Tränen eines Sommers

Anna schloss die Augen, sie war erleichtert, dass er lebte, auch wenn sie Semir im Moment am liebsten erwürgen könnte.
Andrea saß leichenblass daneben.
"Machen Sie eine Pause..."
Andrea nickte nur und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu holen. Dort brach sie in Tränen aus.
Anna gab Bonrath und Herzberger Anweisung, den Wagen in die KTU bringen zu lassen und ging dann zu Andrea.
"Warum müssen die beiden immer in so etwas hineingeraten?" schluchzte sie. Anna sagte nichts, sondern nahm sie einfach nur in den Arm und reichte ihr nach einer Weile ein Taschentuch.

Am Unfallort wurde Semir langsam aus dem Wagen geschnitten. Alles schien normal, doch auf einmal bemerkten die beiden Beamten, dass die Sanitäter und der Notarzt unruhig wurden und mit allerlei Medikamenten aus dem Koffer rumhantierten und sich kurze Kommandos zuriefen...

Hotte und Bonrath wichen zurück und sahen hilflos mit an, wie Semir nun beatmet wurde und einen Zugang bekam.
"Wo belbt der Heli? Kümmern sie sich da mal drum, der muss hier auf der Bahn laden"

Arzt und Sanitäter hoben die Trage hoch und trugen sie vorsichtig den Hang hinauf auf die Standspur.

Schier eindlose Minuten später war der Heli endlich da und landete auf der abgesperrten Autobahn. Semir wurde in den Hubschrauber geschoben. Der Notzarzt hatte inzwischen mit der Klinik Kontakt aufgenommen und alles für einen Noteingriff vorbereiten lassen.
Während der Heli abhob, wurde Semir an ein EKG gehängt, die Kurve war schwach und unregelmäßig.
Hotte und Dieter standen wie erstarrt auf der Autobahn. Sie konnten immer noch nicht begreifen, was da gerade passiert war.
"Wie geht es ihm?"
Annas Stimme kam wie aus dem Nichts und riss alle Beteiligten aus der Starre.
"Sie bringen ihn ins Krankenhaus, sonst haben sie nichts gesagt."
"Der Notarzt meinte noch die Uniklinik", fügte Hotte hinzu.
Anna warf einen Blick die Böschung runter und entdeckte das Wrack. Mitarbeiter der KTU waren schon vor Ort. Anna schloss für eine Sekunde die Augen. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um, forderte Hotte und Dieter auf, in die Klinik zu fahren. Sie ahnte, dass hier Sabotage im Spiel war. Semir hatte sich zu weit aus dem Fenster gelehnt und das war die Quittung. Sie selber nahm den kürzesten Weg in die Uniklinik und klärte den die Klinikleitung über den Sachverhalt auf.

"So, eine Spur ist wieder frei...kümmert euch um den Rest, Jungs...und passt uns auf den Wagen auf..."
Siggi und sein Kollege nickten.
Auf dem Weg zum Porsche, fiel Dieter ein Mann auf dem Pannenstreifen auf.
"Schau mal, was macht denn der da?"
"Vielleicht braucht der Hilfe..."
"Kann er gerne haben." Dieter war verärgert. "Vermutlich wieder so ein Wüstlling von einem dieser Schundblätter."
Beide waren auf dem Weg zu ihm, als dieser eilig in sein Auto stieg, und im Rückwärtsgang davonbrauste und bei der nächsten Abfahrt verschwand.
"Hey, was soll denn das...na warte, diesmal habe ich das Kennzeichen."
Dieter rannte zum Porsche und gab über Funk das Kennzeichen und das Modell zur Fahndung raus.
"Los komm, lass uns zur Klinik fahren...ich habe da mit dem Typen so ein eigenartiges Gefühl...der war bestimmt nicht nur ein Reporter."
"Wie kommst Du darauf?" Dieter sah seinen Kollegen fragend an.
"Der hatte ein Fernglas statt einer Kamera...während Du auf das Kennzeichen geachtet hast, habe ich mir sein Gesicht gemerkt, vielleicht ist der ja in unserer Sammlung..." Hotte gab Gas und schlug den Weg in Richtung Klinik ein.

Semir wurde umgehend in den OP gebracht und dort behandelt.

Anna klärte auf der Fahrt mit Hartmut, dass der Wagen umgehend bis ins kleinste Detail untersucht werden mußte.
Vor dem OP erwischte sie eine Schwester"Ja, der ist bereits im OP. Das dauert mindestens 4 Stunden. Sie können so lange nch zu ihrem Kollegen gehen . Der hat bereits nach ihnen gefragt, sie sind doch Frau Engelhardt? "
Sie nickte.
"Dann habe ich das richtig verstanden. Ich meine Herrn Kranich. Der Stationsarzt hatte mir gesagt, dass sie sicher hier wären, als er von dem Unfall gehört hat"

Dieser Fall trieb sie mittlerweile in den Wahnsinn. Nun lagen beide Kommissare schwer verletzt in der Klinik. Und wie sie das jetzt auch noch Tom erklären sollte, das fragte sie sich auch.

Anna wollte ihren Gedanken noch zu Ende führen, wurde aber von einem energischen Klopfen an die Tür unterbrochen. Hotte und Bonrath steckten die Köpfe rein.
"Ähm, Chefin, wir müssten sie mal kurz sprechen...", begann Dieter.
"Schon gut, Bonrath, Tom weiß von dem Unfall..."
Die beiden Beamten betraten das Zimmer.
"Chefin, ich glaube, wir können den Täter identifizieren..."
Tom und Anna horchten auf, während Hotte und Dieter von dem Mann auf dem Pannenstreifen mit dem Fernglas erzählten.

"Na Alter, Du lässt wohl nichts aus, um frei zu haben..."
Er versuchte zu lächlen, doch in seinen Augen standen Tränen. Der Arzt bemerkte Toms Reaktion und meinte milde:
"Nicht nur Partner?"
Tom nickte. "Er ist so ziemlich der beste Freund, den man sich wünschen kann..."
"Herr Kranich, mir ist zu Ohren gekommen, was Sie und Ihre Kollegen vorhaben...nicht ganz ungefährlich und mir gefällt der Gedanke nicht unbedingt, dass die Polizei ihre Arbeit ins Krankenhaus verlegt, aber Sie können Sich meiner Unterstützung sicher sein."
Damit ließ der Arzt die beiden alleine.

Manuel saß Linus gegenüber. Dieser hätte am liebsten die Trennscheibe durchschlagen vor Wut, dass weder der eine noch der andere Bulle tot ist. Der Beamte hinter ihm rief ihn zur Räsion.
"Na ja, jetzt sind beider außer Gefecht, müsste ein leichtes Spiel sein. Daniel sagt, die Bewachung beschränkt sich auf einen Beamten vor dem Zimmer. Er ist sogar ohne Probleme bis auf die Station gekommen. Nicht einmal verkleiden musste er sich."
"Sag mal, so blöd ist doch keiner. Erst der missglückte Mordversuch auf den einen, dann der Unfall..."
"Nun mal langsam...so ein Typ hat doch Feinde...da sind Manipulationen nicht ausgeschlossen. Es gibt definitiv keine Verbindung zu Dir."
Linus trommelte mit den Fingern auf den Tisch: "Gut, Du und Dein Kumpel, ihr wisst, was zu tun ist..." Dann hängte er ein und ließ sich von dem Beamten zurück auf die Zelle führen.

Vor dem Gefängnis musste Manuel Gutmann erst einmal tief durchatmen. Er hatte Linus wohlweißlich verschwiegen, dass Daniel am Tatort gesehen wurde. Im Moment waren das aber Kleinigkeiten. Er wollte seinen Mandanten nicht noch mehr verärgern. Zu sehr wuste er um das Gewaltpotentzial von ihm. Daniel würde den Auftrag beenden und dann sich ins Ausland absetzen. Darin war er ein Meister. Und Linus hatte seine Rache.

Minuten später klingelte Annas Handy. Es war der Direktor der JVA Ossendorf, und er hatte Neuigkeiten für sie.
"Frau Engelhardt, einer der Vollzugsbeamten hat mir von einem Besuch für Brennmann erzählt. Sein Anwalt war da, und sie haben irgendetwas vor, aber genaueres konnte er mir nicht erzählen. Aber es war von Unfall und Mordversuch die Rede. Und Brennmann war äußerst wütend."
"Danke, das hat uns sehr geholfen. Wir bräuchten für eine eventuelle Aussage, den Namen des Vollzugsbeamten..."
"Klar, kein Problem Frau Engelhardt."
Nachdem Anna aufgelegt hatte, meinte sie zu ihren Beamten:
"Meine Herren...es geht los...ich informiere die Klinikleitung und Tom...Sie beziehen bitte Posten..."
Damit verließen die Polisten umgehend die Past in Richtung Klinik.

Nachdem die Schwestern ihn vom dem Schlauch befreit hatte, überprüfte sie noch einmal die Zugänge, und lächtelte ihm zu, bevor sie das Zimmer verließ.
Tom spielte den Beleidigten.
"Tja, vielleicht sollte ich auch mal mit dem Auto fliegen...scheint die Flirtchancen zu erhöhen."
"Das ist nicht witzig, da hat jemand rumgebastelt..." Semir verzog das Gesicht bei dem Versuch, sich etwas bequemer hinzulegen."
"Ja, ich weiß...Hotte den möglichen Täter am Unfallort gesehen...wir wollen ihm eine Falle stellen..."
"Super...wir sind ja auch die perfekten Köder." Semir guckte grimmig vor sich hin. Es gefiel ihm gar nicht, dass er hier im Bett liegen musste, während andere seinen Job machten.

Semir wusste, das Tom recht hatte und sie keine andere Möglichkeit hatten. Aber der Gedanke, hier zu liegen und sich wie in ein Köder in einer Riesenmausefalle zu sein, missfiel ihm.
Als es klopfte, zuckten beide zusammen, ihr Herz schlug ihnen bis zum Hals.
"Na meine Herren, wie geht es Ihnen?" Anna Engelhardt steckte den Kopf zur Tür hinein. "Es geht los, ich hoffe, Sie sind soweit..."

Daniel fuhr auf den Klinikparkplatz. Während er nach einem Stellplatz suchte, sah er sich nach auffälligen Fahrzeugen und Personen um. Schließlich stellte er seinen Wagen in der nähe des Haupteingangs ab und stieg aus. Daniel versuchte sich so unauffällig wie nur möglich zu verhalten.
Geheuer war ihm desser Frieden nicht. Normalerweise müssten die beiden Bullen mehr bewacht werden. Aber vielleicht haben ihn die beiden Typen auf der Autobahn auch gar nicht mit dem Unfall in Verbindung gebracht. Dann hätte er mehr Glück, als Verstand, dachte Daniel so bei sich und musste grinsen.
Er ging an der Pforte vorbei, lächelte kurz und ging dann weiter zu einem der Aufzüge.
Nachdem sich die Aufzugtür geschlossen hatte, blickte Andrea kurz auf das Phantombild und rief dann Anna an:
"Chefin, er ist im Lift..."

Daniel verließ den Aufzug. Kein Beamter auf der ganzen Station war zu erkennen. Er traute seinen Augen kaum und eine innere Stimme riet ihm dazu, abzuhauen. Er ging den Flur auf und ab, und tat so, als würde er ein Zimmer suchen. Dabei blickte er immer wieder suchend um sich. Nur ab und an erblickte er einen Pfleger und eine Schwester, die von Zimmer zu Zimmer gingen und Tee austeilten.
Dann entdeckte er einen uniformierten Beamten vor einer Tür Zeitung lesen. Daniel grinste. Noch nie hatte er sich mehr gefreut, einen Bullen zu sehen. Er ging direkt auf ihn zu und sprach ihn an:
"Hallo, Sie da, hören Sie, wie gut das Sie da sind..."
Der Beamte horchte auf. Als sich Daniel seiner Aufmerksamkeit sicher war, setzte er seine Schmierenrolle fort.
"Hören, da hinten, da ist ein Irrer, der hat eine Krankenschwester gerade in so eine Kammer gezerrt."
"Tut mir leid, ich kann hier nicht weg, ich rufe aber die Kollegen..."
"Hören Sie, das habe ich schon, aber das dauert doch immer, bitte, ich glaube, der will ihr etwas antun..."
Der Beamte sah in fragend an, dann gab er nach und ging mit Daniel mit. Im Vorbeigehen zwinkerte er der Schwester mit dem Getränkewagen zu.

In der Abstellkammer sah der Beamte sich um, doch ehe er reagieren konnte, spürte er einen dumpfen Schlag und alles wurde dunkel um ihn herum. Daniel fesselte und knebelte ihn und amüsierte sich dabei über die Dummheit der deutschen Polizei.
In einer Ecke hingen weiße Kittel. Die kamen ihm wie gerufen. Sollte es wirklich zu einem Tumult kommen, würde niemand so schnell einen Arzt aufhalten.
Er warf ihn sich über und verließ die Kammer. Daniel sah sich nach beiden Seiten um. Noch immer war es friedlich. Auf dem Stationszimmer unterhielten sich zwei Pfleger mit einer Schwester, eine andere teilte weiterhin Getränke aus während ein anderer Pfleger ein leeres Bett durch die Gänge schob. Er fühlte sich in Sicherheit und schlug mit selbstbewussten Gang den Weg in Richtung von Toms und Semirs Zimmer ein.

Die Hände hatte er beide in den taschen des Kittels verborgen, nervös mit den Fingern in der einen das Messer fühlend, in der anderen Pfefferspray.
Sollte es jemand wagen sich ihm n den Weg zu stellen, würde er schon sehen, was er davon hatte.

Niemand auf dem Flur schenkte ihm weiter Beachtung.....dachte er zumindest.

Da, das war die Türe. das Ziel vor Augen girff er die Klinke und drückte sie herunter.

Dann traf Daniel etwas hartes und ging zu Boden. Er rappelte sich auf und wollte sich auf Semir und Tom stürtzen...