In jedem Freundeskreis gibt es mindestens einen Freund, der einen kleinen oder weniger kleinen Tick hat. So auch in Semirs. Toni Zander war seit der Schulzeit Musiker eines eigenwilligen Instruments, des schottischen Dudelsacks. Mit Bonnie, wie er sein Instrument selbst voller Stolz und liebevoll nannte, verbrachte er die meiste Zeit in diversen Fußgängerzonen und hoffte auf die Spendenfreudigkeit der Leute, die auch meist hoch ausfiel, besonders dann wenn er Amazing Grace mit voller Leidenschaft spielte. Toni war mit seinem Leben zufrieden, auch wenn ihm so manches Mal diverse Geldsorgen plagten. Wenn er Glück hatte, wurde er zu Hochzeiten oder Geburtstagen engagiert und bekam neben seinem Festsatz von 200 Euro auch noch ein saftiges Trinkgeld. Doch meist stand er in irgendwelchen Fußgängerzonen oder an diversen Straßenecken und unterhielt die eilenden und gehetzten Fußgänger.
So auch an diesem Tag. Es war ein herrlich schöner Wintertag und die Sonne ließ den Schnee in einem puren Weiß erstrahlen. Toni stand in der Fußgängerzone und spielte auf seinem Instrument die schönsten schottischen Melodien, die er seit seiner Jugendzeit beherrschte. Semir hatte ihn darum immer ein wenig verspottet, hielt aber als Freund zu ihm. Die polizeilichen Verordnungen sahen aber voraus, dass er alle halbe Stunde den Standort wechselte, da er keinerlei Genehmigung vom Ordnungsamt hatte.
Bei einem seiner Ortswechsel kam er an einem Supermarkt vorbei. Vom vielen Stehen etwas erschöpft, ruhte er sich auf der Bank etwas aus. „Toni?“, hörte er plötzlich eine vertraute Stimme fragend rufen. Er drehte sich um und blickte in das Gesicht von Andrea, die gerade dabei war, einige Einkäufe zu erledigen. „Toni. Wie geht es dir?“, fragte sie freundlich und drückte den Mann mit der ungewöhnlichen Kostümierung kurz. „Eigentlich gut, auch wenn das Geld nicht immer reicht.“, meinte er lächelnd und erzählte so aus seinen Erlebnissen der vergangenen Zeit, während Andrea interessiert zuhörte.
Nicht weit vom Supermarkt entfernt, warteten drei Männer sichtlich nervös auf das Eintreffen eines bestimmten Wagens. Jochen, Vladi und dessen Freundin Sina saßen in ihrem alten Opel Kadett und warteten auf den Geldtransporter, der den Supermarkt belieferte. „Wie spät ist es?“, fragte Jochen und zog nervös an seiner Zigarette. „Halb zwei.“, antwortete Vladi und tippte nervös auf dem Lenkrad herum. Sina sah sich immer wieder nach allen Seiten um. „Da ist er.“, stieß sie plötzlich aus und zeigte mit ihren Finger auf die einige hundert Meter entferne Kreuzung, die direkt zur Autobahn führte, von wo aus ein weißer, gepanzerter Wagen auf den Parkplatz des Supermarktes einbog. „Okay, hoffen wir, dass die beiden Wächter nicht den Helden spielen wollen.“, meinte Jochen und drückte die Zigarette aus. Alle drei zogen sich ihre Skimasken über. Vladi gab Gas, stellte sich vor dem Transporter quer. Schnell sprangen die drei Räuber aus ihrem Wagen und bedrohten die Wachleute. „Los, Tür auf.“, schrie Sina dem einen Wachmann zu, während sie ihn aus der Beifahrertür zerrte. Vladi hielt den anderen in Schach. Der Wachmann, ein etwas bulliger Typ mit kahlgeschorenem Kopf, öffnete die Tür und packte das Geld in die von den Räubern mitgebrachte rot-grüne Reisetasche.
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