Hallo zusammen!
Obwohl Elvira mich schon vor Wochen ermutigt hatte, habe ich erst jetzt den Mut meine Geschichte einzustellen. Der Schluss ist noch nicht ganz fertig (schreibe ihn bereits das dritte Mal um), hoffe aber, das ich durch den Zugzwang endlich mal in die Pötte komme.
Ich hoffe, sie gefällt Euch und über ehrliche Meinungen wäre ich sehr dankbar!
Kleiner Hinweis: Die Geschichte spielt noch vor "Nemesis"!
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Angst und Vertrauen
Roman Gehlen saß in seiner Zelle der JVA und nach außen wirkte er ruhig und gelassen. Doch in seinem Innern tobte es schon seit Wochen. Dem anfänglichen Schock über den Tod seinens Sohnes waren die Gefühle von Wut und Hass sowie das unstillbare Verlangen nach Rache gewichen.
Ihm war längst klar, das er nicht mehr aus dem Gefängnis raus kam. In seinem Kopf drehte sich deshalb alles nur noch um den Gedanken an Rache! Er wollte die Mörder seines Sohnes leiden sehen. Koste es was es wolle! Was machten da schon ein paar Jahre Knast mehr!
Er sprach wenig mit den anderen Häftlingen und noch weniger mit den Wärtern. Er behandelte sie alle mit seiner ihm typischen Mischung aus Verachtung und arroganter Selbstherrlichkeit.
So kam es, dass die einzige Gelegenheit, bei der er seit Wochen mehr als einen Satz sprach, war, als ihn sein Anwalt Kurt Janzen wieder mal besuchte. Ihm gab er gleich zu Anfang zu verstehen, was er von ihm verlangte.
Er hatte genügend Kontakte in der Unterwelt, die ihm noch was schuldeten und er ließ keinen Zweifel daran, dass er jeden, der ihm nicht half, mit in dieses Dreckloch ziehen würde, in dem er saß.
So verbreitete sich die Nachricht schnell: Schadet den beiden Polizisten nachhaltig, bringt Gehlen Beweise das sie leiden.... ansonsten tötet sie!
Jetzt wartete Roman Gehlen geduldig darauf, das seine Rache ausgeführt wurde....
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Semir saß gedankenverloren an seinem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster. Obwohl auf dem Parkplatz der PAST reges Treiben herrschte, nahm er davon nichts wahr. Wie so oft in letzter Zeit kreisten seine Gedanken immer wieder um das selbe Thema: Er vermisste Tom!
Die schrecklichen Ereignisse um seinen Tod lagen bereits Wochen zurück und noch immer hatte er diesen tiefen Schmerz in sich. Und erst jetzt, im nachhinein, wurde ihm bewusst, wie tief seine Freundschaft zu Tom gewesen war. Er vermisste seinen Humor, seine notorische Unpünktlichkeit, seine chaotische Art mit den Berichten umzugehen ... aber am meisten das Gefühl von Sicherheit, wenn er mit ihm unterwegs war.
Oft genug hatten sie sich gegenseitig aus brenzligen Situationen rausgeholt und es hatte nie einen Zweifel gegeben, das der einen den anderen im Stich lassen könnte. Undenkbar!
Und doch war es passiert und er mußte damit fertig werden.
Am meisten vermisste Semir die Gespräche, die sie oft stundenlang miteinander geführt hatten. Gespräche, in denen sie sich - fast - alles erzählten: ihre Erlebnisse, Familien- und Freundinnengeschichten und manchmal auch ihre Ängste.
Vor einigen Tagen hatte sich Semir dabei ertappt, wie er an Tom’s Grab stehend, laut die neusten Story’s von der Autobahn erzählte. Erst das Räuspern einer alten Dame am Nachbargrab hatte ihn bewusst werden lassen, was er getan hatte.
Jetzt war alles anders....
Auf der PAST war inzwischen der Alltag zurückgekehrt und er versuchte mit seinem neuen Partner Chris warm zu werden.
Wobei er ja zugeben musste, das sich Chris in beruflicher Hinsicht nach einigen Anpassungsschwierigkeiten gut gemacht hatte. Und er war sich sicher, das Chris ihm auf dieser beruflichen Basis vertraute. Schließlich hatte er sich an ihn gewandt, als er im Fall Gehlen nicht mehr weiter wusste. Und wieso sonst hätte er Kopf und Kragen riskieren sollen, um sich kopfüber aus einem Helikopter zu hängen, damit er ihn aus dem Wasser ziehen konnte?
Aber für Semir bedeutete eine gute Zusammenarbeit mehr! Mal ein Bier miteinander trinken, gemeinsam über die Schoten von Hotte und Bonrath zu lachen... und ein bisschen auch das Private.
Doch was das anging ließ Chris niemanden an sich heran! Fragen in der Richtung ließ er unbeantwortet oder lenkte schnell vom Thema ab. Andrea hatte gemeint, er solle ihm mehr Zeit geben. Inzwischen hatte er es jedoch aufgegeben.
Nach einigen Minuten blinzelte er heftig, um sich in die Realität zurück zu holen. Dabei fiel sein Blick auf ein Foto, welches auf seinem Schreibtisch neben dem von seiner Frau Andrea und seiner Tochter Aida stand. Mit einem Seufzer nahm er es in die Hand und betrachtete es.
Darauf waren er und Tom zu sehen, wie sie lachend bei Hartmut’s letzter Geburtstagsfeier mit einem Bier anstoßen. Hotte hatte es geschossen und es ihnen später mit den Worten: „Ihr seid wirklich ein Taumpaar!“ überreicht. In Erinnerung an diese Aussage strich Semir sanft mit seinen Fingern über das Bild und murmelte leise: „Ja, das waren wir!“
Dann stellte er es mit einem leisen Lächeln wieder an seinen Platz und wandte sich schweren Herzens dem Papierkram zu.
Zur gleichen Zeit stand Chris in der kleinen Teeküche und holte neuen Kaffee. Susanne, die gerade Pause machte, schaute ihn von der Seite her an und fragte: „Na, Chris, alles klar?“
Chris verzog leicht das Gesicht, stieß einen gottergebenen Seufzer aus und stöhnte: „Diese verhassten Berichte bringen mich noch um! Ich habe gar nicht gewusst, auf was ich mich da einlasse. In meiner Zeit als verdeckter Ermittler habe ich meinem Chef Bernd Simon zwischendurch mal einen mündlichen Bericht abgegeben. Den Rest hat er dann erledigt.“
„Was? Du willst mir doch nicht erzählen, dass Du noch nie einen Bericht geschrieben hast?“ warf Susanne entrüstet ein.
„Doch, doch, das schon..... na ja......manchmal....... ab und zu..... Aber im Vergleich dazu ist das hier Schwerstarbeit!“ rechtfertigte sich Chris.
Susanne blickte ihn vorwurfsvoll an. „Außerdem vergisst Du immer die Unterschriften! Ich habe auf meinem Schreibtisch wieder drei Berichte liegen, die nicht korrekt sind. Ich reiche sie Dir gleich nach der Pause rein.“
Chris verdrehte die Augen und sagte mit einem schiefen Grinsen: „Lass Dir ruhig Zeit!“
Dann nahm er die beiden Tassen mit heißem Kaffee und wandte sich zum Gehen. Als er an der Tür angekam, blieb er kurz stehen und ließ seinen Blick durch die Räumlichkeiten der PAST streifen.
Da war es wieder - dieses komische Gefühl - welches er in den letzten zehn Jahren nur selten gespürt hatte: Geborgenheit!
In den letzten Wochen hatte er hier in diesen Räumen so viel Vertrautheit, Freundschaft und Loyalität unter den Kollegen erfahren, wie in den ganzen Jahren davor nicht zusammen.
Und doch fiel es ihm schwer sich dieser Vertrautheit zu öffnen. Die Mauer, die er in all den Jahren um sich aufgebaut hatte, ließ sich nicht so einfach niederreißen. Manchmal hatte er das Gefühl, selber hinter dieser Mauer gefangen zu sein.
Semir hatte in den ersten Tagen ihrer Partnerschaft oft versucht ihn auszufragen. Doch er hatte jeden Versuch abgeblockt. Noch immer hatte er Angst davor jemandem voll und ganz zu vertrauen.
Chris schaute in die Richtung, wo ihr gemeinsames Büro war. Durch die große Scheibe konnte er sehen, wie Semir gerade das Foto mit Tom wieder an seinen Platz stellte. Er wußte aus Gesprächen der Kollegen untereinander, wie nah sich die beiden gestanden hatten. Chris wußte auch, das Semir Tom stark vermisste und mit ihm, Chris, gern eine ähnlich intensive Partnerschft aufbauen würde. Doch er war noch nicht bereit dafür. Vielleicht mit der Zeit, aber jetzt nocht nicht.
Es tat Chris ein wenig weh Semir so zu sehen. Er mochte ihn und hätte gerne mehr ausser einer beruflichen Partnerschaft. Auch er sehnte sich nach echter Freundschaft.
Doch leider saßen manche Ängste tief – besonders die vor Verrat und Verletzbarkeit – die dieses verhinderten. Schmerzliche Erfahrungen kamen vor seinem geistigen Auge empor. Schnell dachte er an Bernd, um auf andere Gedanken zu kommen.
„Wenn Du mit dem Rücken zur Wand stehst, wag den Sprung ins kalte Wasser. Du kannst nichts verlieren, sondern nur gewinnen!“ hatte Bernd Simon ihm einmal in einer ausweglosen Situation gesagt.
‚Du hast ja recht, Bernd!’ dachte Chris bei sich. ‚In den nächsten Tagen werde ich es versuchen.’
Dann gab er sich einen Ruck und ging zu Semir, der über der Tastatur grübelte.
„Hier, Dein Kaffee!“ sagte Chris und stellte ihm die Tasse mit einem leichten Lächeln hin.
Semir schaute kurz auf und bedankte sich. Dann machten sich beide wieder schweigend an die Arbeit.