Die Chefin nickte Semir zu.
„Gehen sie zu Ben, Semir, er braucht sie jetzt. Wir fahren ins Büro. Wenn irgendetwas passiert, lassen sie es uns bitte wissen.“
Ben lag bleich in seinem Bett, angeschlossen an die üblichen Geräte, die über ihn wachen sollten. Er sah furchtbar aus. Man sah ihm deutlich an, dass er dem Tod näher als dem Leben war. Semir trat an Ben´s Bett und setzte sich auf den Stuhl, der daneben stand. Stumm blickte er seinen Freund an. Man hatte ihn auf eine Gel-Unterlage gelegt, wohl um seinen geschundenen Rücken zu schonen. Ein großer Verband zierte Bens Schulter. Sein Haar klebte an seinem Kopf, die Bartstoppeln der letzten Tage prangten in seinem Gesicht. Es wirkte irgendwie eingefallen und gab das wider, was Ben in den letzten Tagen durchgemacht hatte.
Semir legte seine Hand auf die von Ben. Sie fühlte sich heiß an, wahrscheinlich hatte er noch Fieber.
„Warum?“
Immer wieder stellte sich Semir diese Frage. Immer wieder versuchte er zu ergründen, warum so etwas geschehen durfte.
Warum Ben?
Was hatte er getan, um so bestraft zu werden?
Warum immer seine Partner?
Semir wischte sich mit dem Handrücken die Müdigkeit und auch ein paar Tränen aus den Augen. Plötzlich spürte er, dass er keine Kraft mehr hatte. Er war wie ausgelaugt, wollte einfach nur noch schlafen. Er merkte nicht mehr, wie sein Kopf auf Bens Brust fiel und ihn ein tiefer, erschöpfter Schlaf übermannte.
Er wusste nicht, wie lange er so da gelegen hatte, als er durch die Stimme der Krankenschwester geweckt wurde, die nach Ben sah.
„Herr Gerkhan? Herr Gerkhan…….wollen sie sich nicht etwas hinlegen? Sie sind ja völlig fertig.“
Semir hob den Kopf und blickte in das freundlich lächelnde Gesicht der fürsorglichen Krankenschwester.
„Nein, nein, es geht schon…….ich bleibe hier bei Ben. Ich will bei ihm sein, wenn er wach wird.“ Er reckte sich und rieb mit den Händen über sein Gesicht.
„Aber ein Kaffee wäre nicht schlecht. Wo gibt es hier so was?
Wieder lächelte die Schwester ihm zu. Sie hatte Ben´s Vitalfunktionen überprüft und wandte sich zum Gehen.
„Ich werde ihnen einen bringen.“ Mit einem Blick auf Ben fügte sie hinzu: „Sein Zustand scheint stabil zu sein.“
Es waren keine fünf Minuten vergangen, als sie mit der versprochenen Tasse Kaffee zurückkam und sie Semir in die Hand drückte, der sie dankbar annahm.
Er nahm einen Schluck von dem heißen Getränk, das hoffentlich gleich seine Lebensgeister wecken würde und sah wieder zu Ben.
Wie lange würde es dauern, bis Ben die Augen aufschlug? Stunden? Tage? Wochen?…..oder würde er gar nicht mehr aufwachen?
„Ben….bitte wach auf! Wir alle brauchen dich. Denk auch an Susanne, sie macht sich große Sorgen um dich. Mach endlich die Augen auf.“
Semir redete auf Ben ein, hoffte, dass der ihn hören würde, aber er reagierte immer noch nicht. Semir seufzte resigniert, aber er durfte die Hoffnung nicht aufgeben, also versuchte er immer wieder, zu Ben durchzudringen.
„Ben, Ich schwör dir, ich schreib in Zukunft alle Berichte selbst – wenn du nur wieder aufwachst.“ Die Verzweiflung war deutlich aus Semirs Stimme herauszuhören, aber wieder war keine Reaktion zu sehen.