Nun stand ich hier, hatte Tränen in den Augen und sah in dieser Welt keinen Grund mehr um zu bleiben. Mein Herz wollte nicht wahrhaben, was mein Kopf längst wusste, Gott hatte mir das wichtigste genommen und ich fühlte mich einsam und verloren, ganz allein in dieser kalten Welt. Noch nie hatte ich mich so verloren gefühlt.
Der kalte Wind schlug mir ins Gesicht und trocknete ein paar meiner Tränen, hier auf der Klippe blies der Wind wesentlich kälter. Ich schlang meine Arme fester um mich, doch mich fröstelte immer noch. Ich sah in den Himmel, er hatte inzwischen ein dunkles rot angenommen und die ersten Sterne erschienen.
„Warum, warum habt ihr mir meinen Sinn zu leben genommen?“, schluchzte ich. Ein unterdrücktes Schluchzen brachte meinen Körper zum zittern. Ich ließ meinen Blick schweifen, die Welt sah so heil und ruhig aus, merkte sie nicht das jemand fehlte, vermisste sie nicht jemanden???
Ich schloss die Augen, sofort kamen die Erinnerungen, Erinnerungen an die schönste Zeit in meinem Leben, ich erinnerte mich an alles, an unsere erste Begegnung, unseren ersten Kuss, unser erstes Mal und unseren ersten Streit.
Die Welt schien so heil und nichts konnte uns trennen, dachten wir zumindest.
Als wir heute morgen aufgestanden sind, waren wir so glücklich und hätten nicht gedacht, dass wir uns ein paar Stunden später nie wieder sehen würden. Wenn wir das gewusst hätten, dann hätten wir die Zeit genossen, auch wenn all die Zeit der Welt nicht gereicht hätte. Wieder durch fuhr mich ein Schluchzer, die Erinnerungen schmerzten, vor allem dann, wenn man wusste das es nur noch diese Erinnerungen gab, dass es nur noch die gemeinsame Vergangenheit, aber keine gemeinsame Zukunft mehr geben würde.
Ein starker Windstoß blies mir ins Gesicht und wieder fröstelte mich, wieder schlang ich meine Arme um mich, dabei spürte ich meine Pistole und sofort schweiften meine Gedanken wieder ab, zurück zur eigentlichen Routine. Wie so oft wollten wir einen Verdächtigen verhaften, doch diesmal lief alles anders. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd war er scheinbar gestellt, doch dann schoss er sich den Weg frei und nahm mir somit das liebste im Leben.
Ich kniete neben Tom im Schlamm, versuchte die Blutung zu stillen, spürte sein warmes Blut. Ich flehte ihn an mich nicht alleine zu lassen, Tränen tropften auf sein Gesicht, doch mit jedem Tropfen Blut, floss sein Leben aus ihm raus, nach Minuten lag er ganz still, ein letztes mal küsste ich ihn und hielt ihn. Schluchzend und weinend hielt ich ihn im Arm und mit jeder Träne floss der Wunsch nach Leben aus mir heraus, ein Leben ohne ihn, war für mich kein Leben.
Ich öffnete die Augen, die Nacht war herein gebrochen und der Mond strahlte in voller bracht zu mir herunter. Ich trat näher an den Vorsprung und blickte in die Tiefe, mindestens 60 – 70 Meter schätzte ich und plötzlich spürte ich das Verlangen mich einfach fallen zu lassen und den fall zu genießen, immer weiter ging ich auf den Abgrund zu und mit jedem Schritt schien ich Tom wieder näher zu kommen, mit einem verzweifelten Lächeln trat ich bis ans Ende der Klippe, schloss die Augen und.....
Ich konnte von hier aus die ganze Stadt überblicken, dass wilde treiben und die Routine. Ich trat noch einen Schritt weiter nach vorn und stand nun direkt am Abgrund, ein paar Steinchen kullerten in die Schlucht und waren dann unter den dichten Bäumen verschwunden.
Ich breitete meine Arme aus und wollte gerade springen, als mir plötzlich Toms letzte Worte einfielen. „Pass auf unseren kleinen Engel auf!“, hatte er mit einem zufriedenen Lächeln gesagt. Vor zwei Wochen hatten wir erfahren, dass ich schwanger bin, in der achten Woche hatte der Arzt gesagt. Tom war sofort Feuer und Flamme und freute sich riesig, ich hatte ihn noch nie so glücklich gesehen. Er hatte sofort seine Eltern angerufen und ihnen dieses gute Nachricht mitgeteilt. Am nächsten Tag wusste es nicht nur das ganze Büro, sondern auch all unsere Freunde. Als er das kleine dann auf dem Ultraschallbild gesehen hatte, war es um ihn geschehen. Er plante schon den Umzug in ein kleines Häuschen außerhalb der Stadt, kaufte Namensbücher und hatte auch schon den ersten Strampler gekauft. Es war die kleinste Größe, hatte er gemeint als er mir stolz den Weiß-Grünen Anzug unter die Nase hielt. Er war wunderschön und total schön flauschig, wie ein Teddybär. Wir hatten uns so auf das kleine gefreut, doch dann ist alles anders gekommen.
Tränen rollten über mein Gesicht, der kalte Wind blies mir stark durchs Haar und ich überlegte. Nach ein paar Minuten kam ich zu dem Entschluss, dass ich Verantwortung hatte und zwar nicht nur für mich, außerdem hatten Tom und ich nun etwas, was uns für immer verbinden würde.
Ich ging zu meinem Wagen zurück, atmetet nochmals tief durch und stieg dann ein. Zitternd umklammerte ich das lederne Lenkrad, jetzt wo das Adrenalin nachgelassen hatte, verarbeitete das Gehirn die Geschehnisse der letzten Tage.
Mein Handy zeigte 10 verpasste Anrufe, allesamt von Semir, normalerweise hätte ich ihn jetzt zurück gerufen, aber da ich jetzt keine Lust zum telefonieren hatte rief ich ihn nicht zurück.
Ich schmiss mein Handy auf den Beifahrersitz, lies den Wagen an und fuhr mit quietschenden Reifen in Richtung Büro davon.
Nachdem ich neben Semirs silbernen BMW eingeparkt hatte, stieg ich aus und machte mich auf den Weg in mein Büro.
Im Vorbeigehen schmiss ich einen kurzen Blick in den Seitenspiegel und stellte fest das ich furchtbar aussah, meine Haare waren in allen Himmelsrichtungen verstreut und meine Augen waren rot und angeschwollen. Früher hätte mich das gestört, jetzt war es mir egal.
Als ich unsere Abteilung betrat, herrschte drückende Stimmung, Hotte weinte sich an Dieters Schulter aus, Andrea war mit verheulten Augen hinter ihrem Bildschirm verschwundne und Semir saß weinend an seinem Schreibtisch.
Ich stand mit Tränen in den Augen an der Tür, als Frau Engelhard mich mit besorgtem Blick in ihr Büro rief. Sie wies mich an mich zu setzten und bot mir eine Tasse Tee an, ich lehnte dankend ab. Sie setzte sich mir gegenüber und ein paar Minuten sagte keiner etwas.
„Theresa, es tut mir leid und was passiert ist, ist schrecklich , aber ich will nicht noch eine gute Mitarbeiterin verlieren, falls sie also glauben, das sie nicht alleine mit dieser Situation klar kommen, dann wenden sie sich bitte sofort an mich.“ Ihr vielen die Worte sichtlich schwer und ich hatte sie noch nie so gesehen. Ich nickte und versuchte sie anzulächeln, ich versagte kläglich.
Ich wusste nicht woher sie es wusste, aber irgendwie musste sie es ahnen, dass ich vor nicht allzu langer Zeit, meinem Leben ein Ende setzten wollte.
Doch ohne weitere Fragen verließ ich das Büro meiner Chefin und ging mit langsamen Schritten zu meinem Büro. Semir stand am Fenster sein Blick war mit 1000 Fragen und Verzweiflung gefüllt. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen Mann weinen gesehen, gerade darum kam mir das hier noch schlimmer vor und mir kamen wieder die Tränen. Ich schloss die Tür hinter mir, Semir sah auf, kurz sahen wir uns an, dann gingen wir aufeinander zu und umarmten uns. Jeder weinte sich an der Schulter des anderen aus und keiner schämte sich dafür, denn jede einzelne Träne war es wert geweint zu werden. Nach ein paar Minuten hatten wir uns wieder gefangen und wischten unsere Tränen weg.
„Wir müssen dieses Schwein finden!“, flüsterte Semir, sah dabei aber weiterhin aus dem Fenster. Noch nie hatte ich so einen Unterton in seiner Stimme gehört.
„Ja!“, sagte ich nur und senkte meinen Blick, denn es schmerzte sich im Büro umzusehen, alles erinnerte an Tom und sah aus als wäre er nur mal kurz weg und würde jede Sekunde wieder kommen. Wie heißt es doch so schön, die Hoffnung stirbt zu letzt.
„Wir brauchen alle Information, die wir über diesen Gruber bekommen können!“, sagte Semir zu Andrea. Sie hackte sofort auf ihrer Tastatur herum und hatte innerhalb kürzerster Zeit alle Informationen, die es über ihn gab. Kurz überflog ich mit Semir die Ausdrucke, aber es war nichts dabei, dass uns wirklich weiter gebracht hätte!
„Was machen sie da?“, frage uns Frau Engel hart, die aus ihrem Büro kam und uns über die Schulter geschaut hatte.
“Wir suchen etwas mit dem wir Gruber greifen können!“ antwortete ich wahrheitsgetreu.
„Nein, dass werden sie nicht, uns wurde der Fall entzogen. Wir dürfen nicht weiter ermitteln!“
„Aber Chefin, wollen sie das Toms Mörder nie gefasst wird?“, fragte Semir und war geschockt, wütend funkelte er sie an
„Nein das will ich nicht Semir, aber uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen warten bis die Kollegen ihn finden. Wir müssen warten, so schwer es auch ist!“
„Oh nein, dass werde ich ganz sicher nicht!“ sagte ich wütend, schmiss die Blätter auf den Schreibtisch, schnappte mir die Schlüssel für meinen schwarzen BMW und rannte hinaus auf den Parkplatz. Frau Engelhard stürmte hinter mir her „Wo wollen sie hin Theresa?“
„Toms Mörder finden!“, rief ich und wollte gerade einsteigen, als sie mich zurück hielt. „ Wir alle wollen mehr als alles auf der Welt, Toms Mörder finden, aber das ist nicht mehr unser Fall und sie bringen sich in große Schwierigkeiten.
„Das ist mir so was von egal, ich werde nicht hier sitzen und Däumchen drehen, dass können sie nicht von mir erwarten!“ wütend funkelte ich sie an, stieg ein, lies den Wagen an und fuhr mit Vollgas vom Parkplatz.
„Hey, was machst du denn hier?, fragte ich Semir, den ich erst jetzt bemerkt hatte.
„Auch ich bin es der Tom etwas schuldig ist!“, flüstere er und starrte weiter aus dem Fenster und ich wusste, dass auch er nicht aufhören würde Toms Mörder zu jagen.
Mit knapp 200 rasten wir über die Autobahn, gab Lichthupe, überholte rechts und verstieß wahrscheinlich gegen jede Regel der StVo aber das war mir ziemlich egal.
„Wo fahren wir überhaupt hin?“ fragte Semir als ich die nächste Ausfahrt abfuhr. „Zu Buchner, wohin sonst?!“
„Und was willst du ihm sagen?“ Ich zuckte mit den Achseln, zuerst werden wir ihm irgendwas nachweisen.“
Ich parkte vor der riesen Villa und wollte gerade mit Semir aussteigen, als sich das große eiserne Tor öffnete und ein silberner Porsche herausfuhr!
“Da ist er ja, dass Schwein!“, zischte Semir
„Na dann werden wir mal schauen wo er hinfährt!“, Buchner fuhr die halbe Stadt, bis er vor dem „HOT-LOVE“ hielt, ausstieg und das Gebäude betrat
„Na, toll und der ganzen Welt spielt er den treuen Ehemann vor!“ sagte ich abwertend, Semir nickte nur und so warteten wir schweigend, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Eine Stunde später kam Buchner strahlend heraus. „So und jetzt schnappen wir uns unseren ehrenwerten Bauleiter!“ lächelte ich und stieg aus, Semir folgte mir. Buchner sah uns, setzte sein schleimigstes Grinsen auf und rief: „Die Herrschaften von der Polizei, na haben ihre Kollegen den Mörder von diesem Kranich schon gefunden oder sind sie aus privaten Gründen hier!“
„Wir haben ihn gerade gefunden!“, ohne ein weiteres Wort zu verlieren bekam er meine rechte zu spüren, mit blutender Nase taumelte er und sank schließlich zu Boden. Ich kniete mich auf seinen Rücken, achtete natürlich darauf das sich mein Knie richtig fest in seine Rippen bohrte und legte ihm Handschellen an.
„Das wird ihnen noch leid tun, dafür werden sie die längste Zeit bei der Polizei gearbeitet haben. Sagen sie mir ihre Dienstnummer, damit ich eine Beschwerde einreichen kann!“
„22185, überlegen sie sich was schönes!“, zog ihn an den Haaren hoch und brachte ihn zum Wagen.
Die ganze Fahrt über schüttete er uns mit Drohungen und Beschimpfungen. Irgendwann riss Semirs Geduldsfaden und er schrie ihn an: „Sie halten jetzt ihre verdammte Klappe oder ich sperr sie in den Kofferraum. Buchner schenkte Semir noch einen letzten wütenden Blick, schwieg die restliche Fahrt jedoch.
Wir brachten unseren Verdächtigen auf die Dienststelle und wollten ihn gerade verhören, als Frau Engelhard plötzlich vor uns stand „In mein Büro! Sofort!“