Semir schlief fest und dennoch unruhig. In Gedanken sah er immer wieder Andrea und den Bildschirm, der ihn mit großer, piepsender Grausamkeit den Tod seiner Frau anzeigte. „Semir... Semir, ich bin immer bei dir.“, rief ihm eine Stimme durch eine Nebelwand zu. „Andrea?“, erwiderte er, erst leise und dann lauter. „Andrea! Bitte geh nicht.“, stieß er aus und schreckte dann aus dem Schlaf hoch. Das gleichmäßige, rhythmische Piepsen der Geräte zeigte ihm, dass es seiner Frau den Umständen entsprechend gut ging. Mit verschwommenen Blicken sah er auf die Uhr. Gerade mal halb sechs. Vollkommen benebelt vom Schlafmittel, was ihn der Arzt in den Arm gejagt hatte, stand er vorsichtig auf, zog sich seine Schuhe an und schlurfte den Gang entlang. Sein Hals war vollkommen ausgetrocknet und fühlte sich wie zugeschnürt an. Ein Bein nachziehend schaffte er es schließlich bis zum Getränkeautomat, warf eine Münze ein und zog sich einen dieser Instandkakaos aus dem Automaten. Kaffee würde ihn sofort munter machen oder seinen ohnehin schon leeren Magen umstülpen. Das wollte er im Moment tunlichst vermeiden. Mit seinem heißen Getränk in der linken Hand ging er weiter und kam an einem der Behandlungsräume in der Notaufnahme vorbei. Sein umher schweifender Blick fiel kurz auf eine blutgetränkte, olivefarbene Jacke. Semir hielt in seinem Schritt inne, ging zurück und warf erneut einen Blick in den verlassenen Raum hinein. Die Jacke... sie kam ihm so bekannt vor. Doch woher? Vorsichtig näherte er sich dem Kleidungsstück, hob es an und ließ es gleich wieder sinken, als das Handy aus einer der Taschen auf die Liege plumpste. Ein böser Verdacht keimte in ihm auf. „BEN?!!“, schrie er plötzlich. Ein Arzt, der sich gerade zum OP fertig machte sah ihn an. „Sie kennen den Mann?“, wollte er wissen. Semir nickte. „Mein Kollege...wo ist er? Was ist mit ihm?“, fragte er leise. „Er... wird gerade operiert... es... es sieht nicht gut aus...“, erklärte der Arzt. Semir sah mit weit aufgerissenen Augen durch das kleine klare Glas in der Tür. Hektik kam auf und Semir sah, wie die Ärzte und Schwestern sich um Ben kümmerten. „Nein... das geht nicht... das kann nicht sein...“, murmelte er. „Er wurde angeschossen. Wir werden alles versuchen... aber... Sie sollten seine Familie benachrichtigen.“ Der Arzt legte Semir die Hand auf die Schulter. „Aber... das geht nicht...“, murmelte Semir erneut.
Langsam öffnete Konrad eine weitere Tür. Doch kaum hatte er sie geöffnet schossen Pfeile auf ihn zu. Er schaffte es nicht sich wegzudrehen und aus dem Gefahrenbereich zu kommen. Drei Pfeile drangen in seine Brust. Wieder hatte der Fluch zugeschlagen. Konrad sank tot zu Boden. „Der Weg ist frei für uns....“, meinte einer der vier Verfolger und nun betraten sie das heilige Zimmer worin ein sagenumwobener Schatz sein sollte. Sie sahen sich bereits vor Bergen voller Gold und Silber. Doch sie wurden eines besseren belehrt, denn vor ihnen war nichts außer kleine Fässer. Damiano war der erste, der eines der kleinen Fässer öffnete und seine Hand hineinsteckte. Nur Sekunden später schrie er auf und zog seine Hand wieder heraus. Daran hing ein Skorpion der immer wieder mit dem Schwanzende zustach. Damiano sackte zu Boden. Er fing an zu röcheln und starb einen qualvollen Tod. Salvatore war sofort bei ihm. „Das ist der Fluch... verdammt... er bewahrheitet sich. Wir müssen das Buch verbrennen... wir müssen es endlich vernichten.“, schrie er auf italienisch. Angelo nickte. „Wir werden es tun... aber erst muss das hier entsorgt werden....“, stimmte er zu. Er nahm den Behälter, den er mitgebracht hatte und stellte das kleine Fass, was den Tod für Damiano brachte hinein. Der Behälter war recht groß und er musste auch die anderen hinein tun. Insgesamt neun kleine Fässer, deren Inhalt unbekannt war. Aber so wie der Tod von Damiano gezeigt hatte, tödlich sein konnte. „Wir müssen vorsichtig sein. Nicht das wir noch eines der Fässer öffnen...“, ermahnte er Alessandro, dem vierten Mann im Bunde. Dieser nickte und packte das nächste Fass, ohne es zu öffnen, doch er kam nicht weit. Mit einem Röcheln ging auch er zu Boden. Angelo sah ihn an und ging hin. „Sie... sind.... Curare....“, stieß Alessandro aus und schloss die Augen für immer. Angelo sah zu Victorio der erst jetzt in den Raum kam. „Nichts anfassen!“, schrie er, um wenigstens Angelo vor dem Tod zu retten. Dieser tat einen Schritt zur Seite und stellte sich an die Wand. „Der Fluch ist verdammt stark...“, stieß Angelo aus. Victorio nickte. „Wir dürfen nichts anfassen...das Buch? Wo ist das Buch?“, wollte er wissen. Angelo wies an die Tür. Victorio nahm das Buch und zündete es mit seinem Feuerzeug an. Nur wenig später stand es in Flammen und die Beiden Männer glaubten einen Schrei aus dem Feuer zu hören. Angelo machte eine Schritt nach vorn. „NEIN!! ANGELO!!“, schrie Victorio.
Andrea öffnete sie Augen. Wo war sie hier? Alles sah aus wie ein Krankenhaus, aber warum sollte sie in der Klinik sein? War etwas mit dem Kind? Sie fühlte über ihren gewölbten Bauch. Nein... hier schien alles in Ordnung. Warum dann? „Mama....?“, rief sie leise in den Raum. Doch niemand kam. „Hallo?“, rief sie etwas lauter. Eine Schwester trat ans Bett. „Frau Gerkhan... schön, das Sie wieder wach sind.... das ist wirklich sehr schön... wir werden die Temperatur messen... bitte bleiben Sie ganz ruhig liegen...“, empfahl die Schwester. Andrea spürte dass etwas nicht mit ihr in Ordnung war, aber sie konnte nicht sagen was es war. „Ich werde Dr. Rippenschlag holen...“, schon war die Schwester verschwunden. Andrea merkte erst jetzt, wie schwach sie war. Wie lange hatte sie geschlafen? Andrea richtete sich ein wenig auf. Doch nur vorsichtig. Ihr wurde sofort schwindelig, als sie zur Seite sah. „Oh Frau Gerkhan, schön sie wieder unter uns zu haben.“, meinte der Arzt erleichtert, als er die Tür aufschwang und er die bei Bewusstsein befindliche Frau sah. „Doktor, was ist mit mir passiert? Warum liege ich denn im Krankenhaus?“, wollte sie wissen und sah den Mediziner mit großen, fragenden Blicken an. „Nun, sie hatten eine starke Viruserkrankung... Leishmania donovani heißt sie. Auch setzte kurz ihr Herz aus, aber scheinbar hat der große Himmelsvater seine ganze Kraft auf ihre Genesung gerichtet.“, erklärte Dr. Rippenschlag und lächelte. Andrea sah ihn dennoch erschrocken an. „Was... was heißt das konkret? Werde ich mein Kind verlieren?“, wollte sie wissen und strich sich erschrocken über den Bauch. Doch der Arzt hob beschwichtigend die Arme. „Nein, ihrem Kind geht es, soweit wir das beurteilen können, gut. Es hat keine bleibenden Schäden davongetragen.“, beruhigte er sie. Erleichtert sackte Andrea in ihr Kissen zurück. „Schlafen sie jetzt ein bisschen. Ich werde ihren Mann holen. Er hat sich sehr große Sorgen um sie gemacht.“, meinte Dr. Rippenschlag und zog die Tür leise hinter sich zu. Als er vor der Tür stand, atmete er tief durch. Gerettet... es war fast ein Wunder, das diese Frau überlebt hatte... aber sie hatte überlebt. Nun musste er diese frohe Nachricht nur noch ihrem Mann überbringen.