Außerdem glaubte sie im Nachhinein nicht, dass er ihr gegenüber handgreiflich geworden wäre. Ihr zuliebe hatte Ben also auch darauf verzichtet, die Körperverletzung ihm gegenüber weiter zu verfolgen.
Semir war also allein unterwegs, um Befragungen durchzuführen und Alibis zu überprüfen. Ben war diese Aufteilung ganz recht, zum einen konnte er so seinen Kopf noch etwas schonen, zum anderen konnte er so Susanne bei ihrer Arbeit beobachten. In den letzten Wochen hatte er es sich immer verkniffen, sie anzusehen und das war ihm sehr schwergefallen. Jetzt genoss er einfach ihren Anblick. Dass er mit seiner Arbeit deswegen nur recht langsam vorankam, störte ihn wenig. Und als dann die Kollegen aus Bonn anriefen, um mitzuteilen, dass sie den Gesuchten verhaftet hatten, ließ Ben endgültig die Arbeit Arbeit sein und entspannte sich noch ein Weilchen auf der Couch, die im Aufenthaltsraum stand.
„He Kollege, aufwachen“, drang Semirs Stimme am sein Ohr. „Im Dienst schlafen, das geht ja gar nicht!“ sagte er dann streng, aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ben blinzelte. „Ich hab nicht geschlafen“, murmelte Ben, „ich hab nur kurz die Augen zugemacht.“ Semir grinste immer noch, während Ben langsam aufstand, als Susanne ihren Kopf zur Tür reinsteckte. „So, ich bin fertig, wir können.“ Semir sah zu ihr. „Ich glaube, dein Freund braucht noch einen Moment. Übrigens, Andrea hat angerufen. Sie hat vorgeschlagen, dass wir heute Abend zur Feier des Tages essen gehen.“ Fragend blickte er abwechselnd zu Susanne und Ben. Ben sah seine Freundin an. Seine Freundin. Wie gut es tat, das wieder sagen und hören zu können. Er konnte ihr ansehen, dass sie diesen Vorschlag gerne annehmen würde. Ihm selbst war eigentlich nach einem gemütlichen Abend zuhause zu Mute, aber er wollte sie nicht enttäuschen. Er musste sowieso etwas essen. Außerdem war es schon so lange her, dass sie zu viert etwas unternommen hatten, dass es schon fast gar nicht mehr wahr war. „Also gut, warum nicht“, stimmte er also zu und freute sich, als er Susannes glücklichen Gesichtsausdruck sah. „Prima“, sagte Semir. „Dann gebe ich Andrea Bescheid, treffen wir uns um sieben Uhr beim Italiener?“ „Ja gerne, wir freuen uns, bis später dann“, antwortete Susanne für sich und Ben.
Die vier verbrachten einen schönen Abend mit einem guten Essen und angeregten Gesprächen. Die Stimmung war gelöst und locker, Ben lachte so viel wie schon lange nicht mehr und war im Nachhinein sehr froh, die Einladung doch angenommen zuhaben. Nachdem sie sich dann verabschiedet hatten, machten Ben und Susanne noch einen kleinen Spaziergang. Eng aneinander gekuschelt bummelten sie durch die fast menschenleeren Straßen. Doch als sie um eine Ecke bogen, blieb Ben auf einmal wie angewurzelt stehen. Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können und sah noch einmal genauer hin. Doch es gab keinen Zweifel. Bei einem der beiden Männer, die ein Stück weit von ihnen entfernt in ein Gespräch vertieft waren, handelte es sich definitiv um Wagner! Dieses Gesicht würde Ben nie vergessen können und überall wieder erkennen. „Was ist denn los?“ fragte Susanne beunruhigt.