„Okay... Semir, soll ich dir deinen Pullover einpacken? Es wird bestimmt noch kalt da unten sein und noch Schnee liegen.“, rief Andrea ihrem Mann ins Bad nach. Semir streckte den Kopf raus und sah sie überlegend an. „Wir bleiben zwei Wochen, oder? Na, nimm ihn mal mit. Kann sicher nicht verkehrt sein.“, erwiderte er und ging dann duschen, kam aber noch mal raus und ließ Felix auf den Teppich runter. „Wann lernst du es endlich, dass du in der Dusche nix verloren hast, du fauler Kater?“, fragte er und kraulte seinem Pflegetier den Kopf. Maunzend sah das Tier Semir nur mit einem giftigen Blick hinterher. Wieso musste dieser Mensch ihn gerade in seinem schönsten Träumen aus der warmen Dusche schmeißen?, dachte der Kater und ging dann mit erhobenem Schwanz an Andrea vorbei und lief ins Wohnzimmer. „Hast du schon mit Ben gesprochen?“, wollte Andrea wissen, als Semir nach einer halben Stunde wieder aus der Dusche kam. Sich die Haare trocken rubbelnd, sah Semir seine Frau an und nickte nur. „Also wird er sich um Felix kümmern?“, fragte sie. „Sogar mehr, als das. Er wird für die beiden Wochen hier wohnen, damit der Kater nicht aus seiner Umgebung herausgerissen wird. Ben meinte, dass Katzen da einen emotionalen Schaden davon tragen können.“, meinte Semir und rollte mit den Augen. Auch Andrea musste lachen. „Seid wann weiß er denn so was?“, fragte sie lachend. „Tja, seit er weiß, dass wir den Kater haben, meint er, er muss mir Ratschläge geben.“, grinste Semir nur und zog sich wieder an. „Bin gespannt, wie er ab morgen mit dem Katzentier zurechtkommt.“, kicherte er und wusste, dass Felix mehr als wählerisch war, wie er in den letzten Wochen feststellen konnte.
Die Nachtruhe in der JVA Ossendorf stand an und der Wärter machte seine Runde in den Zellen. Zu guter Letzt warf er einen Blick in eine der abgelegeneren Einzelzellen. „Klein, Licht aus.“, rief er durch das Guckloch, doch von dem Sträfling war nichts zu sehen. Der Mann wurde stutzig und schloss die Tür auf, ging langsam in den kleinen Raum hinein. Doch schon im nächsten Moment spürte er einen festen Handgriff um seinen Hals und wie ihm die Luft abgedrückt wurde. „Ganz ruhig, dann bleibst du am Leben.“, zischte ihm die Stimme des Insassen ins Ohr. Dann ein Schlag ins Genick und der Wärter lag bewusstlos am Boden. Schnell tauschte der Mann die Klamotten mit dem Bewusstlosen, fesselte ihn ans Bett und legte das Bettzeug über ihn. Mit vorsichtigem Blick schloss er die Zellentür ab und ging geradewegs zum Ausgang. Er hatte sich in den letzten Wochen alles ganz genau überlegt. Wenn er hier nur wegkommen würde, würde er sich irgendwo Geld beschaffen und dann raus aus diesem Land, zu dem einzigen Menschen, dem er je etwas bedeutet hatte. Christopher Klein sah sich immer wieder um und verließ dann mit einem heftig schlagenden Herz das Gefängnis. Alles hatte geklappt. Wenn jetzt noch das andere alles klappen würde, bin ich frei, dachte er, und könnte ganz von vorne anfangen.
Für Michaela und Claudia fing der Tag an wie immer. Ihr Kindergarten lief wunderbar und mittlerweile hatten sie sogar einen Hort für die Schulkinder eingeführt. Sie hatten eine weitere Erzieherin eingestellt und in Laura eine sehr engagierte Kraft hatten. Die Kinder hatten ein riesiges Vertrauen in die junge Frau, die Michaela und Claudia auch sehr entlastete. Während sie sich um die Kleinsten kümmerten, waren die Schulkinder in den Händen von Laura in guten Händen. Doch noch etwas hatte sich verändert. Seit Christopher Klein von Michaela getrennt war, schien sie noch engagierter an die Arbeit heran zu gehen. Sie ging nicht mehr aus und lebte nur noch in ihrem Beruf aus. Claudia sah besorgt auf ihre Freundin, die sich immer mehr einigelte. „Was hältst du davon, wenn wir heute Abend ins Kino gehen?“, schlug sie vor. Michaela sah sie an. „Ich weiß nicht… ich meine…irgendwie hab ich dazu keine Lust mehr…“, gab sie zurück. „Michaela….du willst nicht ins Kino…du willst nicht ausgehen… du willst gar nichts mehr… Verdammt es gibt doch noch ein Leben nach Christopher… es sind doch nicht alle Männer so gemein. Du musst dir einen neuen Mann suchen. Glaub mir… dann geht es dir viel besser.“, sprach Claudia auf sie ein. Michaela sah sie an. „Aber…ich…ich habe Angst… was wenn Christopher plötzlich vor mir steht?“, wollte sie wissen .Claudia lachte leise. „Christopher ist im Gefängnis, wo er hin gehört. Du solltest dich nicht auch in ein privates Gefängnis stecken… und nun keine Widerrede… wir gehen heute Abend ins Kino. Der neue Film mit Brad Pitt läuft an…“, bestimmte Claudia. Michaela lächelte bitter. „Also gut….wir gehen ins Kino…“, stimmte sie nun endlich zu.
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