Mai 1636
Sie stürmten in das Kloster Heisterbach, durchbrachen das große, schwere Eichentor und schrieen wie die Furien. Die Soldaten schossen wild um sich, ließen die Säbel über ihren Kopf kreisen und schlugen unbarmherzig auf die Priester ein. Europa befindet sich im großen Krieg, dem Dreißigjährigen Krieg, der längste religiös motivierte Konflikt in der Geschichte der Menschheit. Bernhard sah aus dem Fenster und schloss es schnell wieder, als eine Kugel in die Fensterscheibe einschlug. „Herr, beschütz uns und unsere Brüder vor den Wüten der Soldateska.“, betete der Mönch und sah auf den Wandschmuck, das goldene Kruzifix und der goldene Bibelständer. Das und die vielen Goldmünzen, die in den beiden Truhen unter dem Altar versteckt waren. „Schnell Antonius,“, rief er seinem jungen Novizen zu, „wir müssen die ganzen Sachen Gottes in Sicherheit bringen.“ Schnell griffen sie sich die Truhen, das andere Zeug und schafften alles in den Klostergarten hinaus. Keine Minute zu früh, denn im nächsten Moment kamen kaiserliche Söldner in die kleine Kapelle und legten Feuer. Sie durchsuchten alles, doch dann sahen sie durch das Fenster den Mönch und den jungen Novizen. „Die verschwinden. Hinterher.“, schrie der Hauptmann und sofort verschwanden die Soldaten wieder, rannten hinter den Mönchen her und sahen den jungen Novizen. Beide kamen aus den Wald. „Schnell Pater, laufen sie.“, forderte der Junge und nahm eine Schaufel, um sich gegen die drei Soldaten zu wehren. „Nein, lauf du, Junge.“, forderte der Pater und riss dem Jungen den Spaten aus der Hand. „Lauf... Lauf.“, rief er ihm nach und der Junge lief, geriet außer Reichweite der Soldateska, versteckte sich in ein Erdloch. Doch er konnte den Blick nicht vom Pater wenden. Den ersten Soldaten konnte der alte Mann in der Kutte noch abwehren, doch dann wurde er von einer Hellebarde, einer langen Stangenaxt mit großer Spitze, durchbohrt und der Kopf wurde ihm von den Schultern geschlagen. Damit nicht genug. Die Soldaten banden den Körper an ein Pferd und schleiften ihn um das ganze Klostergelände. Er wurde mit den anderen Erschlagenen in die Bäume gehängt oder an große Kreuze geschlagen. Das Kloster brannte vollkommen aus. Zurück blieben nur Ruinen. Der junge Novize konnte entkommen und schrieb später seine Erlebnisse nieder. Und er zeichnete eine Karte von dem vergrabenen Schätzen.
September 2009
Max Baumbach war damit beschäftigt, die Akten aus dem verschütteten Kölner Stadtarchiv zu bergen und zu rekonstruieren. Dabei fiel ihm ein kleines, verschlossenes Lederbuch in die Hände, dass er in den Seiten einer alten Dürerbibel gefunden hatte. Die Seiten der Bibel waren so durchtrennt, dass man darin das Buch versteckt hatte. Der Verschluss der Bibel schien lange nicht geöffnet worden zu sein und hatte sich durch die Verschüttung deformiert. „Dies ist ein Buch des Schreckens. Es birgt ein großes Geheimnis. Wer es lüftet, ist ein gemachter Mann.“, las er in der Einleitung. Sofort schlug der das Buch wieder zu. Das war eine Sensation. Eine Handschrift aus dem Dreißigjährigen Krieg, das war eine Sensation und dann noch mit einer Karte. Der junge Student konnte es noch gar nicht fassen. Er musste sofort seinem Professor davon berichten.
Arthur Herrmann, Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit, saß in seinem Büro und sah auf, als die Tür aufsprang. „Herr Professor, ich muss sie dringend sprechen.“, kam es keuchend von Max. „Langsam, langsam, junger Freund.“, stieß der Professor aus und legte sein Monokel weg. „Was haben sie denn?“, wollte er wissen und polierte sein Augenglas. „Hier... das habe ich gefunden.“, erwiderte er und legte ihm das kleine Buch auf den Tisch. Voller Freude wartete der junge Historiker auf die Reaktion seines Chefs. Dieser nahm das Buch in die Hand und schlug es auf. Auch er las das Vorwort. Schlagartig schloss er es und drückte den Verschluss wieder zu. „Das ist eine Sensation. Sehr gut... Sehr, sehr gut.“, erwiderte der Historiker und legte das Buch in den Tresor. „Jetzt machen sie mir ihrer Arbeit weiter. Wir werden uns darum nach Feierabend kümmern. Machen sie im Archiv weiter. Wir müssen noch viele Akten durchsehen und rekonstruieren.“, bat er seinen studentischen Mitarbeiter und dieser ging zurück an die Arbeit.
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