Boris schnüffelte an dem kleinen Fetzen Stoff, dass in einen Plastikbeutel eingeschweißt war. „Okay Boris, das ist unser einziger Hinweis. Du musst den Kerl finden.“, stieß Julian Bender aus und hielt seinem Schäferhund das Tütchen nochmals an die Nase. Der Deutsche Schäferhund biss einige Male hinein. „Sehr gut, er hat die Witterung aufgenommen.“, meinte der Hundeführer dann und drehte sich zu den beiden anderen Kollegen um. Frank Peters und Ilona Haase sahen den Mann an. „Dann lassen sie ihn mal von der Leine. Ich will dieses Monster noch fangen, ehe es ein siebtes Opfer gibt.“, stieß der Mann aus. Julian nickte, griff sich die Leine und ließ Boris dann ziehen. Immer die Nase auf dem Boden oder in der Luft suchte der Hund seinen Weg und führte die drei Beamten aus dem Dorf hinaus, direkt auf den Wald zu. „Der Wald ist groß. Wenn er sich darin versteckt, kann es Tage dauern, bis wir ihn finden.“, knurrte Ilona. „Ja, ich weiß. Aber wir müssen ihn finden. Noch einen Doppelmord können wir uns nicht erlauben.“, erwiderte Frank und klopfte seiner Partnerin behutsam und aufmunternd auf die Schultern. „Wir finden ihn. Wir müssen ihn einfach finden. Es wird schon alles.“ „Ich will das Schwein haben. Es hat immerhin meine kleine Schwester und ihren Freund auf dem Gewissen.“, fauchte Ilona und biss sich wütend auf die Unterlippe. „Ich weiß...ich weiß...“ „Der Hund hat eine Spur...“, rief Julian plötzlich.
„Und, wie sehe ich aus?“, wollte Alex wissen, als er wieder vor Kim stand. „Wow...wie, als wenn du schon immer Arzt warst.“, grinste sie nur. Das Grinsen verschwand aber sofort wieder und sie reichte das kleine Equipment an den Einsatzleiter weiter. „Hier, das ist die kleine Kamera und das Mikro. Versuch es, unauffällig an Ben anzubringen. Und versteck die Kamera gut.“, mahnte Kim. „Keine Sorge...ich bin vorsichtig.“, erklärte Alex und zwinkerte kurz mit dem Auge, bevor er sich auf den Gefängnishof wagte. Er hatte die Kamera und das Mikro in den Sanitätskoffer gesteckt und unter Mullbinden und Desinfektionsmitteln verborgen. So würden sie es nie finden und er konnte es im rechten Moment hervorzaubern. Er sah nicht zurück, denn das würde die beiden Schwestern nur noch nervöser werden lassen. Alex ging langsam auf die geschlossene Tür zu und hob seinen Arm zum Klopfen, doch ehe er das tun konnte, wurde sie aufgerissen und zwei Hände packten den Mann, zogen ihn hinein und schon war die Tür wieder zu. „Konntet ihr irgendwas sehen?“, fragte Kim die einzelnen Posten. „Negativ...“, „Nein nichts...“ und ein erneutes „Negativ...“ waren die frustrierenden Antworten der Scharfschützen. „Jetzt bist du auf dich gestellt, Alex.“, murmelte sie nur und hoffte, dass die Schwestern nichts von ihrem Vorhaben mitbekamen.
„Los, an die Wand da, Freundchen.“, fauchte Klara Weber und drückte Alex mit der Waffe von Ben an die nächste Wand, stieß seine Beine auseinander und fing an, ihn und seine Ausrüstung zu durchsuchen. Sogar den Koffer. Hoffentlich finden sie das Mikro und die Kamera nicht, dachte Alex und ließ die Tortur über sich ergehen. „Okay...da drüben ist ihr Patient. Sollten sie versuchen, seine Fesseln zu lösen oder sonst irgendwelche krummen Dinger drehen, verpasse ich ihnen auch eine Kugel. Haben sie das verstanden?“, knurrte Klara und fuchtelte mit der Waffe vor dem Gesicht des vermeintlichen Notarztes herum. Alex nickte und schritt dann auf Ben zu, der immer noch am Rohr kauerte und vor Schmerzen die Augen geschlossen hatte. Vorsichtig kniete er sich vor den jungen Hauptkommissar hin und tätschelte kurz dessen Wangen. Zuckend regte sich Ben und schlug die Augen auf. Sie schienen jeglichen Glanz verloren zu haben. „Muss der Knebel sein? Kann ich den wenigstens abnehmen?“, fragte er die Schwestern. „Nein...der bleibt, wo er ist.“, fauchte Svenja Alex an und sah ihm bei jedem Handgriff über die Schultern. „Ich bin Dr. Alexander Hoffmann. Es wird jetzt ein bisschen weh tun, aber ich muss ihre Wunde untersuchen.“, erklärte er und zog sich die Einweghandschuhe über und machte sich gleich daran, die Wunde zu ertasten. Ben stöhnte vor Schmerzen kurz in den Knebel, sah Alex dann aber fragend an. Dieser nickte nur. „Ich...ich muss ihm die Jacke aufschneiden. Kann ich wenigstens eine Hand aus der Schelle nehmen?“, wollte Alex wissen. „Du sollst deine Arbeit machen und nicht rumlabern.“, fauchte Svenja und stieß den Mann an. Alex murrte und machte sich daran, die Mullbinde und die Pinzette aus dem Koffer. Die Kugel musste raus, doch Ben würde dabei vielleicht verbluten, wenn er nicht besonders vorsichtig war. „Okay Junge, verzeih mir, aber das wird jetzt etwas weh tun.“, erklärte Alex und führte die Kneifzange langsam in die Wunde ein.
Engin, vor drei Stunden aus seiner Ohnmacht erwacht, rieb wütend seine Fesseln an dem kantigen Tisch immer auf und ab. Dieser verdammte Gerkhan, knurrte er in Gedanken. Sofort scheuerte er seine fesseln kräftiger an der Kante ab, die schon einen leichten Riss aufwiesen. Mit einem inbrünstigen Wutschrei riss er die Fesseln entzwei und entwirrte auch den Knoten an seinen Füßen. „Jetzt nimm dich in Acht, Gerkhan, du bist fällig.“, knurrte er, nahm sich eine Waffe und rannte Richtung Ausgang. Als das erste Licht in den Gang fiel, bemerkte er die kleinen Blutflecken auf dem Boden. „Das wird einfacher als Eier suchen.“, lachte er und rannte los. Der sandige Staub klebte alsbald an seinen Schuhen und benetzte die schwarzen Beine seiner Hose. Seine Lungen brannten nach mehreren Minuten und so musste er sein Tempo verlangsamen. Doch Engin würde immer noch schneller als Gerkhan unterwegs sein und ihn sicherlich bald einholen können. Dieser kleine Türke war seiner Kragenweite doch nicht gewachsen. Immerhin war es seine Idee, dass sich seine Chefin als hilflose Zeugin ausgab, die den Lockvogel für die beiden Autobahnpolizisten spielte. Und er war es auch, der einen führenden Beamten in der höchsten Polizeibehörde auf ihre Seite ziehen konnte. Immerhin brauchten sie einen, der unter ihrem Sold stand. Engin kam an die Brücke vor dem Wald und sah auf die Planken. Da...da war wieder Blut. Gerkhan hatte also diesen Weg genommen. Bestimmt war er auch nicht weit vor ihm. Er musste jedoch immer auf die Spuren achten. Dieser Bulle war mehr als gerissen.
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