Kaum hatte sie geendet, drehte sie sich um und suchte mit ihren Augen Hartmut. Als sie ihn entdeckte, deutete sie auf ihn und ordnete Lothar an: „Holen Sie sofort Hartmut zu mir! Es ist mir egal, woran er gerade arbeitet. Sagen Sie ihm, das es äußerst wichtig ist!“
Augenblicklich sprintete Lothar los.
In Annas Kopf rasten die Gedanken und es fiel ihr wie Schuppen von den Augen!
Endlich ergab vieles einen Sinn:
Die Kidnapper,... die anscheinend gewusst hatten, das ihr Versteck entdeckt worden war,... die so plötzlich geflüchtet waren,... die von der versteckten Botschaft gewusst hatten...
Borchert,... der wusste, das sie seinen Namen herausgefunden hatten...
Der Anrufer,... der zu wissen schien, wann Chris Ritter da war oder nicht… der wusste, das sie versuchten ihn mit einer Fangschaltung zu orten… der wusste, das der Lautsprecher an war… der wusste, wo die CD lag…
Sie dachte an die vielen Informationen, die sie in den letzten zwei Tagen in ihrem Büro ausgetauscht und die die Verbrecher mitbekommen hatten.
Ihr fiel die Sache mit Volker Klein ein, der im Krankenhaus ermordet wurde. Hatten die Gangster durch sie erfahren, in welchem Krankenhaus er gelegen hatte und konnten deswegen so schnell reagieren?
Plötzlich ergaben die vielen kleinen Puzzlesteine ein Gesamtbild und es erschreckte sie. Sie wusste, dass sie sofort handeln mussten!
Doch wie konnten sie das tun, ohne zu verraten, das sie Bescheid wussten?
Es musste eine Möglichkeit geben, diesen Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln.
Hartmut kam angetrabt und sein besorgter Blick war auf die Chefin gerichtet.
„Was ist los?“ fragte er, kaum das er zum Stehen gekommen war. „Der Beamte meinte, es sei dringend!“
Anna nickte: „Wir haben ein Problem!“ und reichte ihm den Brief. „Unsere Dienststelle ist verwanzt!“
Hartmuts Augen wurden tellergroß und seine Kinnlade fiel nach unten, dann nahm er den Brief entgegen und begann ihn zu lesen.
Während er ihn sich durchlas, ging Anna nervös hin und her. Dabei knetete sie in Gedanken ihre Unterlippe und versuchte eine Lösung zu finden.
Kaum hatte Hartmut geendet, hob er mit offenem Mund den Kopf und sein erstaunter Blick ging zur Engelhardt, die noch immer gedankenverloren herum lief.
Als sie bemerkte, das er fertig war, sprach sie ihn sofort an: „Was sagen Sie als Experte dazu? Können wir irgend etwas dagegen unternehmen, ohne das es denjenigen, die dahinter stecken, auffällt?“
Hartmut dachte kurz nach, dann hellte sich seine Miene auf: „Zumindest die Wanzen scheinen laut der Beschreibung drahtlos zu sein. Das heißt, dass Signal muss irgend wohin gesendet werden. Wenn ich die Frequenz heraus bekomme, dann…“
„Sehen Sie denn eine Möglichkeit, herauszufinden, wohin das Signal gesendet wird?“ unterbrach Anna ihn ungeduldig.
„Klar!“ Hartmut war leicht beleidigt. Warum unterschätzten alle immer seine Fähigkeiten? Frequenzen herausfinden… Pah! Das war eine seiner leichtesten Übungen! „Ich brauche nur meine Spezialausrüstung und dann kann es losgehen.“
„Worauf warten Sie dann noch?“ Mit einer ungeduldigen Handbewegung bedeutete die Chefin ihm, das er sie holen solle.
Er schaute sie einen Moment verwirrt an und als er verstand, sagte er schnell: „Ich habe sie aber nicht hier. Die muss ich erst aus der KTU holen!“
Gottergeben stöhnte Anna auf: „Herrgott nochmal! Soviel Zeit haben wir aber nicht!“ Verzweifelt fuhr sie sich mit der rechten Hand durch die Haare. „Könnten Sie nicht einen Kollegen bitten, der Ihnen das benötigte Equipment zur PAST bringt?“
„Ja, sicher“, zuckte Hartmut leichthin mit den Schultern. „Das dürfte kein Problem sein. Die Ausrüstung befindet sich in einem Van, den wir immer für die Überwachung von…“
„Herr Freund!“ Annas zornige Stimme ließ ihn zusammenzucken.
Erschrocken blickte er sie an, dann machte sich auf seinem Gesicht peinliche Verlegenheit breit. Mit einem entschuldigenden Nuscheln zog Hartmut umständlich sein Handy hervor und rief in der KTU an. Er sprach mit einem seiner Mitarbeiter und nach einer Minute wandte er sich wieder der Engelhardt zu.
„Die Ausrüstung ist in einer guten halben Stunde da“, teilte er ihr eifrig mit.
„Gut!“ sagte Anna erleichtert. „Dann lassen sie uns zurück fahren, damit Sie gleich mit der Arbeit beginnen können, wenn Ihre Ausrüstung ankommt.“
Sie drehte sich auf dem Absatz um und wollte zu ihrem Auto gehen, als sie von Hartmut zurückgerufen wurde.
„Ähm..., Frau Engelhardt“, haspelte dieser, während er verlegen mir seiner rechten Hand über seine Schulter zeigte, „...wäre es nicht sinnvoll den Kollegen Bescheid zu geben? Ich meine, wenn die jetzt alle Informationen über Funk verbreiten, wissen es die Kidnapper doch auch, oder?“
Dankbar leuchtete Annas Gesicht auf: „Hartmut, Sie haben vollkommen Recht! Ich werde alles Nötige veranlassen.“
Während sie Lothar zu sich rief, ihm die Lage und die weitere Vorgehensweise erkärte, stand Hartmut mit stolz geschwellter Brust da und strahlte von einem Ohr zum anderen.