Friedlich wie ein Baby schlummerte der Deutschtürke auf dem kleinen Teppich vor der Badewanne. Wie ein Hund hatte er sich auf ihm zusammengekauert und sägte Wälder ab. Plötzlich riss ihn ein unerträglich lautes, ohrenzerreißendes Piepsen aus dem Schlaf. Erschrocken fuhr er auf und stieß sich den Kopf am Waschbecken, sodass er wieder leicht benommen zu Boden ging. „Ooooh.“, stieß er aus und suchte nach diesem Piepsen, das immer lauter wurde. Wo war es nur? Er durchkramte die Taschen seiner Jeans, doch da war es nichts. Dann hörte er es ganz deutlich. Es lag in der Badewanne. Schnell fischte er es aus dem leeren Gefäß heraus und drückte auf den grünen Knopf. Ein gequältes „Ja hallo“ kam aus seinem rauen Mund gesprungen. Zusätzlich ein ekelhafter Geschmack nach Kräutern und Sirup. Als hätte er den Hustensaft seiner Tochter getrunken. „Semir? Sag mal, du hörst dich ja furchtbar an.“, kam Susannes Stimme an sein Ohr. „Semir? Hallo?“, rief sie dann, als sie keine Antwort erhielt. Der Deutschtürke hing mit einem Arm über den Badewannenrand und starrte mit glasigem Blick geradeaus. „Susanne, was willst du?“, wollte er dann wissen. „Ihr sollt in einer halben Stunde bei Frau Krüger im Büro erscheinen, sonst holt sie euch persönlich.“, kam die Anweisung von der Sekretärin. Dann war es still.
Eine halbe Stunde nur? Semir war dies egal. Er fühlte sich elendig. So viel hatte er nicht einmal auf seinem Junggesellenabschied getankt. Vorsichtig versuchte er sich aufzurichten. Mit aller Kraft, die ihm geblieben war, zog er sich an der Wanne hoch und versuchte gerade zu stehen. Das klappte einigermaßen, wenn er auch noch alles etwas verschwommen sah. Semir tat einige Schritte auf die Tür zu. Bis zum Türrahmen kam er ohne Schwierigkeiten, doch als er durchschreiten wollte, merkte er, wie er nach rechts abdriftete und mit voller Wucht gegen den Türrahmen knallte. „Ooooh.“, schrie er kurz auf, schwankte dann aber weiter ins Wohnzimmer, wo Ben noch immer schnaufend schlief, in der Hand das leere Glas mit einem Rest Pflaumwein. „Ben?“, kam es heiser von Semir, als dieser sich an der Couch festhalten musste und auf die schlafende Siluette seines Kollegen blickte. „Komm, aufstehen.“, meinte er und ruckelte am Sofa herum. Nichts, nur ein Knurren war zu hören. „Willst wohl nicht?“, dachte Semir dann und ging vorsichtig um die Couch herum, ohne jedoch das Möbelstück loszulassen. „Hallo? Aufwachen.“, rief er etwas lauter und gab Ben einen Klaps auf den Oberarm. Sofort merkte er, wie dieser mit seinem Bein Semir in den Hintern geschlagen hatte. „Hey.“, stieß dieser aus und wieder war ein Knurren zu hören. „So, willst wohl nicht, was?“, murrte der Deutschtürke und ruckelte nun mit aller Kraft an den Schultern von Ben. „Lass mich Mama, ich muss doch heut gar nicht in die Schule.“, kam es gequält von der Couch. „Spinnst du? Ich bin doch nicht deine Mama.“, schrie Semir plötzlich auf und hielt sich gleich wieder die Stirn. Das war zu laut, dachte er nur. „Hallo, hoch mit dir.“ Immer wieder schüttelte er Ben, bis dieser dann endlich wach war. „Semir? Was machst du denn hier?“, wollte der junge Hauptkommissar mit Verwunderung wissen. „Ich? Ich wohne hier. Weißt du das nicht mehr?“ In Ben fühlte sich alles an, als wäre seine Erinnerung in ein schwarzes Loch gesogen worden. Dementsprechend schüttelte er den Kopf. „Wir müssen zur Krüger.“, erklärte Semir. „Jetzt?“ „Jetzt.“
Nur knappe dreißig Minuten später klopfte es an der Bürotür von Kim Krüger. „Ja!“ forderte sie zum eintreten auf. „Guten Morgen Chefin…“ kam leicht heiser von Semir. Kim sah auf. „Semir? Ben? Was ist denn mit Ihnen passiert?“, wollte sie erstaunt wissen. Ein gequälter Blick von Semir ließ sie dann lächeln. „Oh… ich verstehe… die Sorgen im Alkohol ertränkt….und Ihr Partner musste Sie dabei seelisch unterstützen?“, fragte sie. Semir nickte und hielt sich anschließend den Kopf. „So kann man das auch sehen..“ stöhnte Ben. Kim nickte ebenfalls. „Gut… da Sie gestern den Spaß hatten, wird es endlich Zeit, zu arbeiten. Was haben Sie wegen dem Toten und dem Holz herausgefunden?“, wollte Kim wissen. „Ähm….Hartmut ist noch nicht mit der Untersuchung fertig…“, wich Ben aus. Kim sah ihn an. „Wie bitte? Warten wir neuerdings darauf, dass der Kriminaltechniker Ergebnisse vorlegt?“, wurde sie etwas lauter. Sofort gingen die Augen zu. „Ja…nein… ich … also wir… wir wollten heute anfangen. Aber ich wollte erst einmal mit Hartmut über…“, erklärte Semir leise. Kims Blick wanderte von einem zum Andern. „Ja…und außerdem müsste ich mit Andrea….“, ging es bei Semir weiter ohne dass Kim etwas sagte. Doch wer sie kannte konnte erkennen, dass die Wut in ihr stieg. Und wenn Kim wütend wird dann wurde sie laut.
„Meine Herren! Mir ist so ziemlich egal, ob Sie private Probleme mit Frauen haben oder sonst was… ich will Ergebnisse sehen… HEUTE!!! Ist das jetzt angekommen?“, fauchte sie laut und wütend. Semir hob die Hand. „Bitte Chefin!! Nicht so laut…“, stöhnte er. „Semir… mir ist es egal, ob Sie einen Kater haben! Nehmen Sie ein Aspirin und dann wird gearbeitet! Und so wie es aussieht ist es heute Bürodienst! Sie haben soviel Restalkohol im Blut, dass Autofahren sicher nicht angesagt ist! Ich warne Sie Beide… Niemand von Ihnen wird ein Auto anfassen. Ist das auch angekommen?“, wollte Kim wissen. Sie minderte dabei die Lautstärke zu Leidwesen der beiden Hauptkommissare nicht wirklich. Beide nickten erneut und verzogen das Gesicht. „Ach noch eins… wenn man kein Alkohol abkann, sollte man auch keinen trinken. So und nun RAUS!! Trinken Sie Kaffee!!“, rief sie noch hinterher. Doch dann musste sie doch lachen. Sie widmete sich wieder den Akten vor ihr und schüttelte nur den Kopf. Was Liebeskummer doch alles so anstellen konnte.
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