Kapitel 1.
Familie über alles
Nico Fiancelli saß in seiner Wohnung am Rheinufer und zupfte auf seiner Gitarre. Monoton fiel der Regen gegen die Fensterscheiben, doch Nico ließ sich davon nicht in seiner ruhigen Art in eine Melancholie hinunterziehen. Schweigend zupfte er an den Gitarrenseiten und beobachtete das bunte Treiben auf den Straßen. Menschen gingen in ihre Regenmäntel und Jacken gehüllt durch den strömenden Regen. Nico sah ab und zu durch seine Fenster nach draußen. Er schüttelte nur den Kopf. „Es muss schon heute etwas dringendes zu erledigen sein, dass ich mich da raus traue.“, murmelte er und holte sich eine Cola aus seinem Kühlschrank.
Wieder ging er zu seinem Instrument, das auf der ausgesessenen Ledercouch lag, doch das Klingeln seines Handys lenkte ihn zu seinem Esstisch. „Ciao, hier Nico.“, meldete er sich. „Hallo, Ben hier.“, meldete sich Ben Jäger. „Ah Ben, was gibt es? Sonst rufst du doch immer an, wenn du was auf dem Herzen hast.“, lachte der Italiener, der vor einigen Jahren erst nach Deutschland gekommen war. „Keine Bange Nico, ich werde dich heute nicht mit meinem Liebesleben nerven.“, erwiderte Ben am anderen Ende der Leitung und lachte laut los. „Was hast du denn nun wirklich?“, wollte Nico wissen. „Pass auf, die Jungs und ich treffen uns nachher in unserem Probenraum. Kommst du auch zur Bandprobe?“, wollte Ben wissen. „Klar, um nichts in der Welt lass ich mir eure Katzenmusik entgehen.“, erwiderte der Italiener und lachte laut los. „Ha ha, so schlecht spielen wir ja wohl nicht.“, murrte Ben. „Schon klar... nein, ich komme. Wieder um die gleiche Zeit wie letztens?“ „19 Uhr. Okay, bis später.“, verabschiedete sich Ben. Nico lachte nur und legte sein Handy dann ebenfalls weg. „Was für ein verrückter Kerl.“, dachte er laut.
Luciano Fiancelli saß in seinem Auto vor der Wohnung seines Vetters und spielte mit seinem Handy in der Hand herum. Er wusste, was seine Einstellung seinem Vetter Nico zu seiner Familie in Italien hatte. Hier in Deutschland umschrieb man sie fast vornehm mit den Worten „ehrenwerte Gesellschaft“. Nico wollte von dieser Familie nichts wissen, war deshalb nach Deutschland geflüchtet. Doch das Familienoberhaupt, ihr Großvater in Italien, in einer abgeschiedenen Villa in der Nähe von Rom, verlangte den Zusammenhalt der Familie. Zumal Nico der Nachfolger seines Vaters werden sollte, der mit einer schweren Krankheit zu kämpfen hatte, und in die „ehrenwerte Gesellschaft“ eingegliedert werden. Das war die Aufgabe von Luciano. Er stieg aus und ging auf das Haus zu, wo sein Vetter seine Wohnung hatte. Er wollte mit ihm persönlich sprechen. Sollte er sich weigern, mit ihm nach Italien kommen, hatte er vom Großvater schon entsprechende Anweisung erhalten. Dazu genoss er die volle Unterstützung der hier ansässigen Mafiabosse.
Semir und Andrea saßen auf ihrer Terrasse. Semir hatte sich für heute frei genommen um mit Andrea die Versöhnung nach dem vergessenen Urlaub zu feiern. „Ich war echt ein Esel. Ach Andrea… wieso ist das denn so schwer ein paar Termine zu merken. Ich meine… okay… ich bin beruflich sehr angespannt und habe ne Menge Dinge im Kopf. Nur das was wirklich wichtig ist, das vergesse ich…“, erklärte er. Andrea sah ihn an. „Semir… dein Problem ist dass es für dich eigentlich nur den Job gibt. Du musst abschalten. Wenn Feierabend ist, dann ist Schluss mit dem Job. Dann zählen nur ich und Aida. Das musst du dir angewöhnen. Feierabend heißt entspannen. Solange du das nicht kannst, dann wirst du immer Termine vergessen. Aber nun genug von dem Thema. Was hältst du davon, wenn wir heute Abend grillen? Wir laden Ben ein und machen uns einen schönen Abend. Susanne könnte ja auch kommen. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass da zwischen Ben und Susanne was laufen kann.“, schlug Andrea vor. Semir nickte begeistert. „Hast du das Wetter bemerkt? Auch wenn es nicht kalt ist, aber es schüttet aus Kübeln. Was meinst du wie schnell die Stimmung den Bach runter geht?“, stöhnte Semir. „Ja aber es ist nicht kalt und wir haben einen Elektrogrill. Da können wir dann auch im Wohnzimmer oder hier auf der Terrasse grillen. Egal bei welchem Wetter. Das wäre auch Ben und Susanne egal…“, grinste Andrea. Semir hob die Hände. „Ich will mich nicht mit dir streiten! Also gut… dann werde ich mich jetzt in den Wasserfall dort stürzen und einkaufen gehen….“, stöhnte er gekonnt. Andrea sah ihn strafend an. „Du hast doch ein Auto… darin wirst du schon nicht nass werden. Also… wir brauchen Würstchen, Rippchen, Koteletts, Salate, Ketschup, Majo, Tzaziki und Getränke… Bier, Limonade, Cola, Wasser…“, zählte sie auf. „Alles klar…!“, grinste Semir und erhob sich schwerfällig.