?!"
Ziemer schwieg. Tom ging wortlos hinaus, Semir sah ihm nach, sah dann zu dem Beamten, der noch mit ihm Raum stand.
"Herr Ziemer kommt erstmal in U-Haft!...Wir sprechen uns noch, Ziemer!"
Damit folgte Semir Tom nach draußen.
Boris Ziemer sah ihm nur stumm nach.
Anna Engelhardt besah sich die Fotos, sah dann zu Semir, der vor ihrem Schreibtisch stand.
"Wer ist die Frau?"
"Kristin Rieger.Ihr Sohn ist unser Zeuge von dem Überfall auf der A45."
"...Tom trifft sich privat mit dieser Frau Rieger?"
"...Ja,...ich weiß das auch erst seit..."
"Wie auch immer, Semir. Versuchen sie eine Verbindung von Boris Ziemer zu den Drews Brüdern oder diesem Hermann zu finden. Oder wer sonst an Toms Privatleben interessiert sein könnte....Wo ist Tom?"
"Drüben im Büro."
Sie nickte."Dann passen sie auf ihn auf, Semir."
Semir betrat das Büro, setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl und sah zu Tom hinüber.
In diesm Augenblick stürmte Petra hinein.
"Tom,Semir! Ziemer saß mit Drews zusammen im Knast!"
"Was?...Und jetzt arbeitet er für Drews, na klar!" Semir sprang auf, sah zu Tom.
"Los, komm schon! Jetzt haben wir Ziemer!"
Tom stand auf, folgte Semir stumm. Er dachte an Kristin und Niklas....
Kurz darauf saß Ziemer erneut vor ihnen und das Grinsen wich ihm augenblicklich aus dem Gesicht als Drews Name fiel.Semir sah ihn fest an.
"Also Ziemer, wofür braucht Drews diese Fotos!?! Mensch, reden sie schon! Hier gehts um Unbeteiligte! Um ein Kind! In ihrer Akte steht, das sie selber ein Kind Haben! Verdammt, los jetzt! Für sowas gibts mehr als n`paar Monate Knast!"
Boris Ziemer sah Semir an, schien nachzudenken. Schließlich, nach unendlich langen Minuten nickte er.
"Okay....ihr habt gewonnen....Ich sollte Kranich beobachten. Drews sucht den Zeugen vom letzten Überfall, er meint, jemand muß ihn gesehen haben...was weiß ich....er meinte, wenn ich sie beschatte kommt er an den Zeugen, der ihn identifizieren könnte....Günter ist total durchgeknallt! Hat Schiß wieder in den Knast zu kommen, eher bringt der sich um....Ich schulde ihm noch was, deshalb hab ich mitgemacht...mit allem anderen hab ich nichts zu tun!"
"Hat Drews diese Fotos schon bekommen?"
"....heute morgen...ich hab ihm Kopien gebracht."
Tom und Semir sahen sich an. Tom schloß einen Moment lang die Augen, während Semir sich wieder Ziemer zuwandte.
"Wohin?! Wohin haben sie die gebracht?!"
"...In die alte Fabrikhalle, n`altes Sägewerk, Kruppstrasse."
Schon rannten sie aus dem Verhörraum!
"Verdammt Semir,wenn Kristin und Niklas...."
"Keine Sorge, das wird es nicht! Hörst du, das wird es nicht!"
Semirs BMW schoß die Straße entlang in Richtung dem alten Fabrikgelände in der Kruppstrasse. Tom saß auf dem Beifahrersitz, das Handy in der Hand und versuchte wiederholt Kristin Rieger zu erreichen.
"...Ihr Handy ist aus...klar,sie ist in der Praxis...scheisse!"
"Welche Praxis? Wir schicken Bonrath und..."
"Semir, keine Ahnung! ..Ich kenne sie drei Tage...."
"Und der Junge?"
"In der Schule! Kinder in diesem Alter gehen in die Schule, Semir! ...Und nein, ich hab keine Ahnung, in welche..."
"Ist ja gut...."
"...Sorry."
Semir nickte nur, griff zum Funkgerät.
"...Ja,Semir hier. Petra soll mal versuchen rauszufinden, in weilche Schule Niklas Rieger geht.Da muß es doch irgendwo ein Verzeichnis geben! Und die Schule muß auch die Arbeitsstelle von Kristin Rieger wissen. Die müssen ja schließlich irgendwelche Notfallnummern haben."
Tom sah zu Semir, der grinste ihm kurz zu und legte das Funkgerät beiseite.
"Kein schlechte Idee, was?"
"...Danke."
"Dafür, das du sie gerade erst kennengelernt hast, bist du ....."
"Nicht jetzt, Semir...Später."
Inzwischen näherten sie sich dem Fabrikgelände und Tom schaltete das Blaulicht aus. Auf keinen Fall wollte er die Kerle rechtzeitig warnen. Wenn sie überhaupt noch da waren, dachte er stumm.
Das alte Gelände schien verlassen, als Semir direkt auf dem Platz davor anhielt.
Langsam stiegen sie aus, die Waffen in der Hand.
Aufmerksam, die Nerven zum Zerreissen gespannt ,sahen sie sich um. Das Hauptgebäude war dreistöckig, fast alle Fenster waren eingeschlagen ,teilweise mit Brettern vernagelt. Außerdem gab es zwei kleinere Nebengebäude, die in einem ähnlich verfallenen Zustand waren.
"Nette Gegend."
"Vielleicht sollten wir doch in paar Kollegen dazu....." In diesem Augenblick fielen die ersten Schüsse! Semir und Tom sprangen eilig hinter dem BMW in Deckung.
"Verdammt! Bist du okay?"
"Ja, alles klar!Bei dir auch?!"
"Ja! Ich glaub, hier sind wir richtig! ...Wie war das gerade mit den Kollegen?!"
"Schon dabei!" Tom öffnete die BMW Tür, griff geduckt zum Funkgerät."Cobra 11 an Zentrale! Brauchen dringend Verstärkung am alten Fabrikgelände Kruppstrasse!Schußwechsel!Danke!"
Wieder knallten ihm die Kugeln um die Ohren!
"Jetzt reichts mir aber! Wo kommen die Schüsse her?!"
"Ich glaub von ganz oben!Rechtes Fenster!"
"Was heisst, du glaubst?!"
"Sorry...bin mit ducken beschäftigt!...Gib mir Feuerschutz!"
Tom nickte, hob die Waffe und und feuerte mehrere Schüsse in Richtung dritte Etage ab. Semir sprang auf, rannte zum Eingang. Sekundenspäter hatte auch Tom mit Semirs Feuerschutz den Eingang der Halle erreicht.Tom deutete zum Treppenhaus.
"Okay! Wenn die ganz oben sind,Semir, kommen die schlecht da weg!"
"Wenn es keine zweite Treppe gibt..."
"Ich seh`s mir an!" Schon rannte Tom durch die Halle zur Rückseite, sah durch eines der Fenster nach oben.
"Da ist eine...., sieht aber ziemlich kaputt aus.!"
"Okay, ich nehm das Treppenhaus!"
"Ich komm mit!"
Schon standen sie beide am Treppenaufgang, sahen sich an. Kein Geräusch war zu hören, doch sie wußten, daß die Kerle irgendwo da oben waren und sicherlich nicht so einfach aufgeben würden.
"POLIZEI! Geben sie auf ! Das ganze Gelände ist umstellt, ihr habt keine Chance!"
Wieder fielen Schüsse! Diesmal von oben quer durchs Treppenhaus. Man konnte förmlich die Funken von Blei gegen das Metallgeländer prallen sehen.
"Netter Versuch,Tom! Was jetzt ?"
Sie sahen sich an, Tom zuckte die Achseln. "Da oben kommen sie nicht weg.Und in drei ,vier Minuten ist unsere Verstärkung da."
"Klingt alles ein bißchen einfach, findest du nicht auch?"
"Ist das wieder eins von deinen unguten Gefühlen, Semir?"
Jetzt zuckte Semir die Achseln, sah das Treppenhaus hinauf. Es war jetzt wieder alles ruhig....
Kristin Rieger stand lächelnd am Schultor und hob winkend die Hand, als Niklas herauskam.
"Mama, holst du mich ab?" Er strahlte sie an und Kristin merkte ,wie ihr warm ums Herz wurde, wenn sie ihren Sohn so lachen sah.
"Ich konnte in der Praxis schon früher Schluß machen."
"Brauch ich heute nicht in den Hort?"
Sie schüttelte lächelnd den Kopf."Nein, da hab ich schon abgesagt. Komm Schatz,wollen wir noch ein Eis essen?"
"Klar! Prima, Mama!.....Kommt Tom auch mit ?"
Sie sah ihn fragend an, "Tom?"
"Ja!",Niklas nickte eifrig,"Er kann doch auch mitkommen!"
"Nicki, Tom ist sicher arbeiten. Und außerdem....wir wissen ja garnicht, ob er ,naja, ob er überhaupt Lust dazu hat."
Niklas sah seine Mutter an, lachte erneut."Bestimmt hätte er das!"
"...Okay, wir können ihn ja das nächste Mal fragen...na komm, laß uns gehen."
Kristin legte ihrem Sohn eine Hand über die Schulter und sie gingen den kurzen Weg zwei Straßen weiter zur Eisdiele. Dabei erwischte sie sich dabei, wie sie ebenfalls wieder an Tom dachte. Daran, wie er sie geküsst hatte. ...Sicher hatte es viele vor ihr gegeben und doch hatte sie irgendwie das Gefühl ,dass es etwas Besonderes gewesen war. Sie dachte an Marcus. Dabei war die Zeit, dass sie voller Traurigkeit und Wut an ihn dachte, lange vorbei. Nur manchmal, wenn sie Niklas lachen sah, dann erinnerte sie sich wieder an ihn. Manche Gesichtszüge bei Niklas, manche Bewegungen, das war auch Marcus. Schnell schüttelte sie die Gedanken ab....Marcus war fast 8 Jahre lang aus ihrem Leben verschwunden! Kristin hatte gelernt ohne ihn zu leben und es als Geschenk zu sehen, daß es Niklas gab. Aber der Weg dahin war lang und schwer gewesen.
Sie liefen die Straße entlang und sie blickte zu Niklas, wie er fröhlich neben ihr ging. Er kannte es nicht anders, er wusste ja nicht wie es war ,einen Vater zu haben. Das hatte Kristin oft traurig gemacht. Aber inzwischen war sie stolz darauf es auch ohne Marcus geschafft zu haben!
Jetzt fragte sie sich ,ob überhaupt jemals ein Mann wieder einen Platz in ihrem Leben haben könnte?
- Etwa zeitgleich vor Kristin Riegers Wohnung -
Günter Drews saß in einem dunkelgrünen, vor knapp zwei Stunden geklauten Golf und beobachtete den Hauseingang gegenüber. Hier hatte Ziemer gestern die Fotos gemacht. Die Fotos von diesem Kranich, der Frau und dem Jungen. Wieder hob er die Bilder vom Beifahrersitz hoch und sah sie sich an.
Sein Handy klingelte und während er in die Jackentasche griff, war er wieder einmal mehr zufrieden darüber, was einem alte Knastbekannte hier draußen so alles besorgen konnten.
"Ja, was gibts?!"
"Verdammt Günter, die Bullen sind hier!!!", Die Stimme von Burkhard klang fast panisch. Wütend schrie Günter Drews ins Telefon.
"Bleib ruhig, Mensch! Wo seid ihr?!"
"Na oben in der Halle, wo sonst! Hier wimmelts von Bullen!!"
Drews fluchte leise, überlegte kurz und legte wortlos auf. Dann schaltete er das Handy aus und zündete sich eine Zigarette an. Sein Bruder und Herrman hatten keine Chance mehr und er wusste das.
Es interessierte ihn nicht!
Stumm sah er durch die Windschutzscheibe und wartete......Er wusste, früher oder später würde diese Frau hier auftauchen! Diese Frau! Sie arbeitete manchmal an dieser Tankstelle an der A45, auch das wusste Drews inzwischen.überall hatte er seine Verbindungen, ein gut verzweigtes Netz von ehemaligen Knastinsassen, dass er sich im Laufe der Jahre im Gefängnis aufgebaut hatte.Und nicht wenige hatten gute Informanten innerhalb des Polizeiapparates. Es war nicht sonderlich schwer gewesen sich gute Informationen zu beschaffen. Kristin Rieger, Niklas Rieger, das waren die Zeugen, die Drews suchte! Da war er sich mittlerweile sicher! Wenn man zwei und zwei zusammenzählte, konnte es nur so sein. Und dieser Kranich schien einen Narren an den Beiden gefressen zu haben, dachte Drews grinsend. Umso besser....mit dem hatte er ohnehin noch eine Rechnung offen! Stumm starrte er auf die Fotos.
"Wirst dich wundern, Kranich...."
Tom und Semir standen am Treppenhaus der Halle in Deckung und überlegten. Draußen hörte man die sich nähernden Sirenen der Streifenwagen.
Die Schüsse von oben hatten aufgehört. Es war völlig still in der Halle.
Semirs Handy.
"...Ja, Petra, was gibts?"
"Burghard Drews hat früher in dieser Fabrik gearbeitet, der kennt sich da aus."
Semir nickte nur, legte auf.Tom sah ihn fragend an.
"Und?"
"Drews kennt das Gelände hier vermutlich in und auswendig...."
"Semir, dann hauen die hier irgendwie ab!"
Schon rannten sie zum Ausgang.
"Niemand ist so blöd und versteckt sich ganz oben, wenn er nichtmehr runter kommt...!"
Schon standen sie draußen, sahen sich eilig um .Zwei Streifenwagen rasten auf den Eingang zu.
"Okay Partner, wo lang?!"
"Du rechts rum, ich links!"
"Okay,paß auf dich auf!"
"Gleichfalls!", schrie Semir nur und rannte los.Tom wandte sich noch schnell an die heraneilenden Kollegen.
"Sichert drinnen das Treppenhaus! Aber vorsichtig! Die sind bewaffnet!"
Dann rannte er auch schon los.
Burghard Drews und Roman Hermann verliessen die Fabrikhalle über eine kleine Nottreppe im inneren hinteren Teil des Gebäudes.
"Verdammt, die Bullen werden alles absperren!"
"Bis die mitkriegen, dass wir nichtmehr da oben sind, sind wir verschwunden, Roman!"
"Und Günter?!"
"Vergiß ihn! Der kümmert sich einen Scheiß um uns! Den interessiert nur noch seine Rache!Wir holen das Geld aus dem Versteck und hauen ab!"
Drews öffnete vorsichtig die kleine Metalltür des Treppenschachtes und sah hinaus.
"...Na bitte, alles ruhig.Los, Komm!"
"Wo lang?!"
"Da rüber! Gleich hinter dem rechten Nebengebäude beginnt der Wald! Dann sind wir weg!"
"Diese verdammten Polizeisirenen! Das werden immer mehr!"
Tom rannte um die letzte Ecke der Halle, da sah er sie! Etwa fünfzig meter von ihm entfernt rannten zwei Männer in Richtung des hinteren Fabrikgebäudes. Wo war der Dritte, fragte er sich, während er ihnen eilig folgte.
"Halt! Stehenbleiben!"
Die Männer blieben abrupt stehen, fuhren herum und eröffneten das Feuer! Tom sprang hinter einem alten Reifenstapel in Deckung und schoß sofort zurück.
Er hörte einen kurzen Aufschrei, sah hinter den Reifen hervor und sah einen der Männer am Boden liegen, während der zweite sofort weiterrannte.
Von links spurtete jetzt Semir heran.
"Tom!"
Tom hob die Hand und Semir nickte erleichtert, als er sah, das er okay war.
Vorsichtig näherten sie sich jetzt von beiden Seiten dem am Boden liegenden Gangster.
"Okay! Nicht bewegen! Polizei!"
Es war Roman Hermann. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickte er Tom und Semir entgegen. Blut lief aus der Schußwunde in der rechten Schulter.
"So, das wars dann! Aus und vorbei, Hermann!"
Hermann antwortete nicht. Zwei Streifenbeamte rannten heran.
"Kümmert euch um ihn! Und ruft n`Krankenwagen!"
Tom und Semir rannten weiter. Wo waren die beiden anderen?
""Hast du beide gesehen?"
"Nein, nur einen!"
"Verdammt!"
Kurz darauf sahen sie einen Mann in den angrenzenden Wald laufen. Wieder blieb er kurz stehen, drehte sich um und schoß! Drei Kugeln flogen Semir und Tom förmlich um die Ohren.
Tom fluchte! "Jatzt hab ich langsam genug!"
"Den schnappen wir uns jetzt!"
Drews rannte in den Wald!
Tom folgte ihm, während Semir sich nun etwas weiter links hielt um es von der Seite aus zu versuchen. Tom verstand sofort was sein Partner vorhatte und gab einige Schüsse auf den Fl?chtenden ab.
"Stehenbleiben! Polizei! Geben sie auf, Drews!"
Drews brachte sich hinter einem Baum in Deckung und schoß zurück. Sofort eröffnete auch Tom wieder das Feuer. Er wollte ihn da festnageln um Semir Zeit zu geben von hinten an Drews heranzukommen.
"Verdammt Drews, das hat doch keinen Sinn!"
"Ach, glaubst du, Bulle!! Du kriegst mich nicht!"
Wieder Schüsse. Tom wechselte eilig das Magazin und fragte sich, wieviel Munition Drews noch haben mochte. Semir war jetzt nirgends mehr zu sehen.
Langsam schlich Semir an Drews heran. Er war jetzt kaum noch fünfzehn Meter von ihm entfernt. Der Kerl schoß immer noch auf Tom und achtete auf nichts anderes mehr. Semir hob die Dienstwaffe und richtete sie auf Drews.Es war Burkhard Drews.
"Okay Drews! Waffe runter und Schluß!"
Drews erstarrte. Wie in Zeitlupe drehte er sich um und sah in Semirs Dienstwaffe.
Von hinten rannte jetzt auch Tom heran.
"Waffe fallenlassen!"
Schließlich nickte Drews wortlos, die Waffe fiel zu Boden und er hob die Hände.
Handschellen klickten.
"Wo ist ihr Bruder?!"
Drews sah Tom an und schwieg.
"Wo ist ihr Bruder?! Reden sie, Mann!"
Burkhard Drews Augen begannen haßerfüllt zu funkeln. So blickte er Tom entgegen.
"Sie werden zu spät kommen, Bulle! Zu spät!"
"Zu spät?!", Tom schrie Drews wütend an,"Zu spät?! Was heisst das?!"
"....Günter holt sich die Frau! Die Frau und den Jungen!"
Der BMW raste durch die Kölner Innenstadt Richtung Norden.
"Verdammt Semir, gib Gas!", rief Tom ungeduldig, während er wiederholt zum Funkgerät griff.
"Ja, Cobra 11 für Zentrale! HABT IHR IRGENDWAS FÜR UNS?!"
Aus dem Funkgerät kam jetzt die Stimme der Chefin persönlich.
"In der Praxis ist Frau Rieger nichtmehr. Und der Junge hatte auch schon Schulschluß. Im Hort, wo er sonst noch hingeht wurde er für heute von Frau Rieger selbst abgemeldet....Tut mir leid ,Tom."
"Ja...danke, Chefin.", Tom schlug wütend gegen das Armaturenbrett, griff dann zum Handy ,wählte.
"...ausgeschaltet."
Semir warf einen Seitenblick zu seinem Freund, sah ihn aufmunternd an.
""Hey, vielleicht sind sie noch irgendwo zusammen hingegangen..."
Tom nickte nur stumm, wählte zum mindestens zehnten Mal in den letzten Minuten Kristins Nummer von Zuhause.
"Wenn dieser Mistkerl den Beiden....Semir, das schaff ich nicht nochmal..."
Semir sah zu Tom, schwieg und nickte nur. Er wusste genau, woran Tom dachte. Es schien, als holte die Vergangenheit sie auf brutale Weise wieder ein....anders als damals , aber doch eben genauso.
Semir trat das Gaspedal noch weiter durch und der Wagen bog um die letzte Kurve vor Kristin Riegers Wohnhaus.
Tom hatte immer noch das Handy am Ohr und hörte das Klingeln in Kristins Wohnung. Nimm ab, dachte er nur, nimm doch bitte endlich ab.....
Günter Drews sah die beiden aus dem Bus steigen. Lächelnd nahm die Frau dem Jungen die Schulmappe ab und sie gingen auf das Haus zu. Drews überlegte und beschloß noch zu warten. Durch die offene Seitenscheibe konnte er genau hören, wie sie sich unterhielten.
"Ich bleibe noch unten, Mama. Bestimmt kommt Josh auch gleich."
"Okay, aber es wäre schön,wenn dein Fußball heute nicht in Georgs Scheibe fliegt."
"...Das ist doch nur ein einziges Mal passiert...."
"Ja, und dabei sollte es auch bleiben, Niklas.",Sie lächelte ihrem Sohn zu und ging ins Haus. Der Junge holte sich einen Fußball aus einem kleinen Gerätehaus neben dem Hauseingang und begann gegen eine Bretterwand neben der Straße zu schiessen.
Drews stieg aus.....
Kristin Rieger schloß die Wohnungstür auf, stellte ihre Tasche und Niklas Schulmappe in den Flur, legte die Post auf die Kommode und ging Richtung Küche.
Das Telefon klingelte.
"Rieger."
"Kristin! Endlich!" Toms Stimme. Unwillkürlich musste sie lächeln, fühlte ihr Herz ein bißchen schneller schlagen.
"Tom, hallo!"
"Kristin, hör zu!",Sie stutzte. Etwas in seiner Stimme klang anders.
"Was ist los?"
"Kristin, ist bei euch alles in Ordnung?!"
"Ja, naturlich. Was soll denn...."
"Ist Niklas bei dir?!"
"Er ist unten und spielt Fußball....."
"Kristin, hol ihn nach oben, ja?! Gleich! Und bleibt in der Wohnung! Ich erklärs dir...wir sind gleich da!"
"Tom, was ist los?!", Dabei ging sie schon zum Balkon,öffnete die Tür ,sah nach draußen. Was sie sah ließ fast ihr herz vor Schreck stehenbleiben. Unten am Bürgersteig stand Niklas, neben ihm ein Mann, unterhielt sich offentsichtlich mit ihm. Von rechts schoß ein selberner BMW mit Blaulicht heran.
"Tom!",Sie schrie jetzt in den Hörer! "Tom, da ist einMann unten bei Niklas!"
Gleichzeitig rief sie den Balkon hinunter.
"Niklas! Komm hoch! Sofort!"
Niklas sah nach oben. Im gleichen Moment griff ihn der Mann von hinten, zog ihn zu einem grünen Golf.
"Mama!"
"Niklas!Lassen sie meinen Sohn los!"
Tom ließ achtlos das Handy in den Fußraum des Wagens fallen, zog bereits seine Dienstwaffe. Direkt vor ihnen stand Drews auf dem Bürgersteig, zog Niklas am Arm. Oben am Balkon schrie Kristin etwas hinunter, was Tom nicht verstehen konnte.Semir machte eine Vollbremsung und der BMW kam mit quitschenden Reifen zum Stehen. Tom war bereits aus dem Wagen!
"Drews! Lassen sie den Jungen los!"
Günter Drews lachte nur und zog Niklas weiter Richtung Auto.
"Das hätten sie wohl gerne!!Nett sie wiederzusehen, Kranich!"
Tom blickte ihn fest an ,die Waffe im Anschlag. Niklas sah ihm entgegen, verständnislos. Ob er begriffen hatte, dass Drews eine Waffe auf ihn richtete, konnte Tom nicht einschätzen.
"Deine Kanone weg, Bulle! "
Tom breitete langsam die Arme aus, ließ dann die waffe zu Boden sinken. Drews deutete auf Semir.
"Los! Du auch!"
Semir tat es Tom nach. Dieser sah jetzt zu Niklas, lächelte ihm zu.
"Alles okay, Niklas...es passiert nichts."
Niklas sah Tom an, sah auf die Waffen am Boden, sah zu Drews hoch und wieder zu Tom. Er sagte kein Wort.
"Drews, lassen sie den Jungen gehen....",Semirs Stimme.
Günter Drews lief langsam rückwärts Richtung Wagen, zog Niklas mit sich. Dann jedoch schien er es sich anders zu überlegen, deutete auf Semirs BMW.
"...Wir nehmen DEN Wagen!...Los Kranich, steig ein! Du fährst!"
Tom nickte nur ,deutete auf Niklas.
"Der Junge bleibt hier, Drews."
"Du machst hier keine Regeln! Der Junge ist meine Lebensversicherung! Los! Einsteigen, Kranich!"
In diesem Moment kam Kristin aus dem Hauseingang gerannt.Wie erstarrt sah sie auf die Straße.
"Niklas!"
Drews fuhr herum, sah sie im Hauseingang stehen und riß die Waffe hoch!
"Nein!!", Toms Schrei war noch lauter als der zuvor von Kristin Rieger. In der Sekunde, als Drews die Waffe hob und auf Kristin zielte, wußte Tom,dass er nur diese einzige Chance hatte! Er war sich sicher, dass Drews kaltblütig abdrücken würde! Tom sprang auf ihn zu, in dem Augenblick, als Drews sich zu Kristin drehte.In der rechten Hand hielt er die Waffe, mit dem linken Arm immer noch Niklas umklammert. Der Junge sah zu seiner Mutter, dann wieder zu Tom. er sah auch, dass Tom plötzlich auf ihn zurannte und irgendetwas schrie.
"Kristin!Ins Haus!!"
Drews, nun von Toms Schreien für einen Moment konfus, , fuhr wieder zu Tom herum! Sah ihn auf sich zurennen, kaum noch drei Meter entfernt! Alles spielte sich im Bruchteil von zwei, drei Sekunden ab! Mit einem Ruck schubste Drews Niklas von sich weg und schoß! Fast gleichzeitig , noch als Tom den harten Schlag an der Schulter spürte, fiel ein zweiter Schuß! Semir!
Die Waffe fiel Drews aus der Hand, er schrie auf und wurde im gleichen Moment von Tom zu Boden gerissen.
"...Aah!...Verdammter Bulle!.."
"Das war`s, Drews!Mistkerl!" Tom drehte ihn wütend auf den Rücken und kümmerte sich dabei nicht weiter um Drews Schußverletzung am Oberarm.Schon klickten die Handschellen um Drews Handgelenke. Im gleichen Moment war auch Semir da, zog Drews in die Senkrechte. Tom sah zu Niklas, der auf der Straße saß und immer noch zu ihnen sah. Er war okay und Tom merkte wie sich seine Anspannung löste. Beruhigend lächelte er ihm zu und so als wäre nichts geschehen, lächelte Niklas zurück.
"..Das ist der Mann von der Tankstelle, Tom", sagte er leise und Tom nickte ihm zu.
" Lauf zu Kristin, Niklas....es ist alles okay!"
Der Junge nickte nur und lief auf seine Mutter zu ,die ihm bereits entgegen rannte.
Tom sah, wie Kristin den Jungen in die Arme schloß.
Zwei Streifenwagen schossen heran.
Semir zog Drews von Tom weg und warf ihm dabei einen besorgten Blick zu.
"...Tom?"
Tom merkte erst jetzt, das sein Jackett in Schulterhöhe bereits blutdurchtränkt war. Und auch jetzt erst begannen die Schmerzen. Das aber ließ er sich natürlich nicht anmerken, winkte nur kurz ab und hob seine Waffe auf, die noch auf dem Straßenpflaster lag.
Aus den Augenwinkeln sah er hinüber zu Kristin. Sie tat das einzig Vernünftige und ging mit Niklas auf dem Arm ins Haus. Gut, wenn Niklas so schnell wie möglich hier weg kam. Tom sah ihr nach und war unendlich erleichtert, das den beiden nichts passiert war. Aber er wusste auch wie knapp es gewesen war und das es um Haaresbreite auch anders hätte ausgehen können.....
Tom sah Semir nach, der Drews den Beamten aus dem Streifenwagen übergab.
Dann ging er langsam hinüber zu Semirs Dienstwagen, griff zum Funkgerät.
"Cobra 11 für Zentrale. Hier ist alles klar, wir haben Drews."
Aus dem Mikro kam die Stimme der Chefin.
"Was ist mit Frau Rieger und ihrem Sohn, Tom?"
"Alles in Ordnung, Chefin. Cobra11, Ende."
Damit legte er das Mikro beiseite und spürte, wie ihm schwindlig wurde. Müde lehnte er sich gegen den Wagen und schloß einen Moment lang die Augen.
Semir kam.
"Hey ....Ich hab schon n`Krankenwagen gerufen!"
"Ach Unsinn, ich brauch keinen Kranken....."In diesem Moment ging er in die Knie und Semir schaffte es gerade noch ihn festzuhalten und auf den Beifahrersitz zu bugsieren.
"Komm...setz dich erstmal!..Tom ?"
"...Ja,ja...."
"Naja, mal wieder eins von deinen schönen Jacketts mitsamt Hemd ruiniert, was ?"
Tom nickte nur und musste lächeln. Dann sah er zu seinem Freund und Kollegen, der ihn zwar grinsend ,doch immer noch sehr besorgt ,musterte.
Auf einmal war Kristin da.
"Tom!...Tom, bist du verletzt?"
Semir ging beiseite, ließ sie zu Tom. Diesem gefiel das jetzt ganz und garnicht. Das Letzte, was er wollte war, dass Kristin auch das hier noch mitbekam. Dass sie ihn so sah....
"..Alles okay,Kristin. Bitte...kümmere dich um Niklas."
"Niklas gehts gut, dein Kollege, Herr Bonrath ist bei ihm....Tom, was ist mit dir?"
"Ist nichts schlimmes...wirklich nicht. Kein Problem." Er nahm ihre Hand, lächelte ihr zu. Kristin Rieger sah ihn immer noch besorgt an, sah natürlich auch das blutverschmierte Hemd....all das.
"Bitte Kristin, geh zu Niklas."
Der Notarztwagen kam. Semir hob die Hand und winkte den Doc zu ihnen herüber. er machte sich selbst grosse Sorgen um Tom, wusste aber, das das wirklich das Letzte war, was Tom jetzt gebrauchen konnte. So wandte er sich an Kristin.
"Tom hat Recht, bleiben sie bei Niklas....Er hier kommt schon klar, verspreche ich ihnen! Ich paß auf ihn auf."
Kristin sah wieder zu Tom, zu Semir und wieder rüber zu Niklas, der mit Bonrath und Herzberger am Hauseingang stand. Schließlich nickte sie.
"...Gut....Ich komm ins Krankenhaus,Tom....gleich nachher!"
Tom nickte nur. Kristin küsste ihn, kurz nur, beinahe wie aus Versehen. Dann lief sie eilig zurück zu Niklas. Tom sah ihr nach und dann in Semirs grinsendes Gesicht.
"Tolle Frau!"
"...Ja....laß bloß die Finger weg!..."
"Ich bin glücklich verheiratet!"
Der Arzt kam. Erneut machte Semir Platz.
Hotte und Bonrath kamen auf ihn zu, sahen rüber zum BMW, wo sich Arzt und Sanitäter um Tom kümmerten.
"Wie gehts Tom?"
"...Ich weiß nicht....nicht so schlimm, hoffe ich. Was ist mit dem Jungen?"
Bonrath lächelte. "Der ist fit,Semir.Irgendwie sind Kinder da anders....der findet das alles cool`...."
"Ja, Gott sei Dank....ich fahr gleich mit ins Krankenhaus.Sagt ihr der Chefin Bescheid, ja? "
"Klar, wird erledigt, Semir."
Der Notarzt kam auf Semir zu. Semir sah ihn fragend an.
"Wir bringen ihren Kollegen ins Marienkrankenhaus. Wollen sie mitfahren?"
Semir nickte nur, eilte zurück zu Tom. Der ging jetzt langsam Richtung Rettungswagen und hatte sich standhaft geweigert sich auf eine Trage zu legen. Typisch, dachte Semir nur und folgte dem Freund zum Krankenwagen.
"Gut, wo muß ich unterschreiben?", Tom sah den Arzt fragend an und dieser deutete auf die linke untere Ecke des Formulars. Während Tom seine Unterschrift darunter setzte, machte Semir einen letzten Versuch Tom vom Gegenteil zu überzeugen.
"Tom, was soll das? Kannst du nicht ein einziges Mal darauf hören, was..."
"...Semir, verschone mich damit.", Damit gab Tom dem Arzt das Entlassungspapier zurück. "Danke nochmal, Doktor."
Der Arzt nickte nur. "Ist mein Job, Herr Kranich. Dass sie eigentlich hier ins Krankenhaus gehören, brauch ich ja nicht nochmal zu erwähnen..."
"Schon okay, schönen Feierabend!"
"Ich hab Dienst bis morgen früh....Aber danke."
Tom nickte und ging Richtung Tür, raus in den Gang und sah sich nach dem Ausgang um. Semir deutete nach links.
"Da lang!...Bist du sicher, das das eine gute Idee ist?"
"Semir, es reicht mir schon, dass wir jeden Tag stundenlang zusammen über die Autobahn fahren. Misch dich nicht noch in den Rest meines Lebens ein, ja?"
"Freunde mischen sich aber ein!"
"Ach, ich weiß selber, was ich ...."
"Und ich weiß, das dir der Doc da vor nichtmal zwei Stunden eine Kugel aus der Schulter geholt hat und du sicher nicht hier herumlaufen solltest!"
Tom antwortete nicht und ging durch die letzte Tür nach draußen auf den Parkplatz. Den rechten Arm trug er in einer Schlinge und davon abgesehen, dass ihm erneut etwas schwindlig war, fühlte er sich recht gut. Schmerzen hatte er kaum, sicher auch aufgrund der noch wirkenden Betäubung . Semir ging ihm auf die Nerven!
"Warte...ich mach dir die Tür auf."
"Semir, ich kann wohl noch eine Autotür öffnen....danke!"
Das Einsteigen fiel Tom dann schon etwas schwerer und Semir, der bereits hinter dem Steuer saß, beobachtete ihn genau.
"Na, grosser Held...gehts ?"
"Witzig! Fahr mich nach Hause.....Ich muß telefonieren."
"Sie schläft schon!"
"...Semir!"
Tom verdrehte die Augen und Semir fuhr grinsend los. Er war erleichtert, daß Tom wieder mal nichts wirklich Ernsthaftes passiert war.
Tom dagegen dachte schon nichtmehr an seine Verletzung ,sondern an Kristin. Als sie vorhin kurz im Krankenhaus gewesen und Tom sie erneut immer wieder beruhigt hatte, das er okay war,seitdem beschlich ihn das Gefühl, dass irgendetwas nicht in Ordnung war....In den letzten Tagen hatte er immer gedacht, sie würden sich täglich näherkommen, doch vorhin, da war das nichtmehr so gewesen. Er musste mit ihr sprechen. über das, was heute alles passiert war.über so vieles!
Als dieser Mistkerl Drews vorhin auf sie gezielt hatte, da hatte Tom die Vergangenheit wieder eingeholt ! Da war plötzlich diese Angst wieder zurück gewesen! Diese Angst ,nochmal jemanden für immer verlieren zu müssen....Wegen seinem verdammten Job! Drews hätte Kristin fast erschossen!
Tom sah aus dem Fenster. Es war schon nach elf und Semir hatte Recht. Er würde erst morgen mit ihr sprechen können....
Er hatte die ganze Nacht kaum geschlafen. Die Schulter schmerzte inzwischen stärker als gestern, als es passiert war. Außerdem nervte es ihn, dass er sich kaum bewegen konnte. Mühsam war es ihm überhaupt gelungen sich einigermaßen vernünftig anzuziehen und sich Kaffee zu kochen.
Es klingelte. Tom ging langsam zur Tür und öffnete ohne nach draußen zu sehen.
"...Komm rein, Semir...", Doch es war nicht Semir, der vor der Tür stand.
Kristin stand da, sah ihn an und Tom begegnete ihrem Blick.
"Kristin...komm rein! Hallo!"
Sie standen sich gegen?ber.
"Im Krankenhaus haben sie mir gesagt, dass du gestern Abend schon gegangen bist...Jetzt bin ich direkt hierher gefahren."
"Ich wollte dich noch anrufen, aber es war schon so spät...komm rein."
Er nahm ihre Hand und sie folgte ihm in den Flur, ins Wohnzimmer. Dort standen sie sich erneut gegenüber, sahen sich an.
"Wie gehts dir? Du siehst..."
Tom winkte ab,"Alles okay,mir gehts gut."
Es war gelogen und Kristin merkte es genau.
"Wo ist Niklas?"
"In der Schule...ich wollte ihn zuhause behalten, aber er wollte unbedingt."
"Geht es ihm gut?"
Sie nickte. "Ja....er wird vermutlich jede Kleinigkeit seinen Freunden erzählen und mit dir angeben.Für ihn war es ein...ein aufregendes Spiel, Tom."
Tom antwortete nicht, dachte wieder an gestern, sah Niklas vor sich, in der Hand von Drews! Kristin sah ihn an und sprach weiter.
"Für mich...für mich war das kein Spiel, Tom."
Immer noch standen sie in Toms Wohnzimmer und es war einige Sekunden lang völlig still. Kristin sah ihn fest an und Tom sah die Tränen in ihren Augen schimmern.
"Tom...es ist besser..."
"Ja ?"
"...Es ist besser, wenn wir uns nichtmehr sehen...."
Er starrte sie an, schüttelte den Kopf. Er verstand es nicht und wollte es auch nicht verstehen.
"Kristin, das kannst du nicht ernst meinen....Ich weiss, dass das gestern furchtbar für dich gewesen sein muß, aber...."
"Tom, bitte! Versteh mich doch..."
"Ich dachte,ich meine....als ich dich das erste Mal gesehen habe, dachte ich, da wäre was ganz besonderes zwischen uns...."
Sie nickte. "...Genau deshalb Tom...."
Wieder schüttelte er den Kopf, fuhr sich mit der Hand durchs Haar,sah sie an.
"Ich laß dich nicht einfach so gehen...."
"...Tom,ich kann das nicht...Ich kann so nicht leben. Es geht nicht nur um mich oder um Nicki...."
"Was ist es dann?"
"Als...als dieser Mann gestern auf dich geschossen hat, da dachte ich...."
"Hey...", er nahm sie in den Arm,"...Mir gehts gut."
Doch Kristin löste sich aus seiner Umarmung, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und machte einen Schritt von ihm zurück.
"...Ich weiss nicht, ob ich mit dieser Angst leben könnte, Tom. Mir ist gestern klar geworden, was dein Beruf bedeutet, wie gefährlich es ist...Und jetzt schaff ich es noch zu gehen. Ich weiss nicht ,ob ich das noch kann, wenn ich dich weiterhin sehe...."
Kristin drehte sich um, ging Richtung Tür. Tom blieb stehen, sah ihr nach. Es konnte nicht wahr sein!
"Kristin, geh nicht."
Sie blieb stehen, drehte sich nochmal zu ihm um.
"...Ich hab mir ein paar Tage freigenommen. Ich...ich fahre mit Niklas zu meinen Eltern."
"...Ich ruf dich an, ja?"
"...Nein Tom,...bitte mach es mir nicht noch schwerer, ja?...Ich muß, ach, ich weiss auch nicht..."
Dann ging sie . Tom sah ihr nach. Die Wohnungstür fiel ins Schloß und er war allein.
Langsam ging er zum Fenster, sah hinunter auf die Straße. Kristin kam aus dem Haus, lief den Bürgersteig entlang und sah nichtmehr zurück.
Tom ging langsam hinüber zur Küche, kippte den kaltgewordenen Kaffee ins Waschbecken und versuchte darüber nachzudenken, was Kristin gesagt hatte.
Wieder klingelte es.
Tom öffnete, sah Semir an und ging gedankenverloren zurück in die Küche. Semir sah ihn an, schloß die Tür und folgte ihm mit fragendem Blick.
"Ich wollte mal sehen, wie`s dir geht...War das unten nicht gerade Kristin?"
Tom antwortete nicht. Semir griff nach der Kaffeekanne und holte sich eine Tasse aus dem Küchenschrank.
"Was ist passiert?"
Wieder bekam er keine Antwort. Stumm sah er zu, wie Tom ins Wohnzimmer lief, sich langsam auf die Couch sinken ließ und dabei kurz das Gesicht verzog.
"Was macht die Schulter?" Semir folgte ihm zur Couch, stellte Tom einen frischen Becher Kaffee auf den Tisch.
"Super Unterhaltung mit dir, Tom....Gut,dass ich vorbeigekommen bin."
Tom lehnte sich auf der Couch zurück, hielt sich mit der linken Hand die Schulter und sah Semir nur an. Minutenlang schwiegen sie beide, dann aber fing Tom schließlich zu reden an.
"Sie ist weg, Semir."
"Weg? Wohin?"
"Mensch, weg eben...."
"Ja, wie ...weg? Und du lässt sie einfach gehen? Ich dachte, das wird endlich mal was Ernstes."
"Ja...dachte ich auch."
"Und was willst du jetzt machen?"
"Ich? Was soll ich denn..."
"Ja, hol sie zurück, was weiss ich! Aber mach irgendwas, ganz einfach."
"Ach Semir, du hast ja keine Ahnung, worum es überhaupt geht!"
"Stimmt, hab ich nicht! Brauch ich auch nicht!...Denn es reicht schon, dich seit ein paar Tagen zu beobachten....Als Kristin das erste Mal bei uns im Büro saß, war mir bereits klar, da wird was draus. Hätte jeder Blinde gesehen!...Und jetzt lässt du sie einfach gehen?"
"...Vielleicht ist es besser so, ich weiss auch nicht....Ach scheisse!"
Tom schloß die Augen, während Semir aufstand, seinen Kaffee in die Küche brachte und nach seiner Jacke griff. Dann sah er nochmal zu Tom.
"Wo ist sie hin?"
"Fährt ein paar Tage zu ihren Eltern."
Semir nickte nur und ging Richtung Tür.
"Okay, ich muß los...Solltest dich hinlegen, siehst beschissen aus."
Tom gab ihm keine Antwort, sah ihm nur stumm nach . Und erst, als Semir gegangen war, begann er darüber nachzudenken, was er gesagt hatte. Aber wie hätte er sie aufhalten sollen? Und war es überhaupt richtig ,sie aufzuhalten? Tom wusste , das es das Letzte war, was er wollte, das sich jemand um ihn Sorgen machen müsste. Und schon garnicht Kristin ! Vielleicht hatte sie sogar Recht gehabt mit dem, was sie gesagt hatte....Tom schloß erneut die Augen. Er wusste nicht , was er tun sollte.
Schließlich stand er auf, ging zu dem Sideboard gegenüber und öffnete die unterste Schublade. Es musste über ein Jahr lang hergewesen sein, dass er sie das letzte Mal geöffnet und danach für immer verschlossen hatte. An diesem Tag hatte er für sich entschieden, die Vergangenheit nun ruhen zu lassen .Dann hatte er sämtliche Fotos und alle Erinnerungen an Elena in dieser Schublade verstaut und sie niemehr geöffnet. Tom nahm jetzt einige der Fotos in die Hand und versuchte sich zu erinnern, in welchen Situationen, an welchen Tagen all diese Bilder entstanden waren. Elena war jetzt fast vier Jahre tot und zum ersten Mal hatte Tom das Gefühl, das es wirklich so war, dass die Zeit Wunden heilen könnte....Ihm stiegen auch keine Tränen mehr in die Augen, wenn er Elenas Bilder vor sich sah. Es war ein Teil seiner Vergangenheit geworden und es gelang Tom inzwischen, sich an sie zu erinnern ohne traurig zu sein. Langsam legte er die Fotos zurück und schloß die Schublade wieder. Wenn er jetzt, heute an diesem Tag, an eine Frau dachte, dann war es Kristin! Dabei, das war ihm auch klar, kannte er sie doch kaum. Vielleicht würden sie garnicht zusammenpassen, vielleicht täuschte ihn sein Gefühl nur....In diesem Moment wusste er, daß er genau das herausfinden musste! Er würde sie nicht einfach gehenlassen, ohne zu wissen, ob sie die Frau seines Lebens war!
Tom ging zum Telefon, rief sich ein Taxi und fuhr Richtung PAST.
Als Tom an diesem Vormittag kurz nach elf die PAST betrat, musste er erstmal eine Menge Hände schütteln und die Genesungswünsche sämtlicher Kollegen entgegennehmen. Auch die Chefin kam sofort aus ihrem Büro, als sie Tom entdeckte.
"Wie geht es ihnen, Tom? Kommen sie doch bitte mit in mein Büro."
Tom nickte und die Chefin musterte ihn genau, schloß dann die Tür.
"Setzen sie sich....Nun, ich freue mich zwar, sie einigermassen wohlbehalten hier zu sehen, aber sie gehören wirklich nach Hause, Tom."
"Chefin, ich bin..."
"Sie haben das Krankenhaus gegen dringenden ärztlichen Rat verlassen, ich habe mit dem Arzt telefoniert. Also sparen sie sich weitere Versuche mich davon zu überzeugen, dass sie okay sind. Ich will sie die nächsten Tage hier nicht sehen,Tom."
"Aber ich könnte doch ..."
"Das war eben keine Bitte und auch kein Vorschlag von mir, Tom. Es war eine dienstliche Anweisung...Gute Besserung."
Anna Engelhardt sah ihn mit ihrem typischen festen Blick an, der keinen weiteren Widerspruch mehr duldete. Tom wusste das und stand wortlos auf. Dabei achtete er noch genauer darauf, sich den Schmerz in der Schulter bloß nicht von ihr anmerken zu lassen. Die Chefin nickte ihm zu und er verließ ihr Büro.
Als er kurz darauf sein eigenes Büro, das er sich seit Jahren mit Semir teilte, betrat, sah dieser nur kurz von einem Aktenstapel auf und dabei zur Uhr. Dann schlug er ärgerlich mit einer Hand auf den Schreibtisch.
"Mist!...Vier Minuten zu spät."
Tom sah ihn nur verständnislos an, als auch schon Dieter grinsend hereinkam.
"Tja, knapp Semir! Aber eben vier Minuten zu spät."
"Ja,ja..."
Semir nickte nur und drückte dem immer noch grinsenden Dieter einen 10 Euro Schein in die Hand.
"Danke, Semir....dir auch, Tom!"
Bonrath verließ das Büro und Tom blickte nach wie vor fragend zu Semir. Dieser deutete erneut zu der Uhr, die an der Wand hing.
"Vier Minuten, Tom....Ich hab vorhin mit Bonrath gewettet, das es höchstens eine Stunde dauern wird, bis du hier auftauchst!...Du bist vier Minuten zu spät...und sowas will ein Freund sein."
Tom schüttelte nur den Kopf, musste aber auch lächeln und setzte sich langsam auf seinen Schreibtischstuhl. Semir musterte ihn und Tom schaltete den Computer auf seinem Schreibtisch ein.
"Weiss die Engelhardt, das du hier bist ?"
"...Wir hatten gerade eine Unterhaltung..."
"Und sie hat dich nicht nach Hause..."
"Doch."
"Und was machst du dann noch da?", fragte Semir, ging um seinen Schreibtisch herum, sah Tom über die Schulter auf den Bildschirm des Computers.
"Du benutzt das polizeiliche Melderegister für private Informationen....das dürfen wir nicht."
"...Ach Semir, laß mich doch einfach in..." Aber in diesem Moment hatte Semir bereits den` Entfernen`Button der Tastatur gedrückt und ging wieder zu seinem Schreibtisch. Tom sah ihn wütend an.
"Was soll das?! Ich kann selbst entscheiden, was ich tue, ja?!"
Semir grinste nur und hielt ihm einen kleinen Zettel entgegen.
"Aber du kannst dir den Aufwand sparen....hier ist das, was du suchst."
Tom sah Semir an, griff nach dem Zettel. "Bernd und Hannelore Rieger", sowie eine Addresse stand darauf. Tom las, blickte dann wieder zu Semir. Dieser nickte ihm nur lächelnd zu.
" Ist etwa siebzig Kilometer von hier, in der Nähe von Remscheid."
"...Du kriegst einen Haufen ärger,wenn das jemand mitkriegt, dass du im Melderegister...."
"Ja...aber ich kann selbst entscheiden, was ich tue. Waren doch deine Worte gerade,oder?"
Tom und Semir sahen sich an und mal wieder wussten sie ohne Worte, was für eine besondere Freundschaft sie verband.
"...Danke, Semir." Tom steckte den Zettel ein, stand vorsichtig auf. Semir verschränkte die Arme vor der Brust, musterte Tom .
"Und? "
"Ja was, und?"
"Was hast du jetzt vor?"
"Na, was du gesagt hast, Semir. Ich fahr da hin,sobald ich mich wieder einigermassen bewegen kann und hol sie zurück....Und ich werde nicht eher wieder gehen, bevor ich sie wiederhabe."
Semir grinste. So gefiel ihm Tom schon wieder besser. "Und wie willst du das machen?"
"Naja, das habe ich noch nicht so genau durchgeplant....hast du einen Vorschlag?"
"..Küssen klappt meistens."
Sie grinsten sich an, Tom ging zur Tür. Semir setzte sich wieder an seinen Aktenstapel und sah ihm nach.
"Ich drück dir die Daumen, Partner.", sagte er noch leise, aber das hörte Tom schon nichtmehr.
Währenddessen stand Kristin Rieger am Kölner Hauptbahnhof mit ihrem Sohn.
Sie hatte Niklas nach der letzten Stunde von der Schule abgeholt und war dann mit ihm direkt zum Bahnhof gefahren. Niklas stand jetzt auf dem Bahnsteig und schmollte. Kristin sah ihn an.
"Ach Niklas, jetzt mach nicht so ein Theater! "
"Ich will nicht zu Oma und Opa fahren..."
"Seit wann das denn nicht? Ausserdem brauchst du zwei Tage nicht zur Schule und dann haben wir noch das Wochenende. Vier Tage, Nicki! Sonst meckerst du immer, wenn wir so schnell bei Opa wieder weg müssen."
Niklas sah seine Mutter an. "Aber du hast mir gestern Abend versprochen, das wir Tom besuchen..."
"Tom ist nichtmehr im Krankenhaus, Niklas. Er ist schon wieder zuhause und es geht ihm gut, glaub mir."
"Dann können wir ihn ja zuhause besuchen, Mama."
"...Ja, aber nicht jetzt ."
"Warum nicht?"
"Weil....",sie sah Niklas entschlossen an,"...Weil es nicht gut ist,Niklas. Da, unser Zug kommt."
Der Junge schwieg, nahm seinen Rucksack und stellte sich einige Meter von Kristin entfernt auf den Bahnsteig. Auch als sie kurz darauf in den Zug stiegen setzte sich Niklas eine Reihe von ihr entfernt ans Fenster. Kristin Rieger ließ sich auf den Sitz sinken und sah ebenfalls aus dem Fenster. Schliesslich drehte sich Niklas zu ihr um.
"Aber wenn wir wieder zuhause sind, dann besuchen wir Tom, ja?"
"...Mal sehen...vielleicht."
"Habt ihr euch gestritten? So wie Josh und ich manchmal?"
Sie musste lächeln, "Nein, Niklas.Wirklich nicht."
"Aber wenn doch, dann müsst ihr euch wieder vertragen, das sagst du zu mir auch immer.....Kann ich bei Opa wieder Kart fahren?"
"Ja Nicki....sicher."
Sie nickte ihm zu und kurz darauf setzte sich Niklas neben sie. Kristin legte ihm ihren Arm um die Schulter und sah erneut aus dem Fenster. Der Zug fuhr Richtung Remscheid und sie hoffte, dass sie dort auf andere Gedanken kommen würde.
Im Untersuchungsgefängnis saß Günter Drews seinem Anwalt gegenüber und seine Augen funkelten diesen wütend an.
"Ich sitze hier und dieser Kranich läuft da draußen frei rum! Verdammt!"
Lorenz Funke legte die Akten, die er zur Einsicht von den Polizeibeamten erhalten hatte ,vor Drews auf den Tisch.
"Vorerst gibt es keine Chance dich hier rauszuholen!Dein Bruder und Hermann haben die Tankstellenüberfälle gestanden, weiterhin gibt es diesen Jungen, der dich gesehen hat. Ausserdem versuchte Kindesentführung, Mordversuch an einem Polizisten und so weiter..."
"Marlon soll sich gefälligst was einfallen lassen! Vielleicht solltest du ihn nochmal daran erinnern, wer ihm hier im Knast den Arsch gerettet hat! Mir n`Anwalt zu schicken, kann ja wohl nicht alles sein! Sag ihm das!"
Funke nickte nur, während Drews aufgesprungen war und im Raum herumlief.
"Ich will hier raus, Funke! Und Marlon hat die Möglichkeiten dazu!"
"Ich sags ihm....Was ist mit deinem Bruder und Hermann?"
Drews sah ihn an, zuckte die Achseln, "Interessiert mich nicht, Funke! "
Lorenz Funke antwortete nicht und nickte nur erneut. Dann verließ er das Untersuchungsgefängnis.
Kristin Rieger stand hinter den Reifenstapeln der Start - und Ziellinie der Kartbahn.
Lächelnd sah sie Niklas zu, der in ,für ihre Verhältnisse halsbrecherischem Tempo mit seinem Kart durch die Kurven fuhr. Es war ein spezielles Kinderkart, was aber auch bereits fast 50 Sundenkilometer fahren konnte und Niklas hatte das Kart vor sechs Monaten zu seinem siebten Geburtstag von seinem Opa bekommen .Kristin hatte danach zwei Tage nichtmehr mit ihrem Vater geredet.
Dieser stand jetzt neben ihr und sah sie an. Bernd Rieger war sechzig Jahre alt und immer noch ein äusserst attraktiver, sportlicher Mann. Er hatte dunkles, inzwischen leicht graumelliertes Haar und seine dunklen Augen an Kristin und auch seinen Enkel vererbt.
"Was denkst du, Kristin?"
Sie sah ihren Vater an, "Ich denke, dass das Kart zu schnell fährt."
Bernd Rieger lächelte seiner Tochter zu und schüttelte den Kopf.
"Das meine ich nicht...und ausserdem ,sieh dir deinen Sohn doch an. Benzin im Blut, wie ihr beide früher."
Kristin schwieg. Ihr Vater hatte schon recht. Sie dachte daran, wie sie mit ihrem Bruder damals durch diese Kurven gefahren war.Es hatte garnicht schnell genug sein können, genau wie bei Niklas jetzt.
"Also, was ist los, Kristin?"
"...Nichts, was soll sein?"
"Ha,ha,...ich kenn dich doch! Tauchst gestern hier auf, ich meine,wir freuen uns ja, das weisst du. Aber es muß noch einen anderen Grund geben..."
"Ach Papa, ich hab einfach mal ein paar Tage frei und..."
"Und schickst Niklas mal nicht zur Schule..."
"Ja, und?..."
"Okay...okay,ich bin ja nicht neugierig. Lassen wirs dabei."
Kristin nickte, sah wieder zu Niklas. Ihr Vater dagegen lächelte leicht und musterte seine Tochter erneut. dann ging er zu Niklas hinüber, der gerade das Kart bremste und in den Zielbereich fuhr.
"Hey! Sehr gut Junge! Kannst ja bald dein erstes Rennen fahren!"
Niklas zog sich den Helm vom Kopf und strahlte seinen Opa an.
"Wirklich?"
"Nein.", sagte Kristin schnell, bevor ihr Vater antworten konnte. Aber im Grunde wusste sie schon jetzt, dass sie, wenn es denn soweit wäre, ohnehin nachgeben würde. Dafür war sie selbst viel zu sehr mit dieser Kartbahn aufgewachsen, als das sie das Niklas jetzt verbieten könnte.
"Mama, hast du gesehen, wie schnell ich war?"
"Ja, Niklas", Sie lächelte,"Na klar!"
"Meinst du, Tom muß auf der Autobahn auch manchmal so schnell fahren?"
Er sah sie fragend an und auch Bernd Rieger blickte jetzt fragend zu Kristin.
"...Ja...bestimmt, Niklas."
Niklas nickte überzeugt und sah zu seinem Opa.
"Weisst du ,Opa, Tom ist nämlich bei der Autobahnpolizei!"
"So?", Bernd Rieger nickte Niklas interessiert zu und guckte dabei auch lächelnd hinüber zu Kristin. Wusste ich doch, das irgendetwas ist, sagte dieser Bilck, den Kristin genau deuten konnte...
Dann wandte er sich wieder seinem Enkel zu, "Okay Nicki, wir müssen noch neue Reifen auf dein Kart ziehen. Komm!"
Er ging mit Niklas in die kleine Halle und Kristin sah ihnen nach. Schon wieder dachte sie an Tom. Was er gerade machte, wie es ihm wohl ging. Sie dachte auch an seine Worte, was er gesagt hatte, bevor sie gegangen war...Ich dachte, da ist etwas besonderes zwischen uns....Sie selbst hatte genau das Gleiche empfunden, als sie ihm begegnet war und das wusste sie auch. Doch sie sah auch immer wieder diese Bilder vor sich, als dieser Mann auf Tom geschossen hatte! Wie Tom zu Boden gegangen war und welche Angst sie um ihn und Niklas gehabt hatte.
Stumm sah sie auf die jetzt leere Kartbahn. Sah sich dort als Kinder mit ihrem Bruder fahren....Sascha war jetzt sechs Jahre tot. Sie fragte sich, ob er in einerähnlichen Situation gestorben war, die sie selbst gestern erlebt hatte. Sie wussten nur , das es während einer Schiesserei bei der Verhaftung eines mehrfachen Mörders geschehen war. So hatte der Einsatzleiter des SEK`s, zu dem Sascha gehört hatte, es ihnen damals erklärt. Kristin schloß die Augen. Es war schwer gewesen den Tod von Sascha zu überwinden.
Wieder dachte sie an Tom.
"...Und? Wer ist Tom?" Die Stimme ihres Vaters riß Kristin aus ihren Gedanken. Sie hatte auf die Kartbahn geschaut und garnicht bemerkt, dass ihr Vater wieder neben ihr stand. Bernd Rieger lächelte ihr zu und schien auf eine Antwort zu warten. Kristin sah hinüber zur Halle, wie Niklas an dem rechten Hinterrad schraubte und sah dann wieder zu ihrem Vater.
"Ich geh mal eine Runde mit Jerry spazieren." Damit drehte sie sich um , rief nach dem Schäferhund und ging langsam hinüber Richtung Felder, die gleich hinter der Kartbahn und dem Haus ihrer Eltern begannen. Bernd Rieger sah ihr nach, zuckte die Achseln und ging zurück zu Niklas. Er kannte seine Tochter gut genug um zu wissen, dass sie es früher oder später ohnehin erzählen würde.
Niklas sah seinem Opa entgegen. "Opa, die Hinterräder hab ich schon."
"Gut! Dann weiter so, ich hol mal die neuen Reifen hoch."
"Wo ist Mama?"
"Sie ist mit Jerry los."
"Okay.....Opa?"
"Ja?"
"Weisst du ,wer Tom ist?"
"Nein...", Rieger sch?ttelte den Kopf. Er hatte auch nicht vor, Niklas deswegen auszufragen. Aber es war der Junge selbst, der weitersprach. Und man sah ihm dabei förmlich an, das er viel erlebt haben musste.
"Es gab nämlich eine Schiesserei, Opa! Vor unserem Haus!"
"Niklas...", er sah ihn an,"Niklas, erzähl mir keine Schauermärchen."
"Aber das stimmt, Opa! Wirklich!...Ich weiss nicht so genau, warum, aber bestimmt wegen der Tankstelle, die der Mann überfallen hat."
"Eine Tankstelle?"
"Ja....wo Mama manchmal arbeitet. Und da war dann auch Tom. "
"Der Polizst ?"
Niklas nickte eifrig und Bernd Rieger versuchte die Zusammenhänge zu erahnen, was ihm aber schwer gelang. Er würde mit Kristin sprechen müssen, um es zu verstehen.
"Ich hab Tom geholfen, weisst du. Wir waren sogar bei der Autobahnpolizei auf dem Revier."
"Aha..."
"Opa, glaubst du mir das ?"
"..ja,ja, Niklas...sicher."
"Und weisst du, du darfst es aber nicht verraten, ja?"
"Was denn?"
Niklas sah ihn mit dem wichtigen Gesichtsausdruck eines siebenjährigen Jungen an und flüsterte grinsend: "Sie haben sich auch geküsst!"
"Ach, ja?"
Niklas nickte und Rieger musste ebenfalls lächeln. Obwohl er nach wie vor sehr daran zweifelte, was sein Enkel ihm da alles erzählte.
"...Naja, dann hättet ihr diesen Tom doch mal mitgebracht."
Niklas zuckte die Schultern,"Er ist krank...Der Räuber hat doch auf ihn geschossen. Aber es geht ihm schon wieder gut, hat Mama gesagt."
"Sag mal Niklas, wann ist denn das alles passiert, was du mir hier erzählst ?"
"Na vorgestern....Ich glaube, der Mann wollte auch auf mich schiessen und auf Mama."
"Niklas, keine Märch..."
"Wirklich, Opa! Du kannst Mama fragen! Er hatte eine Pistole und dann hat Tom und der andere Polizist aber..."
"Niklas, jetzt ist es wirklich gut. Komm...wir machen die Reifen zuende."
Als Kristin an diesem Abend mit ihren Eltern noch zusammen auf der Terasse saß und alles erzählt hatte, was in den letzten Tagen geschehen war, schwiegen alle drei eine zeitlang. Es war für Hannelore und Bernd Rieger kaum vorstellbar in welcher Gefahr ihre Tochter und ihr Enkel geschwebt hatten. Auch kam natürlich die Erinnerung an den Tag zurück, als ihr Sohn umgekommen war.
Bernd Rieger war der Erste, der wieder redete.
"Wurde er schwer verletzt?"
"An der Schulter....aber es geht ihm ganz gut,glaube ich."
"Du glaubst? "
"Ich hab nichtmehr mit ihm gesprochen, seit ich hier bin."
Jetzt war es Kristins Mutter, die zu reden begann.
"Aber das verstehe ich nicht....du magst ihn, das merke ich doch."
Kristin antwortete nicht. Sie wollte jetzt auch nichtmehr weiter darüber sprechen. Langsam stand sie auf, nahm ihr Glas Wein und ging zur Terassentür.
"Ich bin müde, ich geh hoch."
"Kristin?"
"Ja?"
Ihr Vater war jetzt ebenfalls aufgestanden, sah sie an.
"Ich will mich nicht einmischen, aber es gibt niemals eine Garantie im Leben. Das haben wir lernen müssen, als Sascha starb. Es gibt keine Sicherheit dafür, dass immer alles..."
"Das weiss ich auch!...Aber es ist nicht so einfach."
"Sascha ist für etwas gestorben, was er geliebt hat .Ja, er hat diesen Beruf geliebt und hat dafür sein Leben verloren.Aber ich denke, dass er gü?cklich gewesen ist."
"Das war er auch, Papa, das weiss ich."
Kristin standen jetzt die Tränen in den Augen. Sie wollte auch nichtmehr reden. Eilig ging sie durchs Wohnzimmer in den Flur und schliesslich durch den seperaten Eingang nach oben. Früher hatte Sascha dort gewohnt, in der wenigen Zeit, die er zwischen Einsätzen zuhause gewesen war. Jetzt nutzte nur noch Kristin die Wohnung, wenn sie mit Niklas hier war.
Sie nahm ihr Glas Rotwein, setzte sich allein noch auf den Balkon. Sie hatte das Gefühl, das es immer schwieriger wurde.
Tom saß in seinem Wagen und fuhr gerade bei Remscheid von der Autobahn. Es konnten jetzt nur noch ein paar Kilometer sein, bie er die Adresse, die auf dem Zettel stand erreichen würde. Die Schußverletzung an der Schulter war jetzt drei Tage her und so langsam konnte er sie auch wieder recht gut bewegen. Die Armschlinge hatte er jedenfalls bereits gestern im M?lleimer versenkt und auch das Autofahren jetzt ging erstaunlich gut.
Als er an dem Ortsschild vorbeifuhr war die grosse Kartbahn das erste, was ihm auffiel. Sie lag direkt am Ortseingang an der Landstrasse und Tom stellte kurz darauf überrascht fest, dass er genau dort am Ziel war. Hinter dem Kartbahngelände stand ein schönes Einfamilienhaus, dahinter waren nur noch Wiesen und riesige Felder. Tom fuhr auf den Parkplatz der Kartbahn und stieg aus.
Zur gleichen Zeit sprang Petra im Büro der PAST von ihrem Schreibtisch auf und rannte auf das Büro der Chefin zu, die dort gerade mit Semir sprach. Petra klopfte kurz und riß im selben Moment bereits die Tür auf.
Anna Engelhardt und Semir sahen ihr fragend entgegen.
"Petra?"
"Chefin, gerade kam das über Funk! Gnter Drews ist geflohen!"
"Was?!" Sowohl Semir als auch die Chefin sprangen auf. Petra nickte.
"Er war mit einem Gefängnistransporter auf dem Weg in die Klinik zu einer Nachuntersuchung der Schuverletztung! Der Transport ist ?berfallen worden, Drews ist weg!"
"Was ist mit den Beamten?!"
"...Sie...sie sind tot! Beide erschossen!"
"Petra, machen sie mir eine Verbindung zum Gefä?ngnisdirektor!
Sie nickte, eilte hinaus. Semir sah Engelhardt an.
"Wir m?ssen Tom..."
"Ja! Tun sie das, Semir! Fahren sie am besten sofort zu ihm! Und wir brauchen Personenschutz fr Frau Rieger und ihren Sohn! Wer weiss, was in diesem Drews vorgeht!"
Semir sah die Chefin an. "Kristin Rieger ist vermutlich in der Nähe von Remscheid bei ihren Eltern...Und Tom wohl auch."
Anna Engelhardt musterte ihren Mitarbeiter fragend, wandte sich dann aber dem klingelnden Telefon zu.
"Wie auch immer, Semir! Dann fahren sie halt nach Remscheid! Ich informiere sie dann unterwegs, wenn es etwas wichtiges gibt!"
"In Ordnung, Chefin!"
Schon rannte Semir aus dem Büro.
Bernd Rieger schraubte wie fast immer, wenn Niklas da war, mit dem Jungen an dem Kart herum. Alles andere, was er sonst zu tun hatte, blieb an diesen Vormittagen unerledigt liegen. Rieger öffnete die Kartbahn täglich um 15.00 und auch dann blieb Niklas meistens in seiner Nähe.
Gerade wollte er jetzt neue Bremsbeläge aus der Werkstatt holen, als ein blauer CLK auf den Parkplatz fuhr. Bernd Rieger sah auf und Niklas folgte seinem Blick.
"Tom! Das ist Tom, Opa!"
Niklas Augen begannen zu strahlen, er sprang auf und rannte dem Wagen entgegen.
Der Mann, der aus dem CLK stieg, mochte knapp vierzig sein, hatte dunkelblonde kurze Haare und ging jetzt lachend auf Niklas zu.
"Tom! Hallo!"
Niklas kam auf ihn zugerannt und Tom sah, wie er sich freute.
"Hey, Niklas!"
Der Junge blieb dicht vor ihm stehen und sah zu ihm hoch. Tom ging zu ihm in die Hocke, was aufgrund seiner Schulter noch etwas mühsam war.
"Was machst du hier ?"
"Ach, weisst du, ich wollte mal sehen, was ihr hier so macht..."
"Na, ich hab immer viel an meinem Kart zu tun!...Komm,ich zeigs dir!" Aufgeregt zog der Junge ihn Richtung Halle.
Von dort kam ihnen jetzt der Mann entgegen, der gerade mit Niklas am Kart gestanden hatte. Sie gingen aufeinander zu und standen sich schliesslich gegenüber. Tom genügte ein einziger Blick in die Augen des dunkelhaarigen ,etwa sechzig Jahre alten Mannes,um zu wissen, dass es Kristins Vater sein musste.
Bernd Rieger hielt ihm die Hand entgegen.
Niklas sah zu Tom. "Das ist mein Opa!"
Tom nickte, erwiderte den festen Händedruck Riegers.
"Tom Kranich."
"Guten Tag, Herr Kranich. Bernd Rieger."
Ein paar Sekunden lang war es still. Tom fragte sich, ob und wieviel Kristin von ihm erzählt hatte. Bernd Rieger lächelte jetzt , schien Toms Gedanken zu erraten und deutete auf Niklas.
"Mein Enkel hat mir schon von ihnen erzählt...Sie wollen sicher zu Kristin."
"Ja."
"Sie ist gerade mit Jerry unterwegs. Kann ich ihnen was zu trinken anbieten?"
"...Danke, im Moment nicht", erwiderte Tom und fragte sich dabei, wer wohl Jerry war. Auch diesen Gedanken schien Rieger zu kennen, denn sofort bekam Tom die Antwort auf die nicht gestellte Frage.
"...Jerry ist mein Schäferhund."
"Ah..."
"...Ja, dann lassen sie uns hier nicht so rumstehen, Herr Kranich. Wenigstens einen Kaffee werden sie doch mit mir trinken. Kommen sie."
Sofort mischte Niklas sich ein.
"Aber zuerst musst du dir das Kart angucken! Komm!"
Niklas zog Tom die paar Meter hinüber vor die Halle.
Im Innenraum des CLK klingelte währenddessen Toms Handy auf dem Beifahrersitz.
Doch das konnte er nicht hören.....
Güter Drews stand im Hinterzimmer der Bar Marlon Kruger gegenüber und nahm den Umschlag mit etlichen 50 Euro Scheinen, den Kruger ihm entgegen hielt, grinsend entgegen.
"Wusste ich doch, dass ich mich auf dich verlassen kann, Marlon!"
Marlon krüger nickte nur und sah Drews entschlossen an.
"Das wars ,Günter! Wir sind quitt!"
"Wir sind doch n`gutes Team, findest du nicht..."
"Du hast mr im Knast das Leben gerettet. Das habe ich auch nicht vergessen! Aber jetzt ist die Schuld beglichen! Ich hab dich da rausgeholt, hier hast du Geld ,um abzuhauen! Von jetzt an kenne ich dich nichtmehr!"
"Erwartest du, dass ich mich noch bedanke?"
"Nein! Ich erwarte, dass du niemals, niemals vor den Bullen meinen Namen in den Mund nimmst, Günter! Egal was passiert! Denke immer daran, sonst wirst du es sicher bereuen! Und jetzt verschwinde, die Sache ist mir zu heiss!"
"Die Bullen werden keine Gelegenheit kriegen um mich zu fragen, wer mich aus dem Knast geholt hat!"
"Verschwinde,Günter! Am besten bis sonstwohin.Und melde dich nie wieder bei mir!"
"Keine Sorge, Marlon! Wie du gesagt hast, wir sind quitt!"
Kruger nickte und sah Drews nach, wie er zum Hinterausgang ging.
"Was willst du jetzt tun?!"
"Mal sehen, Richtung Holland erstmal. Aber vorher hab ich noch was zu erledigen!"
Und in seinem Gesicht konnte man sehen, das er es ernst meinte!
Als Kristin mit Jerry zurückkam, sah sie den blauen CLK schon von weitem auf dem Parkplatz stehen. Sofort fühlte sie ihr Herz schneller schlagen und wusste nicht was sie tun sollte. Sie hatte ihn gebeten sie allein zu lassen und doch spürte sie ,dass sie sich freute Tom zu begegnen, ihm gegenüber zu stehen, in seine Augen zu sehen, all das.
Langsam lief sie hinüber zur Kartbahn.
Als sie kurz darauf etwa hundert Meter von ihr entferntTom neben Niklas am Boden vor dem Kart sitzen sah musste sie unwillkürlich lächeln. Ein paar Minuten lang blieb sie einfach stehen und beobachtete die beiden. Tom schraubte irgendetwas an den Pedalen und Niklas saß dabei und strahlte ihn an.
"Da kann man ja fast eifersüchtig werden...." Die Stimme ihres Vaters, der gerade aus dem Haus kam, riß sie aus ihren Gedanken. Kristin sah zu ihm und Bernd Rieger lächelte ihr zu.
"Und er kennt sich mit Karts aus... Gefällt mir. Warum hast du mir nicht erzählt, dass er auch mal eine Kartbahn hatte."
Damit ging Rieger wieder ins Haus. Kristin sah ihm nach und dachte wieder mal darüber nach,wie wenig sie über Tom wusste....Eine Kartbahn. Sie fragte sich, wann das gewesen sein musste.
Jetzt ging sie hinüber zu ihnen. Niklas war der erste, der sie bemerkte.
"Da ist Mama!...Mama, Tom ist hier!"
Sie nickte. Tom stand auf, legte den Schraubenschlüssel beiseite. Sie sahen sich an. Tom hatte wieder das gleiche Gefühl, das er jedes Mal hatte, wenn er ihr in die Augen sah. Diese Gewissheit ,irgendwo angekommen zu sein.
Schließlich, nachdem sie sich eine Weile so angesehen hatten, nahm er sie in die Arme.
"Ich musste dich sehen,Kristin."
Kristin sah ihm in die Augen und nickte lächelnd. Hatte sie gehofft, dass er kommen würde? Sie wusste garnichts mehr. Aber es tat so gut, wenn er sie in die Arme nahm. Sie dachte daran, was ihr Vater gestern gesagt hatte. Es gibt keine Garantie...Und vermutlich hatte er Recht.
"Schön, dass du da bist..."
Tom strich ihr mit einer Handüber die Wange, küsste sie. Kurz nur. Niklas stand daneben, beobachtete die Szene genau.
Vom Haus kam jetzt die Stimme von Hannelore Rieger.
"Niklas! Kannst du mal kurz kommen?"
Niklas sah zu seiner Oma, sah nochmal zu Tom und Kristin und lief dann lachend zum Haus.
Tom nahm jetzt ihre Hand, lächelte und deutete auf die Kartbahn.
"Und hier bist du aufgewachsen, ja? Auf der Kartbahn?"
"Ja...genau." Auch Kristin musste jetzt lachen. "Das Haus, die Kartbahn, sonst nur Felder...so bin ich aufgewachsen."
"Und Abends haben die Jungs hier ihre Runden gedreht, nur um dich zu sehen.War es nicht so?" Wieder dieses Lachen.
"Und wenn?" Kristin sah ihm entgegen. Und auf einmal wusste sie genau, das sie sich selbst belogen hatte, als sie entschieden hatte, Tom nicht wiedersehen zu wollen.
Er zog sie jetzt langsam weiter Richtung Feldweg.
"Laß uns ein Stück gehen, ja? "
Sie folgte ihm und als sie schließlich an den Feldern entlanggingen und er vorsichtig einen Arm um sie legte, da war es ,als ob sie sich schon ein Leben lang kannten.
Tom sah sie an.
"Du hast gesagt, dass du mich nicht wiedersehen möchtest...."
"...Ja."
"Und jetzt?"
Sie standen sich gegenüber. Kristin schüttelte den Kopf.
"Jetzt...jetzt möchte ich nicht, dass du wieder gehst, Tom."
Dann küssten sie sich. Richtig. Zum ersten Mal. Und als sich ihre Blicke dann wieder trafen,wussten sie beide, dass sie zusammengehörten.
Fortsetzung in neuem Thema unter gleichem Titel, bitte weiterlesen