„Angela…bitte … ich würde alles tun, um dir deinen Mann zurück zu geben, aber es ist nicht machbar….ich werde jetzt gehen.“, legte Semir fest. Angela sah ihn an. „Bitte… Semir… ich …entschuldige…ich wollte dich nicht bedrängen. Vielleicht brauchst du etwas mehr Zeit…“, meinte sie dann. „Ich brauche keine Zeit…ich bin mir im Klaren, dass ich dir großen Schaden zugefügt habe, aber…ich werde jetzt nach Hause fahren und mich um meine Familie kümmern. Schicksale kann man nicht im Voraus planen, aber du musst damit klar kommen. Ich wünsche dir und deinen Kindern nur das Beste.“, erklärte Semir mit fester Stimme. „Du willst also gehen? Semir… du hast eine Verpflichtung mir gegenüber!“, fauchte Angela ihn an. Semir schüttelte den Kopf. „Nein… ich habe nur eine Verpflichtung meiner Familie gegenüber… Lebe wohl Angela…“, Semir stand auf und verließ das Haus. Er stieg ins Auto und fuhr nach Hause. Vergessen war die Angst mit dem Autofahren. Er raste wie eh und Je und dennoch immer konzentriert. Doch nun erwartete ihn eine Überraschung. Andrea und Aida waren nicht zuhause. „Schatz?“, rief er dennoch und ging durch die Räume. In der Küche lag ein Zettel auf dem Tisch. Semir nahm ihn und las. „Wenn du dann mal wieder für mich und meine Tochter Zeit hast, kannst du dich ja bei uns melden. Wir sind scheinbar für dich nicht mehr wichtig.“, las er. „Nein… Andrea….ich liebe dich doch.“, stieß er aus. In diesem Augenblick öffnete sich die Haustüre.
Angela brachte ihre Tochter ins Bett. „Schade mein Schatz… aber ich glaube, es wird so nicht gehen. Semir hat Recht… er hat eine eigene Familie und er ist nicht Papa… aber ich werde sicher einen finden… und bis dahin sind wir halt allein.“, lächelte sie und gab Gina einen Kuss. Sie verließ das Schlafzimmer und setzte sich aufs Sofa. Nur wenig später bemerkte sie, dass ihr die Zigaretten ausgegangen waren. Somit musste sie noch einmal raus. Am besten zum Supermarkt gegenüber… Sie sah noch einmal kurz zu Gina rein. Die Kleine schlief ruhig. Angela zog ihre Jacke über und verließ die Wohnung. Zum Glück war nicht viel im Supermarkt los. Sie holte sich zwei Schachteln und stellte sich an. Vor ihr stand ein großer Mann…schwarze Haare. Dieser schien irgendwie nicht wirklich zu wissen, was er eigentlich wollte und sah sich die Auslage der Zigaretten an der Kasse an. „Brauchen Sie noch länger? Dann lassen Sie mich doch bitte vor…“, lächelte Angela. Der Mann drehte sich um. Angela spürte wie ihr schwindelig wurde. Diese grünen Augen…sie stachen regelrecht aus dem Gesicht hervor. „Nur wenn Sie mir ihren Namen verraten, schöne Frau…“, gab der Mann unbeirrt von sich. Angela wurde rot. Zum ersten Mal nach Ginos Tod fühlte sie etwas….doch was war das für ein Gefühl? War es tiefer als bei Gino?
Semir sah zur Tür. „Oh…du bist auch schon da? Hat sie dich wieder gehen lassen?“, meinte Andrea kühl, als sie ihn sah. „Andrea… bitte…ich….ich…“, fing Semir an. „Was? Willst du mir sagen, dass du nun auch noch für Angela kochst? Die Wäsche bügelst? Was?“, fauchte sie wütend. Semir nickte. „Okay… du hast Recht…nein…du hast wirklich Recht… ich bin ein Idiot… aber ich habe wirklich ….“, versuchte er zu erklären, doch Andrea schien es nicht hören zu wollen, denn sie ging direkt dazwischen. „Was hast du, Semir? Du hast uns vernachlässigt für eine Frau, die du vorher noch nie gesehen hast. Und jetzt willst du dich rechtfertigen?“, fauchte Andrea nur los und schien in ihrer Eifersucht besessen zu sein. „Andrea... das mit Angela hab ich geklärt. Sie wird wieder ihr eigenes Leben führen, ohne mich und ohne meine Hilfe.“, versuchte Semir, doch seine Frau war nicht umzustimmen. „Nein Semir, du wirst dich bei mir entschuldigen müssen. Dafür, dass du uns so dermaßen vernachlässigt hast.“, kam es fordernd von Andrea. Semir sah seine Frau erstaunt an. Warum sollte er sich entschuldigen? Er hatte nur einer Frau geholfen, der er zuvor großes Leid zugefügt hatte und seine Frau wollte das einfach nicht einsehen. Für ihn war das, so sehr es Angela auch ausgenutzt hatte, die bester Therapie. Aber eine Entschuldigung... ein Grund für eine Entschuldigung sah er nicht. „Andrea, ich weiß, dass ich euch in den letzten Tagen ignoriert habe, aber... ich musste dieser Frau einfach über die schwere Zeit hinweg helfen.“, erklärte er, ohne direkt eine Entschuldigung auszusprechen. „Semir... sag einfach, dass es dir Leid tut.“, forderte Andrea. Sie schien nicht zu verstehen. Sie verstand nicht, dass dies für Semir einfach die Gelegenheit war, seine letzte, noch verbliebene Schuld für immer zu tilgen. „Andrea, willst du mich nicht verstehen?“, warf er ihr vor. „Ich verstehe sehr gut. Diese Frau war dir wichtiger, als wir und das, Semir, das werfe ich dir vor.“, fauchte sie. Kopfschüttelnd griff sich Semir die Hausschlüssel und ging an Andrea vorbei. Seine Sachen hatte er ja noch an. „Wo willst du hin?“, rief sie ihm nach, doch Semir antwortete nicht. „Semir.“, schrie sie hinter her, doch ihr Mann lief einfach die Straße entlang, bis er im Schneegestöber und der einbrechenden Dunkelheit nicht mehr zu sehen war. „Wo geht Papa hin?“, wollte Aida wissen, die plötzlich neben Andrea aufgetaucht war. Sie sah ihre Tochter ratlos an. Wenn sie das nur wüsste.
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