So, ihr habt es ja so gewollt.
Der Anfang dieser Story ist ein Idee, die mir vor sehr langer Zeit schon kam. Leider verließen mich nach ein paar Seiten die Ideen. Ich weiß heute nicht mal mehr, warum der arme Tom da eigentlich im Knast sitzt.
Wichtig vielleicht zu sagen, dass der Storyanfang davon ausgeht, dass Tom nach Elenas Tod nicht mher zur Autobahnpolizei zurückgekehrt ist und Tom und Semir sicht seit Toms Abschied auch nicht mehr gesehen haben.
So und nun bin ich sehr gespannt auf eure Idee zu diesem kruden Einstieg. Ring frei für alle Kreativen.
„Kranich! Beweg deinen Arsch, du hast Besuch!“
Die heisere Stimme des Vollzugbeamten riss Tom aus seinen düsteren Gedanken. Müde hob er den Kopf und starrten den Wärter, der grade seine Zelle betrat mit trüben Augen an. Wer sollte ihn besuchen wollen? Er saß jetzt seit mehr als fünf Monaten in Einzelhaft hier im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzuganstalt Köln-Ossendorf. In dieser ganzen Zeit war fast niemand gekommen, der ihn besuchen wollte. Selbst sein Anwalt hatte sich nach dem Prozess nur noch ein einziges Mal blicken lassen. Warum jetzt plötzlich? Er schüttelte nur stumm den Kopf und versank wieder in dumpfem Brüten.
„Wie du willst!“, knurrte der Vollzugbeamten und ließ die Tür geräuschvoll hinter sich ins Schloss schlagen.
Tom starrte weiterhin stumm vor sich auf die karierte Bettwäsche. Zweimal hatte er Besuch bekommen, ganz zu Beginn seiner Haft. Er hatte sich gefreut, endlich andere Menschen zu sehen als nur die Vollzugbeamten, die ihn sämtlich wie ein Monster behandelten. Aber beide Male war er bitter enttäuscht worden.
Der erste Besuch war seine damalige Freundin Manuela gewesen. Ohne Umschweife hatte sie ihm erklärt, ob er nun schuldig sei oder nicht, mit einem Mann der im Gefängnis saß könne sie keine Beziehung führen. Sie müsse Rücksicht auf den guten Ruf ihres Vaters nehmen. Sie war kaum fünf Minuten da gewesen, dann war sich auch schon wieder abgerauscht und hatte ihn vollkommen fassungslos allein zurückgelassen.
Das zweite Mal war es nur sein Anwalt gewesen, der ihm erklärt hatte, er würde das Mandat niederlegen. Der Fall war einfach nicht aussichtsreich genug und er müsse schließlich auch sein persönliches Weiterkommen im Blick haben. Danach hatte er keinen Besuch mehr erhalten. Die einzigen Leute, die er jetzt hätte sehen wollen, würden bestimmt nicht kommen. Wer gab sich schon gern mit einem verurteilten Serienkiller ab. Außerdem hatte er sie vor fast drei Jahren einfach im Stich gelassen. Er wusste nicht ob sie ihm heute noch genauso glauben und vertrauen würden wie damals. Und er war sich auch nicht sicher, ob er die Probe aufs Exempel machen wollte. So lange wie es ungewiss war, konnte er sich wenigstens von den Erinnerungen an die schönen Zeiten nähren.
Wieder machte sich jemand an seiner Tür zu schaffen. Er hörte, wie sie aufgerissen wurde und jemand die Zelle betrat. Nach einem kurzen Gemurmel wurde die Tür wieder verschlossen. Der Besucher aber war noch da. Deutlich konnte Tom die Anwesenheit eines anderen Menschen im Raum spüren. Die Jahre der Einsamkeit, besonders aber die letzten Monate im Gefängnis hatte ihn in dieser Hinsicht sensibilisiert. Aber jetzt lag mehr in der Luft, als nur die Anwesenheit eines anderen Mannes. Er wusste nicht woher er sich so sicher war, dass sein gegenüber ein Mann war. Etwas Vertrautes und zugleich lange Vermisstes ging von diesem Mann aus.
„Ich hatte doch gesagt, ich will niemanden sehen!“ Tom versuchte seiner Stimme einen abweisenden Klang zu geben. Er wagte nicht aufzuschauen, zu groß war die Angst enttäuscht zu werden.
„Dann starr halt weiter vor dich hin. Zuhören wirst du mir trotzdem!“ entgegnete eine vertraute Stimme.
Jetzt hob Tom doch den Kopf, allen Ängsten, getäuscht zu werden zum Trotz. Doch seine Sinne hatten ihn nicht betrogen. Vor ihm stand niemand anderer als sein früherer Partner und Freund Semir Gerkhan. Er war unsicher, das spürte Tom sofort. Nervös knetet er seine Hände und trat von einem Fuß auf den anderen. Dennoch versuchte er Tom in die Augen zu sehen. Angst stand darin, Zweifel, Unsicherheit, aber vor allem Wärme und Freundschaft. Tom wusste nicht, wie er reagieren sollte. Schon das Semir hier war, war mehr als er sich die ganzen letzten Monate erhofft hatte. Aber dieser Ausdruck in seinen Augen sagte noch so viel mehr, sagte Tom vor allem, dass Semir ihn noch immer als Freund betrachtete. Er spürte, wie ihm die Tränen kamen. Langsam erhob er sich vom Bett und ging zu dem vergitterten Fenster hinüber. Stumm starrte er eine ganze Weile hinaus, um seine Gedanken zu ordnen.
„Warum bist du hergekommen?“, fragte er schließlich heiser.
„Weil ich wissen will, was passiert ist.“ Auch Semirs Stimme klang rau.
„Warum liest du dann nicht einfach die Akten?“ Er versuchte seine Stimme möglichst unbeteiligt klingen zu lassen.
„Weil ich es von dir hören will!“, war Semirs schichte Antwort.
„Warum?“, fragte Tom wieder.
Plötzlich kam Leben in seinen Besucher. Mit einigen schnellen Schritten war Semir hinter ihm. Er riss ihn an der Schulter herum, packte ihn am Kragen und drückte ihn rückwärts gegen die Wand. Der warme Glanz in Semirs Augen war grenzenloser Wut gewichen. Mit vor Zorn fast schwarzen Augen funkelte er Tom an.
„Allein für diese Frage sollte ich dich so lange durchschütteln, bis du nicht mal mehr deinen eigenen Namen kennst!“, zischte Semir zwischen den Zähnen hindurch.
Tom erschrak. Sollte er sich in Semir doch getäuscht haben? Glaubte er womöglich doch an seinen Schuld? Er musste husten. Sein Rücken tat verdammt weh und Semir drückte ihm fast die Luft ab. Wenn man diesen kleinen Menschen sah, dann konnte man kaum glauben, welche Kräfte er entwickeln konnte.
„Es tut mir leid, ich wusste nicht … ich dachte … ich hab gehofft …“ stammelte er verlegen und versuchte verzweifelt nicht in Semir wutfunkelnde Augen zu schauen. Es war alles nur ein schöner Traum gewesen. Semir hielt ich genauso für schuldig wie alle anderen. Und jetzt konnte er sich nicht mal mehr mit seinen Erinnerungen aus dem Hier und Jetzt davonstehlen. Immer würde sich ein bitterer Beigeschmack in die Erinnerungen mischen.
„Sieh mich an!“ forderte Semir ihn unvermittelt auf.
Vorsichtig hob Tom seinen Blick wieder und schaute Semir unsicher in die Augen. Ihr Ausdruck hatte sich verändert. Die Wut darin war so schnell verschwunden, wie sie gekommen war, sanft und warm strahlten sie Tom jetzt an.
„Ich bin hier, weil du mein Freund bist. Auch wenn du seit drei Jahren versuchst, dich davor zu verstecken! Und selbst wenn du bis ans Ende der Welt vor mir wegläufst, wird das doch immer so bleiben! Ich vertraue dir! Noch immer! Und egal was du mir jetzt erzählst, ich werde dir glauben!“, erklärte Semir ruhig.
Dann nahm er Tom einfach in den Arm. Fest und ruhig drückte er ihn an sich. Tom war in diesem Moment einfach nur glücklich. Elenas Tod, der Tod seine Babys, seine Flucht aus Köln, die letzten drei Jahre an Rande des Abgrunds, diese schreckliche Mordserie, die Verhaftung und Verurteilung, die letzten Monate im Gefängnis, der Zwischenfall mit dem Wärter, alles war mit einem Mal egal. Es zählte nur dieser Moment. Dass Semir da war, dass er ihm glaubte, ihm noch immer vertraute, das allein war jetzt wichtig.
Langsam löste Semir die Umarmung. Er trat einen Schritt zurück und wischte sich in einer verdächtigen Bewegung unter dem Auge her. Tom sagte nichts dazu, er musste selbst schwer mit den Tränen kämpfen.
„Entschuldige, dass ich nicht früher gekommen bin. Ich hab erst vor zwei Wochen davon erfahren und es ist ein ziemlicher Aufwand eine Besuchserlaubnis zu bekommen. Sogar wenn die Chefin ihre ganze Einfluss geltend macht.“, erklärte er verlegen.
„Wie hast du das denn geschafft? Ich dachte du bist Polizist! Außerdem war das doch bestimmt in allen Medien!“ Die Verlockung Semir zu foppen war einfach zu groß.
„Naja, ich war verhindert!“ Semir hob seinen Pullover an und gab damit den Blick frei auf eine üble Narbe, die sich quer über seinen Bauch zog. Sie war noch gerötete und sah sehr frisch aus.
„Ich bin erst seit zwei Wochen wieder im Dienst. Hab fast sechs Monate im Krankenhaus und in der Reha zugebracht. Die haben alle Nachrichten von mir ferngehalten, weil sie befürchtet haben, ich würde mich sofort in die Ermittlungen stürzen, wenn ich davon erfahre.“, murmelte er leise. „Ich schätze, diese Sorge war auch absolut begründet. Ich darf noch immer nicht Autofahren. Meine Partnerin musste mich chauffieren.“, fügte er dann noch hinzu.
„Woher hast du die denn?“
„Die Partnerin?“
„Die Narbe da!“, schockiert deutete Tom auf Semirs Bauch.
„Ein religiöser Fanatiker. Er hat versucht mich zu kreuzigen.“ – Semir zeigte seine Handflächen, die ebenfalls üble Narben aufwiesen – „Ich denke mal du kennst die Geschichte mit dem Stich in die Seite. Es hat wohl nicht so funktioniert, wie er sich das dachte, also hat er mehrfach zu gestochen.“ Semir verstummte. Dieser Anschlag beschäftigte ihn noch immer, das konnte Tom deutlich sehen.
„Es war verdammt knapp. Wenn Johanna auch nur eine Sekunde später gekommen wäre, dann würde ich jetzt vermutlich nicht mehr hier stehen.“
Semir starrte einen Moment stumm vor sich hin. Dann schüttelte er den Kopf und sah wieder zu Tom.
„Aber das sind Dinge, um die wir uns kümmern können, wenn du wieder da bist, wo du hingehörst!“ erklärte er dann mit fester Stimme. „Also, erzähl, was hat sich wirklich zugetragen!“