Bei Niles konnte der Notarzt, genau wie Semir vorher, nur noch den Tod feststellen. Dann wandte er sich der schwer verletzten Frau zu, die immer noch von ihrem Mann, der wie in Trance da saß, festgehalten wurde. Die Sanitäter versuchten ihn, von der Verletzten loszueisen, doch erst die hilfreichen Hände von Semir schienen den verwundeten und schreienden englischen Geschäftsmann zur Vernunft zu bringen. Dennoch blieb er neben ihr auf dem Boden sitzen und starrte auf den leblosen, in das grüne Abendkleid gehüllte Körper seiner geliebten Frau. "Wird sie durchkommen, Doktor?", fragte Semir und sah auf das starre Gesicht von Christopher Holmes. "Das kann ich noch nicht sagen. Die Kugel steckt dicht am Herzen. Sie muss sofort ins Krankenhaus gebracht werden.", erwiderte der Notarzt, ließ Maggie auf eine Trage schnallen und sie sofort ins nicht weit entfernte Rhein-Krankenhaus bringen. Semir sah zu Christopher hinunter, der immer noch auf die blutbefleckte Stelle schaute, wo seine Frau gelegen hatte. Dann ging er zu Andrea. "Könntest du ein Auge auf ihn haben? Ich will sehen, ob Ben und die Kollegen schon was gefunden haben.", meinte Semir und legte seine Hände auf die Schultern seiner Frau. Er spürte, wie auch Andrea noch am ganzen Körper zitterte, dann nickte sie und tat, um was Semir sie gebeten hatte.
Währenddessen leuchteten Ben, Hartmut und die Kollegen der SpuSi das Grundstück und den angrenzenden Wald ab, wo sie die Schussposition vermuteten. Semir kam dazu. "Scheint ja ein lustiger Abend gewesen zu sein?", bemerkte Ben ironisch. "Bis zum Dessert war auch alles wunderbar.", erwiderte Semir und sah sich auf den azusgeleuchteten Waldboden um. "Da wollte euch wohl einer den Nachtisch nicht gönnen, hm?" Doch Bens ironische Antwort wurde von Semir nur mit einem bitteren Blick gewürdigt. "Hartmut, hast du schon was gefunden?", wollte der Hauptkommissar wissen. Hartmut, gerade mit Lupe, Pinzette und einer Stirnlampe auf dem Boden unterwegs, sah so schnell zu Semir und Ben hoch, dass die starke Lampe den Beiden in die Augen strahlte. "Mensch, Hartmut.", schrien beide aus. Mti einem gedrückten "Tschuldigung" drehte er die Lampe aus und kam aus der knienden Haltung wieder hoch. "Und?", fragte Semir erneut. "Also, ich habe mehrer Patronenhülsen gefunden, die eindeutig aus der gleichen Waffe stammten." "Ja, und stimmen die irgendwie mit denen vom gestrigen Angriff überein?", fragte Ben ungeduldig. "Wie soll ich das von hier aus machen? Ich werde die Patronen erstmal untersuchen müssen, denn wisst ihr, jede Patrone hat eine eigene Kennung, so wie jeder Mensch einen einzigartigen Fingerabdruck hat. Wir können also...." "Ja, ja Hartmut. Die Kurzversion bitte und so, dass ich es auch verstehe.", meinte Semir und strich sich durch die Haare. "Also, jede Waffe hinterlässt auf der Patrone ein bestimmtes Muster, woran wir sie punktgenau zuordnen können.", erklärte Hartmut und tütete die Patrone ein.
Ben und Semir gingen ins Haus zurück. Christopher saß auf einen Stuhl, hielt zitternd ein Glas mit Portwein in der Hand und wagte nicht daraus zu trinken. Sein Blick war starr und leer. "Herr Holmes, wir müssen ihnen einige Fragen stellen.", fing Ben an und schien nur wenig Mitgefühl in seiner Stimme zu tragen. "Ich will zu meiner Frau.", stammelte Christopher nur und nippte am Glas. "Bitte nur einige kurze Fragen.", bat Semir und war dabei mitfühlender als sein Kollege. "Kennen sie Theo Renack?", fragte Ben dann ganz frei heraus und merkte, wie sich der Körper von Christopher wieder mit Leben füllte. "Hat er auf meine Frau geschossen?", fragte er und hatte dabei racheschürendes Feuer in den Augen. "Wir nehmen es an.", erwiderte Semir und verspürte die Gefühle, die sich in seinem Gegenüber erhoben. "Ich will zu meiner Frau.", rief Christopher und warf das Glas zu Boden, ging zur Tür hinaus und stieg in den von seinem Chauffeur gelenkten Wagen. Ben und Semir stiegen in ihren Wagen und fuhren hinterher.
Im Rhein-Krankenhaus lief Christopher vor der Tür des OP's auf und ab. Sein Chauffeur, Frédéric, und Semir, Ben kümmerte sich weiter um den Fall, saßen auf der Bank gegenüber der Tür. Nach einigen Stunden des Wartens kam ein grüngekleideter Arzt aus der Tür und atmete schwer durch. "Doktor, wird sie durchkommen?", fragte Christopher besorgt und warf sich fast flehend auf die Knie. "Nun, wir konnten die Kugel entfernen, aber sie hat sehr viel Blut verloren." "Wird sie wieder gesund?", fragte dann Semir, als er sah, dass Christopher Holmes fast zusammenbrach. "Wir mussten sie ins Koma versetzen. Alles weitere liegt in der Hand Gottes.", erwiderte der Arzt und ging schweren Herzens. Christopher wankte und seine Knie wurden weich. Sofort fingen Semir und Frédéric den geschwächten Geschäftsmann auf.
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