Der nervige Klingelton ging mitten in der Fahrt los und Ben sah zu Semir, der auf dem Beifahrersitz sass und unaufhörlich fluchte, als er das Handy in allen Taschen suchte. Ben sah zwischen den Sitz hinunter, fischte mit einer Hand das Mobiltelefon hervor und reichte es seinem Partner. „Danke“, grummelte dieser und nahm ab. „Andrea, Schatz, was gibt’s?“, fragte dann mit aufgesetzter, lieblicher Stimme und Ben rollte grinsend mit den Augen. „Was? Wieso, warum?“ Immer wieder wiederholte Semir die Fragewörter und klang wie ein kleines Kind, dass quengelte, weil es etwas tun musste, was es nicht tun wollte. „Andrea, wieso dieses Wochenende? Ich habe dieses Wochenende doch nicht frei…ja natürlich ist das ein Grund aber, dann muss ich ja Abends mich alleine in die Decke kuscheln!“ Semir sah zu Ben der seinen Mund zu seinem O formte und ihn dabei anzwinkerte. Semir fuchtelte seinem Partner mit der Hand wild im Gesicht rum und Ben verstand. Er konzentrierte sich wieder auf den Verkehr und versuchte, dem Gespräch von Semir keine Beachtung zu schenken, was ihm aber sichtlich schwer fiel, da er sich über Semirs Verhalten nur amüsieren konnte.
„WAS? Bestimmt nicht! Nichts da, die kommt mir nicht ins Haus, wenn ich arbeiten muss und am Abend todmüde nach Hause komme! Ja was kann ich dafür, wenn die sich in meiner Gegenwart wie eine alte Kratzbürste benimmt?“ Ben ahnte so langsam um wen es sich in diesem Gespräch handelte. Denn obwohl Semir ein Türke und Muslim war, deren Männerstolz ja bekanntlich unendlich war, behandelte er die Frauen immer respektvoll und achtete auf die richtige Ausdrucksweise – wie ein wahrer Gentleman eben. Für Ben war Semir das beste Beispiel eines guten integrierten Ausländers der seinen deutschen Pass zu Recht verdient hatte.
Nur eben…bei einer Frau konnte Semir das überhaupt nicht, doch dieses Leid, trug er wahrscheinlich mit aber Millionen Männern auf dieser Welt.
„Andrea, deine Mutter kommt dieses Wochenende bestimmt nicht in mein Haus! Vergiss‘ es! Auf gar keinen Fall!“ Ben konnte sich ein Prusten nicht verkneifen. Er hatte es gewusst, Semir konnte, wie so viele Männer, seine Schwiegermutter nicht ausstehen und bezeichnete sie immer als „rachsüchtige Hexe“ wenn Andrea nicht in der Nähe war.
„Ja, dann fahrt doch zu ihr hin! Nein wir sind nicht wieder am Anfang! Nein ich mache nicht alles noch komplizierter!“, keifte Semir energisch und Ben musste sich wirklich konzentrieren, den Blick nicht von der Strasse zu wenden.
„Ja eben wo liegt dann das Problem? Bis heute Abend!“, beendete Semir seinen Wutanfall und hängte auf. „Alle Punkte der Liste abgehackt Herr Familienregent?“, fragte Ben grinsend uns Semir schlug kurz aufs Armaturenbrett. „Diese Frau bringt mich noch ins Grab!“ „Wer jetzt, Andrea oder dein geliebtes Schwiegermütterchen?“ Semir knurrte kurz. „Wahrscheinlich Beide“, gab er dann kurz zur Antwort.
„Wenn du willst, kannst du auch in an dem Wochenende zu mir pennen kommen, dann machen wir Abends immer eine schöne Männerrunde. Hab‘ mir drum die neuste Konsole gekauft und hab sogar ein neues Rennspiel. Natürlich nur wenn du Bock hast…“ Semir lächelte leicht. „Ja, in deiner Müllhalde zu schlafen ist mir immer noch lieber als diesem Biest über den Weg zu laufen“, sagte er und puffte Ben in die Seite.
In diesem Moment überholte ein dunkelblauer Audi sie in einer hohen Geschwindigkeit und Autos mussten ausweichen, weil der Fahrer des Wagens nur geradeaus fuhr. „Sag‘ mal geht’s dem noch?“, schimpfte Ben und Semir nahm die Kelle hervor. „Hol‘ den ein, ich bin gerade in der richtigen Stimmung, um jemand zur Sau zu machen“, sagte er angriffslustig und Ben trat aufs Gaspedal. Gerade, als er daran war, den Wagen einzuholen, nahm dieser eine starke Kurve, durchbrach eine Leitplanke und fuhr über einen Hügel. Der Wagen schwang sich in die Luft und verschwand hinter der Erhebung. „Ach du scheisse!“, stiess Semir hervor und Ben parkte den Wagen sofort auf dem Pannenstreifen. Sie rannten über den Hügel und sahen, dass der Wagen normal stand, aber das Dach eingedellt war, also musste sich der Wagen überschlagen haben. Aus der Motorhaube, entwich ein wenig Rauch. Semir und Ben rannten hinunter und erblickten einen Mann in Bens Alter, der am Steuer sass. Er trug sein dunkelbraunes, beinah schwarzes Haar kurz. Die Kleidung bestand aus dunkelblauen Jeans, Lederschuhen und einem Jackett.
Er war bewusstlos. Aus einer Platzwunde an der Stirn, floss Blut und der Mann zitterte, war schweissüberströmt. „Er muss sofort hier raus“, murmelte Semir und löste den Sicherheitsgurt, damit Ben ihn raustragen konnte. Er legte ihn auf den Boden und fühlte den Puls. „Meine Güte der rast wie eine Dampfwalze“, murmelte er und holte sein Handy hervor. „Ich rufe sofort einen RTW“, sagte er zu Semir und dieser nickte. Ein grässlicher Gestank drang in seine Nase und er roch, dass dieser vom Kofferraum aus kam.
Ben tastete den Bewusstlosen nach weiteren Verletzungen ab, tatsächlich, fühlten sich einige Rippen der rechten Seite seltsam an und mussten anscheinend gebrochen sein. Ben suchte in seinen Taschen nach einem Hinweis, wer der Mann sein konnte, als er schlussendlich eine Geldbörse gefunden hatte, hörte er ein Würgen von Semir und ging auf ihn zu. „Was ist?“, fragte er und blickte ein den Kofferraum. Eine abgemagerte Leiche eines jungen Mannes lag darin. Nur noch in der Unterwäsche bekleidet. Im Brustkorb steckte ein Messer. „Meine…“, weiter kam Ben nicht. Er hielt sich die Hand vor dem Mund um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken, mit der anderen klappte er die Geldbörse auf und was er da im Kartenfenster sah, liess ihn die Übelkeit sofort vergessen. Er rannte wieder sofort zu dem Verletzten um das Foto zu überprüfen. „Semir!“, rief er und der Angesprochene kam sofort zu um. „Sieh dir das mal an.“ Semir nahm die Geldbörse, die Ben ihm entgegenstreckte, an sich und sah sich die Karte an. „Verdammt…“, stiess er aus und las nochmals genau.
„Noah Riemann – Mordkommission Köln…“