Verfolgt
A 57 in Höhe des Rastplatzes Nievenheim
Auf dem Rastplatz standen mehrere Wagen. Darunter auch der Wagen von Tatjana Berger. Sie war auf dem Weg nach Krefeld um ihre Schwester zu besuchen. Nun saß sie gerade im Restaurant und trank einen Kaffee. In etwa einer Stunde, wenn es keinen Stau gibt ist sie bei Andrea und dann fängt ihr Urlaub an. Sie schaute auf die Uhr. Gerade mal 11.30 Uhr. Sie hatte Andrea gesagt, dass sie höchstens um 15.00 Uhr ankommen wird. Also bleiben ihr noch dreieinhalb Stunden. Sie freute sich auf Andrea. Ihre Schwester war bei der Autobahnpolizei im Sekretariat beschäftigt. Sie hat während der Telefonate ständig von ihren Kollegen Semir und Tom geschwärmt. Mit Semir war sie eine Zeit lang zusammen. Doch im Augenblick war sie wieder solo. Obwohl, bei Andrea wusste man es nie genau. Sie war, so erinnerte sich Tatjana schon mehrmals mit diesem Semir zusammen. Anscheinend können die beiden immer nur kurze Zeit mit einander auskommen. Tatjana fragte sich, woran bzw. an wem der Beiden das wohl lag. Sie bestellte sich noch eine Cola und dann überlegte sie, dass sie Andrea eigentlich auch auf der Arbeitstelle besuchen könnte. Sie hielt es für eine sehr gute Idee. Also zückte sie ihr Handy und rief Andrea an.
Andrea war an ihrem Schreibtisch gerade damit beschäftigt für Tom einige Fahrzeugdaten zu prüfen, als ihr Handy klingelte. „Ja?“ „Hey, Andrea. Ich bin es. Jana. Ich bin schon in Nievenheim. Und ich wollte dich fragen, ob ich vielleicht zu dir ins Revier kommen kann?“ „Hallo, Jana. Sicher, wenn du hier herfindest. Schön das du da bist. Also wenn du von der Raststätte fährst brauchst du nur noch etwa 75 Kilometer fahren. Kurz vor der Abfahrt Neuss ist die PAST. Ich freu mich, bis gleich.“ „Ja bis gleich. Ich freu mich auch.“ Das Gespräch war beendet. In diesem Augenblick trat Semir gerade an den Schreibtisch. Er hatte den letzten Worten von Andrea gelauscht. „Auf wen freust du dich?“ fragte er und sah Andrea dabei schief an. „Hast du schon wieder gelauscht, Semir? Das macht man nicht!“ gab Andrea zurück. „Komm schon, auf wen freust du dich? Hast du einen neuen Freund, von dem ich noch nicht weiß?“ „Spinner! Ich habe doch dich, da brauche ich keinen anderen. Nein damit es dich beruhigt. Das war Jana, meine Schwester. Sie kommt heute hierher.“ „Aha. Dann lerne ich sie ja endlich kennen. Wir könnten heute mit Tom und deiner Schwester ausgehen. Was hältst du davon?“ „Mal sehen. Jana ist gerade in einer Krise drin. Die Scheidung von ihrem brutalen Mann läuft gerade. Und sie ist ziemlich fertig, weil der Typ es einfach nicht kapiert, dass die Ehe gescheitert ist. Deshalb kommt sie zu mir, damit sie Abstand gewinnt und von diesem Mann weg kommt. Sie zieht zu mir, bis sie was Eigenes gefunden hat. Kannst du dir vorstellen, eine Frau zu schlagen, nur weil das Essen nicht rechtzeitig auf dem Tisch steht, oder weil die Handtücher nicht in einer Richtung im Schrank liegen?“ Semir sah Andrea erstaunt an. „Wie…. Was? Natürlich nicht. Es gibt keinen Grund eine Frau zu schlagen. Das ist widerwärtig. Wie lange waren die den verheiratet?“ „Fast zwei Jahre. Zum Glück sind keine Kinder da.“ „Ja Gott sei Dank. Mit Kindern wäre es ja noch schwieriger. Und er hat sie wegen solchen Kleinigkeiten geschlagen?“ „Ja, Semir nur wegen solche Dinge. Einmal hat er sie derart zusammen geschlagen, dass sie fast drei Wochen im Krankenhaus lag. Und das nur, weil sie einem anderen Mann der sie nach dem Weg gefragt hatte, geantwortet hat. Uwe, ihr Mann ist vollkommen ausgerastet. Sie dürfe mit niemanden sprechen, schon gar nicht mit Männern.“ „Krank. Das ist absolut krank.“ Semir sah Andrea an und sie erwiderte den Blick. „Ich denke wir sollten auf jeden Fall heute Abend zu viert ausgehen. Vielleicht kommt deine Schwester dann ja auch auf andere Gedanken.“ meinte er. „Ich glaube du hast Recht. Aber was ist mit Tom. Hat er Zeit?“ fragte Andrea. „Ich werde ihn fragen. Sag dir gleich Bescheid.“ Semir gab Andrea einen Kuss und verschwand in seinem Büro, wo Tom am Schreibtisch über eine Akte brütete. „Tom? Was machst du heute Abend?“ fragte Semir. Tom drehte sich um und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich ziehe ich mir ein paar Videos rein und gehe dann schlafen. Warum fragst du?“ „Nun, ich hätte da etwas. Andreas Schwester kommt heute aus Hamburg her und na ja uns fehlt eine Begleitperson. Zu Dritt ausgehen ist irgendwie nicht okay.“ „Ist sie hübsch?“ fragte Tom. Semir zuckte nun mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich kenne sie noch nicht. Aber wenn sie nur halb so gut aussieht wie Andrea, wäre das doch auch was, oder?“ Tom grinste Semir an. „Ach ja, Tom. Die Schwester von Andrea kommt gleich hier her. Dann kannst du dir ja ein Bild machen.“ „Nun gut. Ich sage den Videoabend allein ab. Ich komme mit aber nur weil ich nicht will, dass du überfordert wirst. Zwei Frauen sind eindeutig zuviel für dich.“ Semir grinste nun auch. „Na das wird ein lustiger Abend.“
Tatjana war ungefähr 5 Km von der PAST entfernt, als ein alter gelber Mercedes neben ihr fuhr. Er hielt ihre Geschwindigkeit. Sie dachte noch, wieso fährt der nicht schneller. Sie drehte sich zu ihm und erschrak. Es war ihr Mann, Uwe, vor dem sie geflohen war, und die Scheidung eingereicht hatte. Wie hatte er sie so schnell gefunden. Sie war wieder da, die Angst, die sie versucht hatte zu unterdrücken. Sie achtete kurz auf den Verkehr und sah, das Hinweisschild auf die Polizeistation. Noch 1 Km. Sie setzte den Blinker und fuhr auf den Parkplatz der Station. Ihr Mann versuchte ebenfalls noch abzubiegen, doch zum Glück nahm der Verkehr nun zu, so dass er weiterfahren musste, so glaubte sie. Tatjana hielt auf dem Parkplatz vor der Station und atmete tief durch. Sie sah sich noch einmal um nur um sicher zu gehen, das Uwe tatsächlich nicht auf diesem Parkplatz steht. Er war nicht da. Sie stieg aus und ging auf die Tür zu. Auch hier drehte sie sich um, und dann sah sie, dass der gelbe Mercedes doch dort stand. Sie ging schnell in das Gebäude. Vor einem Schreibtisch saßen zwei Beamte. Der eine erhob sich und kam auf sie zu. „Guten Tag, Was kann ich für Sie tun?“ fragte dieser. Tatjana sah ihn an. „Ich möchte zu Frau Schäfer, bitte.“ „Einen Augenblick,“ und nach hinten rief er „Andrea! Hier ist Besuch für dich.“ Andrea sah auf. Ihre Augen fingen an zu glänzen. „JANA!“ Sie stand auf und lief auf die Besucherin zu. Tatjana lief ebenfalls zu ihr. Sie umarmten sich und Andrea merke, dass Tatjana zitterte. „Was ist denn?“ fragte Andrea sie. „Andy, er ist hier. Er ist hinter mir her. Jetzt steht er draußen auf dem Parkplatz mit seinem gelben Mercedes.“ „Uwe?“ fragte Andrea. Tatjana nickte. Andrea ging zum Fenster. Sie sah den gelben Mercedes direkt. „Dieter, Hotte, könntet ihr mir einen Gefallen tun?“ fragte sie in den Raum. „Was gibt es denn Andrea?“ fragte Hotte. „Kommt mal zum Fenster.“ Sie kamen. „Der gelbe Mercedes ist mit einem Mann besetzt. Es ist der Mann meiner Schwester Jana. Dieser Typ verfolgt sie, prügelt sie, sperrt sie ein und noch viele Dinge mehr. Deshalb ist sie geflohen. Hierher. Und nun ist der auch hier. Könnt ihr ihn man checken?“ „Na klar. Solche Kerle haben wir gefressen.“ Hotte und Dieter gingen auf den Parkplatz. Doch kaum waren sie fast auf Höhe des Mercedes, gab der Fahrer auf einmal Gas und verließ den Platz.
„Beruhige dich erst einmal.“ Andrea nahm Tatjana in den Arm. Tatjana konnte nicht anderes, sie weinte. „Andy, ich bin extra weit gefahren, und nun hat er mich schon gefunden. Was soll ich nur tun. Er hat mir gesagt, wenn ich mich scheiden lasse, dann wird er mich töten. Ich kenne ihn, er macht das wahr.“ „Das wird er nicht. Ich und meine Freunde werden auf dich aufpassen.“ Wie es immer passiert kamen Tom und Semir gerade ins Büro. „Und da sind zwei meiner besten Freunde. Jungs, das ist meine Schwester Jana.“ stellte Andrea Tatjana vor. „Andy bitte, ich habe total verheulte Augen.“ sagte Jana verlegen. „Ach quatsch. Semir und Tom. Die besten Freunde und größten Chaoten der Autobahn.“ Tom und Semir sahen sie an und begrüßten Jana dann lachend. „Glauben Sie ihrer Schwester nichts. Wir sind die nettesten Typen der Autobahn“ Tatjana konnte nun auch lachen. Sie reichte den beiden die Hand. Allerdings hielt Tom ihre Hand länger fest. Er sah sie an. „Hey Tom, lass mal wieder los.“ sagte Andrea lachend. „Darf man den Grund erfahren, warum es hier Tränen gibt“ fragte Semir in seiner unbeschwerten Art. Andrea sah ihn an und nickte dann „Ihr Mann, von dem ich ja schon erzählt habe, ist ihr bis hier gefolgt. Er hat sie bedroht. Mit dem Tod, wenn sie die Scheidung durchzieht.“ Tom sah Andrea erstaunt an. Anscheinend hatte Semir ihm nicht alles erzählt. Er sah Tatjana an und musterte die Frau. Sie hatte blaue Augen, schwarze stufig geschnittene Haare, ein markantes Gesicht mit einem leicht gebräunten Teint. Eine sehr schöne Frau. „Warum verfolgt?“ fragte er. „Das erzähle ich dir im Büro.“ Semir zog ihn am Ärmel. Sie gingen beide ins Büro. Semir schloss die Tür. „Hey die ist auch nicht schlecht, was.“ stellte Semir fest. Tom nickte. „Also was hat das mit ihrem Mann auf sich?“ fragte er. „Ihr Mann ist ein brutales Schwein. Er schlägt sie, wenn das Essen nicht fertig ist, oder die Wäsche falsch im Schrank liegt. Wenn sie mit fremden Männern spricht usw. Deshalb will sie sich scheiden lassen. Sie wohnt für diese Zeit bei Andrea, damit sie sich einwenig sicher fühlt.“ Tom sah ihn an. „Wie kann ein Mann so krank sein, und so ein schönes Geschöpf misshandeln?“ fragte er in den Raum. Semir sah ihn erstaunt an. Solche Worte von Tom zu hören, konnte nur eins bedeuten. Tom war verliebt. „Moment Mal, Tom. Noch ist sie verheiratet.“ „Ach na und. Anscheinend ist ihr Mann ein Schwein und Arschloch. So eine Frau hat etwas anderes verdient. Und heute Abend werde ich sie von diesem Typen ablenken. Sie wird gar nicht mehr an ihn denken.“ Semir grinste. Tom ist tatsächlich verliebt. Er hat anscheinend den gleichen Geschmack wie Semir. Und die beiden Schwestern sahen sich sehr ähnlich. Außer der Haarfarbe.
„So, da wären wir,“ sagte Andrea als sie nach Feierabend mit Tatjana nach Hause gefahren ist. „Schön hast du es.“ meinte Tatjana als sie die Wohnung betraten. „Bist du nun mit Semir zusammen, oder nicht?“ fragte sie ihre Schwester. Andrea wiegte den Kopf. „Mal ja, mal nein. Ich weiß es nicht so genau. Er ist ziemlich schwierig. Aber das auf eine so liebevolle Art, das es immer wieder zwischen uns funkt. Im Augenblick arbeiten wir mal wieder daran, zusammen zu kommen. Übrigens wir gehen heute Abend aus.“ Tatjana machte große Augen, Andrea merkte sofort, dass sie Angst bekam. „Wir, das heißt Semir, Tom, du und ich. Du wirst nicht allein sein. Glaube mir, die beiden Jungs passen so gut auf dich auf, das keiner an dich rankommt.“ versprach Andrea. Aus ihrer Stimme klang Zuversicht. Doch auf einem Mal schwang sie in Erinnerung. Wenn sie heute ihre Schwester so anschaute, konnte sie nicht glauben, dass die Frau vor ihr das vor Lebenslust und Freude sprühende Mädchen aus ihren Kindertagen war. „Hey. Schwesterlein. Du musst keine Angst haben. Uwe wird dir nichts tun. Und wenn ich arbeiten gehe, werde ich sehen, dass ich jemanden habe, der auf dich aufpasst. Okay? Ich spreche mit meiner Chefin. Sie wird sicher Hilfe wissen.“ Tatjana nickte. „Und morgen kommst du einfach noch einmal mit aufs Revier.“ bestimmte Andrea. Auch nun nickte Tatjana. Sie war es nicht mehr gewohnt Widerworte zu geben.
Gegen 19.00 Uhr kamen Semir und Tom um die beiden Frauen abzuholen. Andrea und Tatjana sahen einfach umwerfend aus. Tom hielt den Frauen die Wagentür auf und sie stiegen ein. Es ging zunächst ins Kino, dann zum Essen in ein Restaurant. Es war ein sehr schöner Abend und Tatjana wünschte sich, dass ihr Leben nun wieder in geordnete Bahnen gelenkt wird. Ohne Gewalt. Mit einem Mann der sie wirklich liebt. Sie sah dabei Tom an. Dann erwischte sie sich bei dem Gedanken, dass dieser Tom, eigentlich der richtige Mann sei. Er sah sehr gut aus. Und wenn er lachte, war es ansteckend. Sie merkte dass sie in seiner Gegenwart, ihre Angst und ihre Sorgen vergessen konnte. In seiner Nähe fühlte sie sich wohl. Tom sah sie ebenfalls an. Andrea und Semir tanzten gerade. „Frau Berger,….“ „Nennen Sie mich Jana, und ich glaube wir sollten auch Du sagen, Tom.“ „Nun gut. Jana. Ja, Semir hat mir von ihren, ähhh… deinen Problemen erzählt. Na ja, ich finde es stark und mutig von dir, das du dich trennen willst, von diesem …..“ „….Schwein, meinst du, Tom. Nein das ist nicht mutig. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass ich den größten Fehler mache, wenn ich mich Scheiden lasse. So gerne ich wieder leben will. Aber wenn die Scheidung vollzogen ist, dann bin ich …. Nein ich bin schon jetzt in großer Gefahr. Mein Mann hat mich bis zum Revier verfolgt. Ich wette er ist auch schon dahinter gekommen, das ich mit meiner Schwester, dir und Semir ausgegangen bin. Ich würde mich nicht wundern, wenn er auf einmal an den Tisch kommt und mich vor dir und den anderen Gästen zusammenschlägt.“ „Das wird er bestimmt nicht.“ sagte Tom. Sie tranken Brüderschaft und küssten sich. Andrea und Semir kamen zurück an den Tisch. Sie sahen die beiden an und dann sich. „Ist hier irgend-etwas passiert, was ich wissen sollte?“ fragte Andrea und schaute von ihrer Schwester zu Tom. „Wir haben Brüderschaft getrunken und den Bruderkuss…“ versuchte Tatjana zu erklären. „Das mit dem Kuss habe ich gesehen“, lachte Andrea. „Dann sollten wir aber auch, Bruderschaft trinken“ meinte Semir. Andrea sah ihn an. „Sicher, warum nicht.“ meinte Tatjana und füllte die Gläser, als sie plötzlich innehielt. Ein Mann kam auf sie zu. „Da…. Ist….er“ stammelte sie. Tom drehte sich um. „Wo?“ fragte er. Auch Andrea und Semir sahen sich sofort um. Tatjana zitterte am ganzen Körper.
Da trat auch schon ein Unbekannter an den Tisch. „Hallo Jana, meine Liebe. Hättest du die Güte nun mit mir nach Hause zu kommen.“ Andrea stellte sich sofort vor Tatjana. „Uwe, mein lieber netter Schwager. Du solltest besser sofort verschwinden.“ „Willst du Schlampe mir irgendwelche Vorschriften machen?“ fragte Uwe. Doch nun hatte er auch Tom und Semir entdeckt. Auch sie stellten sich nun so, dass er nicht an Tatjana rankam. „Meine Herren, ich glaube Sie haben mit dieser Sache nichts zu tun. Ich werde meine Frau nun mitnehmen!“ bestimmte Uwe. „Das glaube ich weniger! Sie werden nun dieses Restaurant verlassen, allein!“ sagte Tom bestimmend. Semir nickte zustimmend. Uwe sah die beiden an. Der Blick der beiden verriet ihm, dass es besser ist, sich davon zu machen. Doch bevor er ging sagte er noch zu Tatjana: „Glaube ja nicht, das die beiden dich ständig beschützen können. Auch deine Schwester nicht. Ich bekomme dich und dann kannst du dich auf eine gehörige Prügel gefasst machen. Ich kann mit dir machen, was ich will. Du gehörst mir. Vergiss das nicht!!!“ Er ging. Tom und Semir sahen sich an. Dann wanderte ihr Blick zu Tatjana. Sie weinte und Andrea hielt ihre Schwester im Arm. „Tja, soweit der Abend. Wir sollten besser fahren.“ meinte Semir. Tom nickte zustimmend und auch die Frauen waren dafür. Sie stiegen alle ins Auto und fuhren zu Andrea. „Ich halte es für keine gute Idee, dass ihr beiden alleine bleibt. Dieser Typ weiß mit Sicherheit, wo du wohnst, Andrea. Wir also Tom und ich sollten bei euch bleiben. Wir könnten im Wohnzimmer schlafen.“ Andrea sah von einem zum anderen. Sie konnte dem nur zustimmen, denn dieser Uwe war gefährlich. Ihre Schwester war ein wahres Nervenbündel. Sicher würde sie sich wohler fühlen, wenn die beiden bei ihr sind. „Gut. Ihr werdet heute Abend auf uns aufpassen. Und morgen werde ich mit Tatjana bei den Kollegen eine Anzeige aufgeben. Es geht doch nicht, dass dieser Mistkerl Jana so drohen kann. Und wir sind Zeugen, das er es getan hat.“ Semir und Tom nickten.
Am nächsten Morgen fuhren alle vier gemeinsam zum Revier. Tatjana und Andrea gaben ihre Anzeige auf. Doch die Kollegen meinten, dass es nicht einfach sein wird, Tatjana den ganzen Tag zu schützen. „So und nun gehen wir zur Chefin. Vielleicht weiß sie Rat.“ meinte Andrea und zog Jana mit zu Frau Engelhardt. Sie telefonierte gerade als die Frauen eintraten. Das Gespräch dauerte nur kurz und als sie auflegte sagte sie: „Hallo, Frau Berger. Fein dass ich Sie auch kennen lernen kann. Wie gefällt es Ihnen in Köln?“ „Danke, Köln ist eine schöne Stadt. Schade nur, das ich es nicht genießen kann.“ „Warum denn nicht?“ Andrea erklärte kurz warum ihre Schwester bei ihr war und was gestern vorgefallen war. „Ich glaube unsere Möglichkeiten, das er hier nicht an Sie rankommt ist sehr groß. Ich kann zwar nicht direkt einen Mann zum Schutz abstellen, aber ich denke Semir und Tom werden auf Sie ein Auge haben. Und so lange Sie hier sind, können Sie mit Andrea jeden Tag herkommen. Ich habe nichts dagegen. Was machen Sie den beruflich, wenn ich fragen darf?“ „Ich bin … nichts.“ sagte Tatjana. „Sie hat mal als Physiotherapeutin gearbeitet, aber das war vor der Hochzeit.“ sagte Andrea Frau Engelhardt nickte. Sie sah bedenklich auf Tatjana. „Nun, ich denke, Sie könnten sich hier in der Kantine vielleicht einwenig nützlich machen, wenn Sie wollen?“ „Gern.“ Sie rief Hotte rein. Er kam und sie sagte ihm, er sollte Tatjana in die Kantine bringen. Er nickte und nahm Tatjana mit. Andrea wollte gerade das Büro der Chefin verlassen, als Frau Engelhardt sie zurück rief. „Andrea, Ihre Schwester ist in einer sehr kritischen seelischen Verfassung. Sie braucht dringend professionelle Hilfe.“ „Ich weiß, Chefin. Aber solange die Scheidung nicht durch ist, wird es nichts helfen. Die Scheidung steht für nächste Woche an. Ich werde sie bis dahin nicht allein lassen. Und ich glaube, Tom auch nicht.“ „Tom? Was hat Tom denn damit zu tun?“ wollte die Chefin wissen. „Ich glaube Tom hat sich in meine Schwester verliebt.“ meinte Andrea
„ Na dann ist sie ja in guten Händen.“ meinte die Chefin nur.
Die nächsten Tage verliefen ohne Vorkommnisse. Tatjana und Andrea waren jeden Tag im Revier und der Scheidungstermin rückte immer näher. Das neue Arbeitsfeld gefiel Tatjana immer mehr, und sie wurde wieder selbstsicherer. Das fiel sofort auf. Auch die Beziehung zu Tom wurde immer intensiver. Tom brachte Blumen mit, ging mit ihr aus, wenn er Zeit hatte. Die Freizeit verbrachten die beiden immer zusammen. Andrea merkte wie ihre Schwester auflebte und freute sich für sie. Dann war der Tag der Scheidung da. Tatjana musste ihrem Mann entgegentreten. Andrea hatte an diesem Tag frei um ihre Schwester beizustehen. Es sollte eine Härtefallscheidung geben. So forderte es der Anwalt von Tatjana. Sie musste vor Gericht schildern, was ihr Mann ihr antat bzw. angetan hatte. Es lagen etliche Gutachten über die Verletzungen der Vergangenheit vor. Und für die Drohungen der vergangenen Zeiten waren Semir, Tom und Andrea als Zeugen geladen. Nach einer kurzen Beratung hielt auch der Richter eine Härtefallscheidung für notwendig. Als die Verhandlung zu Ende war, merkte man Tatjana die Erleichterung an. Sie sprang Tom regelrecht in die Arme und küsste ihn. Auch Tom drückte sie fest an sich. Doch dann kam der Exmann an die beiden ran getreten. „ Gut, du hast es getan. Aber damit wirst du mich nicht los sein. Dein neuer Stecher hier, wird dich nicht schützen können. Keiner nimmt dich mir weg.“ Nun war Tom es, der das Wort ergriff: „Pass mal auf du Arsch. Wenn du nicht sofort die Finger von meiner Freundin lässt, wirst du mich kennen lernen. Klar!“ Uwe sah ihn an. Er war es gar nicht gewohnt, dass ihm einer widersprach. Bisher hatte er die Oberhand. Doch er verließ das Gebäude. Tom nahm Tatjana in den Arm und beide verließen vor Andrea und Semir das Gebäude. Die beiden kamen erst fünf Minuten danach. „Was machst du denn nun, mit deiner neuen Freiheit?“ wollte Semir wissen, als sie zum Essen im Restaurant zusammen saßen. „Als erstes werde ich meinen Mädchennamen wieder annehmen. Mit den Titel Berger will ich endgültig abschließen.“ sagte Tatjana voller Überzeugung. „Na Toll, zwei Schäfer im Revier“, lachte Semir. Alle glaubten, dass der Alptraum zu Ende war. Besonders für Tatjana. Doch das war ein Trugschluss.
Schon am nächsten Tag, ging der Terror los. Ständig klingelte das Telefon von Tatjana. Sie bekam Drohbriefe und jeder konnte sich denken von wem diese waren. Andrea kam in die Kantine und bestellte das Essen. Dann winkte sie ihre Schwester zu sich ran. Für Tatjana hatte ein neues Leben angefangen. Sie war in der Kantinenbesetzung der Polizeistation bereits fest integriert. Sie fühlte sich sehr wohl. Alle waren sehr nett zu ihr. Doch am meisten freute sie sich, wenn Tom zu ihr kam. Er war so aufmerksam und fürsorglich. Wie können Männer nur so unterschiedlich sein. Ihre Gedanken schweiften in ihre Ehe und den in dieser Zeit vorgekommenen Misshandlungen. „Jana?“ rief sie ihre Kollegin aus ihren Gedanken. „Ja?“ „Kennst du den Mann, der eben rein gekommen ist?“ fragte Lisa. Tatjana sah auf und erschrak. „Verdammt. Wie kommt der denn hier her“ sagte sie und schaute ihre Kollegin an. „Lisa, das ist mein Exmann.“ Lisa erschrak nun auch. Sie hatte von Tatjana bereits schon gehört, wie der Exmann sie drangsaliert hat. „Ich hole Hilfe. Versteck dich in der Küche. An Fritz kommt er nicht vorbei.“ Tatjana nickte und lief in die Küche. Fritz war der Koch. Er war ein Bär von Mann. Doch so stark wie er aussah, so rücksichtsvoll war er auch. Tatjana hatte am Anfang mal allen von ihrer Höllischen Ehe erzählt und dieser Fritz hat fast geweint. „Fritz! Bitte hilf mir, mein Exmann ist in der Kantine und sucht mich.“ rief sie verzweifelt. Die Tränen liefen wieder. Fritz schaute kurz hoch und kam direkt auf sie zu. „Kleines. Nur keine Angst. Hier hat er keine Chance. Max, Paul sie braucht uns.“ sagte er nur und schon kamen die beiden anderen Köche ebenfalls nach vorn. In diesem Augenblick trat Uwe in die Küche. Die Männer hatten einen Schutzkreis um Tatjana gebildet. „Sie haben hier nichts zu suchen. Verlassen Sie sofort die Küche!“ brüllte Fritz Uwe an. Der sah, dass seine Exfrau im Kreis stand. „Los du Schlampe. Komm raus!“ brüllte er. Er sah sehr wohl, dass jeder der Köche anscheinend ihm körperlich überlegen war, doch in seinem Hass war er uneinsichtig.
„Tom!!!“ schrie Lisa, als sie die Tür zum Büro von Tom und Semir aufstieß. „Jana, ihr Ex ist hier in der Kantine. Er will sie holen. Komm Bitte!!!“ Tom sprang vom Stuhl auf und auch Semir war sofort auf den Beinen. Sie rannten in die Kantine. Als sie dort ankamen, lag Uwe bereits am Boden. Er hatte ein Messer in der Brust. Tom kniete sich zu ihm runter und fühlte den Puls. Dann sah er zu den Männern, die um ihn herumstanden, und schüttelte den Kopf. „Wer…?“ fragte er nur. Fritz sah ihn an und zeigte mit dem Kopf auf Jana. „Sie wollte an uns vorbeirennen, doch er hatte sie an den Haaren, bevor wir eingreifen konnten. Sie griff nach einem Messer, was dort lag und stach zu. Tom! Es war Notwehr, wirklich. Sie war in Panik.“ Semir und Tom sahen sich an. Tatjana kam auf sie zu. „Ich…. Ich habe …. mich nur gewehrt. Das müsst ihr mir glauben. Er wollte mich umbringen.“ weinte sie. Tom erhob sich und nahm Tatjana in den Arm um sie zu trösten. Semir griff nach seinem Handy und rief die Spurensicherung. Er musste diesen Fall so behandeln wie jeden anderen.
Andrea rannte, als sie hörte, was sich in der Kantine abgespielt hatte direkt hin. Sie sah, das ihre Schwester, die verhört wurde. Sie ging direkt hin. „Jana, bist du okay?“ fragte sie und sah ihre Schwester besorgt an. Jana nickte. „Ich ….. habe… ihn getötet, Andy. Ich habe….“ versuchte sie sich zu erklären. Andrea nahm sie in den Arm. „Scht. Schon gut. Ich helfe dir.“ Sie sah zu Tom und Semir. Die beiden kamen zu ihr. „Und nun?“ fragte sie. „Andrea… du weißt doch wie wir handeln müssen. Wir müssten Jana eigentlich verhaften. Es war….“ sagte Semir. Andrea nickte. Sicher, die beiden mussten ihren Job erledigen. Nun kam auch Frau Engelhardt zum Ort des Geschehens. „Was ist hier passiert?“ fragte sie. „Meine Schwester hat ihren Mann in Notwehr getötet.“ sagte Andrea. „Chefin, es war sicher Notwehr. Das sagen die Zeugen eindeutig aus. Er hat versucht, sie hier rauszuholen, sie an den Haaren gezerrt. Vor Angst hat sie ein Messer gegriffen, und zu gestochen. Sie traf genau ins Herz. Er war sofort tot.“ erklärte Semir, der die Zeugenaussagen aufgenommen hatte. „Nun, dann sollte alles klar sein. Aber ihr wisst, dass wir den offiziellen Weg gehen müssen. Es gab ein Tötungsdelikt, es gibt eine Täterin und so leid es mir tut, wir müssen sie verhaften.“ Andrea nickte. Tom kam nun auch mit Jana zu den anderen. Jana war aufgelöst. „Bin ich verhaftet…?“ fragte sie schluchzend. Andrea nickte. „Aber du musst keine Angst haben. Es wird sicher nicht lange dauern. Die Zeugen sagen eindeutig, dass es Notwehr war. Also Kopf hoch, Jana.“ versuchte Andrea ihre Schwester zu beruhigen. Doch so ganz gelang es ihr nicht. „Ich werde den Fall beschleunigen. Die Anhörung sollte spätestens morgen sein. Und da ich weiß wo Sie sind, werden Sie nicht eingesperrt, Tatjana. Sie dürfen die Stadt nicht verlassen. Andrea, Semir und Tom. Sie werden mir dafür garantieren!“ sagte Frau Engelhardt. Die drei nickten dankbar. Jeder hier fühlte mit Jana. Sie war ein Opfer der Gewalt.
Schon zwei Tage später war die Anhörung. Jana wurde von Tom zum Haftrichter geführt. Richter Berger, trug den gleichen Namen wie ihr Exmann, Uwe Berger. Er sah die Akten an und sagte dann zu Jana: „Schildern Sie bitte den Vorgang, Frau Berger.“ „Schäfer… mein Name ist Schäfer, Herr Richter.“ berichtigte Jana, und dann weiter:“ Ich hatte meine Arbeit an diesem Morgen ganz normal aufgenommen. Gegen 10. 00 Uhr machte meine Kollegin Lisa mich darauf aufmerksam, das ein ihr fremder Mann die Kantine betreten hatte. Ich sah ihn an und erkannte meinen Exmann, Uwe Berger. Lisa rannte los und holte Hilfe, während ich zu meinen Kollegen in die Küche flüchtete. Meine Kollegen in der Küche versuchten mir zu helfen, doch es war einfach nicht möglich. Ich bekam Angst und wollte raus rennen. Allerdings kam ich zu sehr in die Nähe von meinem Ex. Er griff in meine Haare und wollte mich daran aus der Küche zerren. Wissen Sie, er war schon immer sehr brutal, deshalb habe ich mich scheiden lassen. Aber damit fing die Hölle erst an. Er stellte mir nach, schrieb E-Mails, Drohbriefe, terrorisierte mich mit Anrufen und bedrohte mich im Restaurant vor meinen Freunden. Ich geriet in Panik in der Küche. Links von mir lag ein Messer. Ich griff es und dann….stieß… ich zu.“ Der Richter sah sie an. „Frau … Schäfer, ich habe die Akte vom Familiengericht hinzu gezogen. Dort sind die Taten meines Namensvetters verzeichnet. Danach sind Sie bereits mehrere Male von ihm krankenhausreif geprügelt worden. Allerdings, sind Sie immer wieder zu ihm zurückgegangen. Warum haben Sie sich nicht schon vorher von ihm getrennt?“ „Ich hatte die Kraft dazu nicht. Doch hier in Köln, habe ich Freunde gefunden, die mich und nicht ihn unterstützt haben. Das gab mir die Kraft, die Scheidung hier durch zu führen. Doch er hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen. Ich habe mich doch nur gewehrt.“ Der Richter sah sie mitleidig an. Dann wurde sie raus geführt und die Zeugen wurden vernommen. Alle bestätigten die Aussage von Jana und so blieb dem Haftrichter nichts anderes übrig, als Jana von den Tatvorwürfen des Mordes freizusprechen und als sie wieder rein geführt wurde sagte er: „Frau Schäfer, laut den Zeugenaussagen waren Sie in einer Notsituation. Auch die Staatsanwaltschaft kommt zu dem Schluss, dass Sie in Notwehr gehandelt haben. Selbst wenn Sie vielleicht mit dem Messer gezielt das Herz getroffen haben, so kann Ihre die Schuld nicht erkannt werden. Deshalb kommen die Staatsanwaltschaft und ich zu dem Urteil, dass Sie rein aus Selbstschutz gehandelt haben. Sie sind freigesprochen.“ Jana liefen Tränen der Erleichterung über die Wangen. Tom nahm sie in den Arm und auch Semir und Andrea kamen auf sie zu. „Nun ist das Kapitel endgültig abgeschlos-sen.“ sagte Semir. Dem konnten alle nur zustimmen.
Die Beerdigung fand in Hamburg statt. Für Jana jedenfalls war dies die Möglichkeit mit der Familie Berger zu brechen. Sie fuhr in Begleitung von Tom, Semir und Andrea hin. Als sie am Grab stand, wurde sie von den Familienmitgliedern kühl begrüßt. Die Mutter von Uwe trat an sie heran und sagte: „Mein Kind. Jana wenn du nur etwas gesagt hättest. Ich wusste nicht, dass du genauso leiden musstest wie ich. Doch im Gegensatz zu dir, hatte ich nie den Mut dagegen etwas zu tun. Ich hatte so gehofft, dass Uwe anders ist, als sein Vater. Aber anscheinend war er noch schlimmer. Was musstest du für eine Hölle durchleben. Aber du sollst wissen, dass du immer zu mir kommen kannst. Ich verzeihe dir. Und eigentlich sind wir doch eine Familie. Seit dem Tod von Uwes Vater kann ich endlich wieder leben. Und das wünsche ich dir auch. Nur lass den Kontakt zwischen dir und mir nicht abbrechen.“ Jana umarmte ihre ehemalige Schwiegermutter. „Ich werde mich bestimmt bei dir melden. Nur lass mir bitte Zeit, diese Geschehenisse zu vergessen.“ Die Mutter nickte.
Nach der Beerdigung zog Tatjana ganz nach Köln. Sie fand eine Wohnung und auch einen Job in ihrem Beruf. Ihre Beziehung mit Tom hielt an. An einem Abend, als sie wieder einmal mit Semir, Andrea und Tom ausging, sah man ihr die Strapazen der Vergangenheit nicht mehr an. Sie war wieder das Mädchen, das Andrea aus der Kinderzeit kannte. Lebenslustig, froh und selbstsicher. Andrea nahm die Veränderung ihrer Schwester schnell war. Jana ging eine Zeit lang zum Therapeuten. Dieser half zumindest die seelischen Wunden zu heilen. Alles andere wird mit der Zeit vergehen. Andrea sah zu Tom und auch er war sehr glücklich. Er und Jana passten gut zusammen. Und es würde sie nicht wundern, wenn es etwas Ernsteres wäre. Sie hatte Jana noch nie so glücklich gesehen, wie in diesem Augenblick.
Ende