Langsam ging er den Flur auf und ab. Seine Gedanken kreisten nur noch um sie und dieses Kind, das sich in ihrem Bauch befand. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein.
Am anderen Ende des Ganges lieferten sich ein paar Kinder ein Wettrennen, und an der Treppe unterhielt sich ein Arzt mit einer Schwester.
Semir setzte sich auf einen Stuhl, der direkt neben ihm an einem kleinen runden Tisch stand.
Er schaute aus dem Fenster, Autos perfekt in einer Reihe geparkt und Leute die sich unten im Garten des Krankenhauses über das schöne Wetter freuten.
Semir lief eine Träne die Wange herunter, er wischte sie weg, und schaute weiter aus dem Fenster.
Leise Schritte näherten sich ihm. Sie wurden lauter, dann stand Tom direkt neben ihm,
doch Semir schien ihn nicht wirklich wahr zu nehmen. Erst als Tom seine Hand auf Semirs Schulter legte schaute er zu ihm auf. " Tom, ich habe versucht sie zu halten, aber es ging alles so schnell !? Seine Hände verbargen die verweinten Augen in seinem Gesicht.
Langsam stand Semir auf und nahm die kleine, eigentlich nur für ihn sichtbare, Geste sich an Toms Schulter zu lehnen an.
Tom nahm ihn fest in den Arm. " Es wird alles wieder gut Semir." Flüsterte er seinem Freund zu. " Wie geht es ihr" Hat dir der Arzt schon was gesagt?" Tom schaute Semir fragend an.
" Ja!" fing Semir langsam an, während er sich aus der Umarmung läste. " Sie wird das Kind verlieren!" Sein Blick wendete sich dem dunkelblauen Vorhang am Fenster zu, der sich langsam mit dem Wind ,der durch das geöffnete Fenster kam, bewegte.
" Der Aufprall war sehr hart, sie hat sich sechs Rippen und das Schlüsselbein gebrochen.
Eine schwere Gehirnerschütterung und innere Blutungen kommen noch dazu!Sie hatte noch Glück. Due weißt ja was mit Hesse passiert ist.
Man hat sie ins künstliche Koma verlegt, um ihr die starken Schmerzen zu ersparen!"
Tom sah seinem Freund an, wie er litt. Aber er konnte im Moment nichts für ihn tun außer ihm zu zuhören und ihm Halt zu geben.
Semir schluckte. " Warum Tom" Hat sie irgendjemandem etwas getan" Sie kann nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun. Warum hat er das gemacht?" Er hielt sich mit der Rechten Hand am Türrahmen fest, jeder Muskel in seinem K?rper drohte jeden Augenblick seinen Dienst zu versagen.
" Ich weiß es nicht Semir." Sagte Tom, während auch er mit den Tränen rang.
" Ich werde jetzt zu ihr gehen damit sie nicht alleine ist. Sie hasst es alleine in einem Raum zu sein.? Hauchte Semir mit einem gequältem Lächeln zu Tom.
" Ist gut, ich fahre ins Revier vielleicht wissen die ja schon mehr." Mit einem freundschaftlichen Klapps auf die Schulter, verlies Tom seinen Freund, und ging hinunter auf den Parkplatz. Als er an seinem Auto angekommen war, und auf dem Sitz Platz genommen hatte, schlug er die Hände vors Gesicht und ließ es auf das Lenkrad fallen .
In seinem Kopf liefen immer und immer wieder diese schrecklichen Bilder wie ein Film an ihm vorbei:
Der Wind wehte. Am Rand des Hochhauses steht Werner Hesse. In seiner linken Hand eine Waffe, in seiner rechten hielt er Andreas Arm wie ein Schraubstock fest.
Sie weinte, flehte bitterlich:? Bitte lassen sie mich gehen. Ich kenne sie doch noch nicht einmal!? Doch Werner Hesse ließ diese Worte nicht zu sich durch. Niemand weiß ob er sie
überhaupt gehört hatte.
" Bitte Herr Hesse lassen sie sie gehen. Ich kann ihnen helfen, aber dafür müssen sie herkommen und mit mir reden! "
Bat Semir der sich mit Dieter Bonrath , Herzberger , Anna Engelhardt und Tom auf der gegenüber liegenden Seite aufgestellt hatte.
Dann trat Semir einen Schritt auf Hesse zu.
" Bleiben sie stehen!? schrie dieser. Oder ich springe, und ihre Frau mit mir!?
Andrea hielt die Hände schützend über ihren Bauch. Zitternd vor Kälte und Angst schaute sie zu Semir , der immer noch versuchte Werner Hesse davon zu ?berzeugen, das man Probleme auf andere Art und Weiße lösen konnte.
" Bitte! " flehte Semir. ? Meine Frau ist im 6 Monat schwanger. Sie würden also zwei Menschen sinnlos in den Tod stürzen. Mein Leben wäre ebenfalls zerstört. Ich liebe meine Frau. Sie ist ein herzensguter Mensch. Sprechen sie mit ihr und sie werden es merken!?
Semir wusste das seine Versuche, Werner Hesse umzustimmen und Andrea loszulassen, nicht den erw?nschten Erfolg brachten.
Aber er versuchte den Mann immer wieder in ein Gespräch zu verwickeln,
damit die Scharfschützen, dich sich auf dem gegenüberliegendem Gebäude eingefunden haben, einen sicheren Winkel zum erlösenden Schuss hatten.
Doch plötzlich hielt der Mann inne. Er hatte einen der Scharfschützen endeckt und trat einen Schritt Richtung Abgrund zurück.
Semir und den anderen stockte der Atem.
?Bitte lassen sie meine Frau los.? Mit einem letzten verzweifelten Versuch Andrea zu retten, rannte Semir auf Werner Hesse zu. Doch dieser war schon gesprungen, und riss Andrea mit in den Abgrund.
? Neeeiiiiiin!!!!!! ? Schrie Semir und lag auf dem mit Teerpapier belegtem Dach des Hochhauses.
Tom und die anderen waren schon ins Treppenhaus gestürzt und rannten nach unten.
Semir stand unter Schock. Er brauchte eine zeitlang um zu begreifen das dieser Mann mit Andrea, seiner geliebten Frau, dieses Hochhaus hinuntergesprungen ist.
Währendessen waren die anderen unten angelangt.
Tom kniete bei Andrea und hielt ihren Kopf auf seinem Schoß.
Blut rann wie ein feiner Faden aus ihrem Mund, die Augen waren geschlossen.
Sie sah aus als würde sie schlafen. ? Andrea ? immer wieder flüsterte er , mit Tränen in seinen Augen, ihren Namen.
? Du darfst Semir nicht verlassen hörst du? ? Mit einem flehenden Blick schaute er Richtung Eingang des Hauses. Semir kam ganz langsam wie in Trance auf die beiden zu.
Dann kniete er sich neben Andrea und legte sich neben sie.
Er begann mit ihr zu sprechen, erzählte ihr alles was er an diesem Tag erlebt hatte, und was er mit Tom heute Mittag gegessen hat. Er erzählte ihr einfach alles. So wie er es abends auch immer tut wenn er von der Arbeit kommt.
Um sie herum standen Anna, Dieter und Hotte . Sie warteten auf den Notarztwagen den Dieter verständigt hatte.
Semir wusste nicht warum er ihr das alles erzählte.
Vielleicht weil er gehofft hatte sie damit aufzuwecken , ihr einfach zu zeigen das er bei ihr ist oder etwas in seinem Inneren sagte ihm das Andrea vielleicht nie wieder aufwacht und er es nicht verkraften könnte das er nicht mehr mit ihr gesprochen hatte. Aus weiter Ferne hörten Tom und die anderen die Sirene des Sanitätswagens. Semir sprach immer noch mit Andrea. Er bekam von dem, was um ihn herum geschah nichts mit.
Tom zog seine Jacke aus und knüllte sie etwas zusammen, dann legte er Andreas Kopf langsam darauf. Er stand auf um den Sanitätern mitzuteilen was geschehen ist. Auf dem Weg dorthin fiel sein Blick auf Werner Hesse. Er lag mit zerschmettertem Kopf und mit dem Bauch nach unten im Gras. Die Augen weit geöffnet. Es war kein Leben mehr in ihm.
Wortlos ging Tom auf den Arzt zu.
Frau Engelhardt bat Semir aufzustehen damit der Arzt sich um Andrea kümmern konnte, doch Semir redete immer noch auf sie ein. Tom ging nach einem kurzen Gespräch mit dem Arzt zu Dieter und nickte ihm zu. Dieter wusste sofort was zu tun war. Gemeinsam gingen die beiden zu Semir, Tom nahm den rechten Arm und Dieter Bonrath den linken.
Sie versuchten den verzweifelten Semir von Andrea los zu reisen.
Semir versuchte sich mit der letzten Kraft die er noch hatte dagegen zu wehren, doch er gab schliesslich völlig entkräftet auf. ? Sie darf nicht sterben, bitte Gott lass sie nicht sterben! Ich liebe sie doch!? flehte Semir, den Blick gen Himmel gerichtet, während Tom in mit Dieter in den Notartzt wagen setzte. ? Semir, hör mir zu!? Bat Tom seinen besten Freund , der lautlos und mit starrem Blick auf den Boden, im Notartztwagen saß ? Du bleibst hier sitzen und wartest bis ein Arzt kommt, ich gehe rüber und sehe nach Andrea, es wird alles wieder gut!?
Tom lie? Semir bei Bonrath zurück, der versuchte mit Semir zu sprechen.
Als Tom bei Frau Engelhardt und Hotte angekommen war, hatten die Sanitäter Andrea schon mit der Liege in den Wagen getragen und sind in Richtung Krankenhaus gefahren.
? Was ist mit Hesse ?? fragte Tom , obwohl er die Antwort schon wusste.
Anna brauchte ihn nur anzuschauen und Toms Vermutung wurde bestätigt. ? Ich fahre jetzt mit Hotte ins Revier. Sie k?mmern sich um Semir oder?? Anna schaute Tom mit verweinten Augen an.
? Ja Bonrath fährt gerade mit ihm ins Krankenhaus, ich werde Semir ein paar Sachen von zu Hause holen, dann löse ich Dieter im Krankenhaus ab.?
Frau Engelhardt verschwand mit Hotte in ihrem Wagen und fuhr los.
Da der Notartztwagen mit Semir und Bonrath auch schon weg war, stand Tom nun ganz alleine auf dem Rasen. Um ihn herum standen Hochhäuser, irgendwo schrie ein Kind und langsam fing es an zu regnen. Gedankenvoll stieg Tom, mit einem letzten Blick auf diesen Platz, in sein Auto und fuhr davon.
Eine laute Autohupe riss Tom aus seinen Gedanken. Langsam richtete er sich auf und als er sich umsah, wusste er das er sich auf dem Krankenhausparkplatz befand.
Er drehte den Schlüssel herum, legte den Gang ein und fuhr auf die Wache.
Dort angekommen wartete schon Anna, in ihrem Büro auf ihn.
? Gibt?s schon was neues Tom? Möchten sie einen Kaffee??
versuchte sie die ohnehin schon angespannte Stimmung etwas zu entkrampfen.
Tom schüttelte den Kopf
? Wisst ihr schon warum dieser Hesse??.?
Tom musste den Satz absetzen, zu tief saß noch der Schock über das Erlebte
? Ja Tom das wissen wir!?
?Seine Frau kam vor einer Woche bei einem Verkehrsunfall ums Leben , sie war wie Andrea im 6 Monat schwanger! Und als dieser Hesse fälschlicherwei?e bei uns noch die letzten Akten über diesen Unfall abholen wollte, sah er Andrea. Da machte es klick und er rastete aus!! Er packte sie in sein Auto und fuhr zu diesem Haus in dem er mit seiner Frau wohnte!? betroffen schaute sie auf den Boden. ? Den Rest kennst Du ja!?
Tom liefen Tränen über das Gesicht.
? Das mit seiner rau ist schlimm. Aber musste er deswegen das Leben eines anderen glücklichen Ehepaares zerstören? ? fragte Tom seine Chefin.
? Einige Leute können eben nur so ihren Schmerz ertragen wenn einem anderen das selbe Schicksal ereilt,
das ist grausam, aber es gibt solche Menschen.!?
Die Tage und Wochen vergingen, Andreas Zustand war stabil.
Und sie wurde auf die normale Station verlegt.
Semir wachte jeden Tag an ihrem Bett. Er musste ihr auch beibringen das ihr gemeinsames Kind dieses schreckliche Erlebnis nicht überlebt hatte.
Andrea war verzweifelt, doch die Zeit heilte auch diese Wunde ein wenig.
Tom und die anderen kamen sie sooft wie möglich besuchen,
Und als dann der Tag der Entlassung kam, schmückten sie Andreas Platz mit Blumen
Und warteten alle vor dem Revier.
Dann fuhr auch schon Semirs BMW vor. Er stieg aus und öffnete ihr die Tür.
Jeder umarmte sie und als sie alle begrüsst hatte setzte sie sich auf ihren Platz um aus zu ruhen , die Aufregung und den Stress sah man ihr an.
Semir kniete sich vor sie , nahm ihre Hände und schaute sie an:?
Mein lieber Schatz. Das was passiert ist kann ich nicht rückgängig machen. Doch wir haben es überstanden. Weil wir uns haben und unsere Freunde. Die dich alle sehr gern haben und möhten das Du hier wieder etwas Leben reinbringst!?
Und wie auf Knopfdruck fangen alle an wild durcheinender zu reden :? komm wieder wir vermissen dich und wir lieben dich!? Andrea lächelte :?
Ja ich muss ja wieder kommen, auf meinem computer w?chst ja schon Grünzeug weil den so lange keiner mehr angefasst hat!? Alle lachten und unterhielten sich. Semir bedankte sich bei Tom und den anderen für die Unterstützung in dieser schweren Zeit, doch ihre Blicke sagten mehr als tausend Worte. Freundschaft ?berwindet jede Grenze.
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