Dritter Advent ... noch 10 Tage bis Weihnachten.
Über NRW hatte sich ein weißes Betttuch gelegt. Schnee und Eis hatten dem Land in den letzten Tagen übel mitgespielt. Dennoch war es eine wunderbar gemalte Landschaft. Bei Familie Gerkhan bereitete man sich auf das Fest vor. Da Semir sich nicht mehr von diesen knollnäsigen, spitzfindigen und übers Ohr ziehenden Weihnachtsbaumverkäufer, deren Bäume alle schmal und nicht festlich aussahen, über den Tisch ziehen lassen wollte, hatte er beschlossen, selbst einen Baum zu schlagen.
So fuhr er mit Andrea und Aida aus dem matschigen Köln hinaus in das winterliche Land. Einige Kilometer vor der Stadt bot der Förster selbstgezüchtete Bäume an. "Semir, ich bin müde. Wie lange willst du denn noch durch die winterliche Botanik stiefeln?", fragte Andrea erschöpft und hielt dabei ihre Tochter im Arm. "Ich suche den richtigen Baum.", erwiderte er, hielt die Axt fest in der Hand und schaute sich nach dem richtigen Baum um. Dann stieß er auf einen wunderbar gewachsenen Baum, gerade nach oben und mit einem herrlich dichten Tannenkleid. Sofort setzte er die Axt an und schlug einige Male mit kräftiger Hand zu. Sogleich fiel der Baum und Semir grinste triumphierend als er den Gefällten vor sich liegen sah. "So, jetzt können wir nach Hause.", meinte Semir ruhig und nahm den grünen Kerl auf seine Schulter. Zufrieden fuhren sie nun wieder nach Hause und fingen sogleich an, den Baum aufzustellen und zu schmücken.
Kerstin Lehmann fuhr gerade mit ihrer zweijährigen Tochter Elli vom Chorsingen nach Hause. Die gelernte Konzertpianistin und Sopranistin war leicht genervt, da ihre Tochter wieder einen ihrer Wutanfälle hatte. Sie wollte unbedingt ihre Lieblingsweihnachts-CD hören, doch Kerstin hatte vorerst genug von Weihnachtsmusik. So war der Streit vorprogrammiert. Das Mädchen hatte jedoch eine sehr laute Stimme, aber ihre Mutter hatte gelernt, diese gekonnt zu ignorieren. Auch wusste sie, wie sie ihre Tochter wieder besänftigen konnte. So lenkte sie den Wagen auf einen Rastplatz. "So, Mama ist gleich wieder da.", meinte Kerstin und sah nur das Schmollgesicht ihrer Tochter, die natürlich kein Wort mit ihr redete. Lächelnd aber kopfschüttelnd schloss Kerstin die Tür ihres Wagen und ging auf die Tankstelle zu. Sie merkte nicht, wie ihr ein dunkler Wagen gefolgt war. Schnell stieg ein Mann aus, eilte rüber zu dem blauen VW, setzte sich ans Steuer und brauste davon. Nur ein an einen Stein befestigten Zettel ließ er zurück.
Als die Frau wieder aus der Tankstelle kam, hatte sie für ihre Tochter ein Stoffrentier unter dem Arm, das "Oh du Fröhliche" sang. Doch als sie in die Kälte trat, war ihr Wagen weg. Beunruhigt sah sie sich um und rief Ellis Namen, immer und immer wieder. Doch ihr Wagen und ihr Kind waren weg. Mit zittriger Hand wählte sie im Handy eine Nummer.
Ben stand im Rollkragenpulli auf der Leiter in seinem Wohnzimmer und schmückte seinen Baum. Singend hängte er eine Weihnachtskugel nach der anderen an. "Silent night, holy night.", sang er mit seiner sanften Stimme, dann jedoch unterbrach ihn jäh das Telefon, wobei er fast mit der Leiter in den Baum fiel.
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