XXI. Das letzte Stündlein ?
Ben wachte mit schmerzendem Nacken aus seiner Ohnmacht aus. An seinem Hinterkopf befand sich eine dicke Beule. "Larry?", rief der Kommissar aus, als er sich an einer Laterne empor zog und zu stehen versuchte. Ihm war von dem versetzten Schlag etwas schwindelig zumute. "LARRY?", schrie er aus voller Kehle, doch keine Antwort von ihm. Stattdessen sah Ben zu Boden und entdeckte ein Halstuch, Larrys Halstuch. Er hatte es den ganzen Abend um gehabt. Und jetzt lag es vor ihm. Was war das? Eine rote Flüssigkeit hatte sich an Bens Finger festgesetzt. Blut. Larrys Blut. "Oh nein.", stieß Ben aus. Der Junge war offensichtlich verletzt worden. Ben strich sich nervös durchs Haar und sah sich aufgeregt um. Sein Puls raste und sein Herz schlug ihm fast schmerzhaft gegen seine Brust. Jetzt auch noch Larry. Das durfte nicht sein. Er musste den Jungen da rausholen. Doch wer war der Killer und wo konnte er Larry hingebracht haben? Semir. Ja, Semir musste ihm jetzt helfen. Für ihn war dieser Undercover-Einsatz vorbei. Es galt jetzt schlimmeres zu verhindern, Larry noch lebend aus den Klauen dieses Wahnsinnigen zu retten, bevor ... So weit wollte Ben gar nicht denken. Er griff zu seinem Handy und wählte die Nummer seines Kollegen und Freundes.
Larry saß zitternd auf einem Stuhl, festgeschnürt und geknebelt. Die Angst beherrschte ihn vollkommen. Diese Angst ließ ihn sich umsehen. Er sah nichts. Nur eine Glühbirne hing direkt über ihm, spendete ihm etwas Licht, doch das reichte nicht aus. Es roch modrig und feucht. Anscheinend war er in einem Keller oder einer Höhle, aber dagegen würde das Licht sprechen. Tränen liefen über seine Wangen. "Ben, wo bist du?", fragte er sich leise und merkte nicht, wie er aus einer der dunklen Ecken beobachtet wurde.
Semir und Jo waren sofort vor Ort, als sie Bens Anruf bekommen hatten. "Ben, was ist passiert?", wollte Semir sofort mit sorgenvoller Stimme wissen. Ben erzählte ihm, dass er und Larry in der Bar seines Freundes einen trinken waren, sie dann auf dem Heimweg überfallen wurden und Larry verschwunden ist.
"Das habe ich gefunden.", meinte er und reichte Jo das blutverschmierte Tuch. Dieser tütete es sofort ein. "Hast du einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte?", wollte Semir wissen und strich Ben vorsichtig über dessen kaputten Arm. Doch Ben musste resigniert den Kopf schütteln. "Könnte es dieser Patrick gewesen sein?", kam dann die Frage von Jo. "Ich habe den Angreifer nicht gesehen. Es ging alles so schnell, ich konnte nichts machen.", erklärte Ben mit flatternder Stimme. "Hey, wir werden ihn schon finden.", meinte Semir aufmundernd und strich Ben über den Rücken. "Wir müssen. Ich werde diesen Jungen nicht dem Tod überlassen. Eher bringe ich das Schwein eigenhändig um.", zischte Ben drohnend und ballte beide Fäuste. Semir hatte dieses Verhalten bei Ben nur ein Mal gesehen, und zwar, als seine Schwester Julia entführt wurde. Er wusste, dass Bens impulsives Temperament so manches Mal mit ihm durchging. Semir musste deshalb gut auf seinen Partner aufpassen.
Larry schreckte auf, als er Schritte auf sich zukommen hörte. Blitzschnell drehte er seinen Kopf in die Richtung und sah eine vermummte Gestalt, die auf ihn zukam. Er umkreiste Larry, fuhr dabei mit den behandschuhten Fingern an Larrys Arm über dessen Schultern entlang, dass es dem Amerikaner nur so einen Schauer über den Rücken laufen ließ und ihm eine irrsinnige Gänsehaut verpasste.
Die Person stoppte vor Larry, beugte sich zu ihm runter und griff nach dem Klebeband auf Larrys Mund. Was war das? Diesen Duft, dieses Rasierwasser kannte er nur von einer Person. Kaum war der Knebel ab, schoss es auch schon aus seinem Mund. "Warum Patrick?"
...