„Andrea, wir müssen dann los.“, rief Semir nach oben und hievte die Koffer ins Auto. Mittlerweile waren seit der Geiselnahme in seinem Haus sieben Wochen vergangen. Alles hatte sich wieder eingerenkt. Nur sein damals gebrochener Arm schmerzte noch etwas und wollte noch nicht so mit der Feinmotorik, aber Autofahren ging schon wieder sehr, sehr gut. „Semir, nimmst du bitte auch die Tasche aus dem Wohnzimmer mit...und denk an die Kamera.“, rief sie nach unten. Der Mann sah sich um. Wo war jetzt die Kamera nur? Semir hatte diesen Camcorder extra für sein bald ankommendes Kind gekauft. Eigentlich, so hatte er zu Andrea vor einer Woche noch gemeint, wäre es unsinnig, jetzt in den Urlaub zu fahren, da das Baby doch jeden Tag kommen konnte. Doch seine Frau hatte ihn beruhigt. „Semir, der Termin ist erst in sieben Wochen. Also, lass uns die drei Wochen auf der Insel genießen.“, hatte sie ihm gesagt. Damit gab sich der Deutschtürke zufrieden. Vergeben suchte er die Kamera. „Schatz? Wo liegt denn die Kamera?“, wollte er rufend von seiner Frau wissen. Einige Momente der Stille verstrichen. „Die müsste auf dem Kamin sein.“, gab sie bekannt und kam dann mit einer kleinen Tasche die Stufen runter. „Hast du sie?“, fügte sie hinzu. „Hier...“, meinte Semir triumphierend und hielt die Kamera mit erfolgreichem Grinsen hoch. „Fein, du Superheld. Pack sie ein und nimm noch einige CDs für die Autofahrt mit.“, bat sie. „Ist Aida schon im Wagen?“, wollte er dann wissen. „Sie wollte noch ein Stofftier aussuchen. Vielleicht hilfst du ihr dabei.“, lächelte Andrea nur und ging schon zum Wagen vor. „Klar, mach ich gerne.“
Aida stand vor ihrer Stofftierecke und sah diese mit ihren großen Augen an. „Aida?“, hörte sie die Stimme ihres Papas, der die Stufen hinaufstieg und dann einen prüfenden, aber liebevollen Blick in ihr Zimmer warf. „Papa, hilf mir.“, bat die Dreijährige und deutete auf die Stofftiere. „Was ist denn, mein Schatz?“, wollte Semir wissen und kniete sich neben seine Tochter. „Soll ich Bobo oder meinen Tiger mitnehmen?“, wollte sie mit ihrer kindlichen Stimme wissen. Semir lächelte sie nur an. „Weißt du was, wir nehmen beide mit. Bobo, damit er auf dich aufpasst und Tiger, damit er auf Bobo aufpassen kann.“, schlug Semir vor. „Au ja.“, rief sie erfreut aus und drückte ihrem Papa einen dicken Schmatzer auf die Wange. Semir sah sie die Treppe runterrennen, nahm dann ihren kleinen Koffer und brachte auch noch das restliche Gepäck zum Wagen. Als dann alles verladen war, ging die Fahrt los. Vor der kleinen Familie lag eine Strecke von 751 Kilometern und sieben Stunden Autofahrt, wenn sie mit dem Verkehr Glück hatten. Endlich Urlaub...oder etwa nicht?