So, nachdem ich hier einige eurer Geschichten gelesen habe und davon echt begeistert war, habe ich irgendwie Lust bekommen, sowas selbst auch mal zu versuchen. Ist meine erste Story, also mal sehen, ob sie was wird. Viel Spaß!
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Erinnerung stirbt nie
Ein leicht bewölkter Himmel lag über der Dienststelle der Autobahnpolizei. Zwei Polizisten betraten lächelnd das Gebäude während am Fenster ein großer, ebenfalls lächelnder Streifenpolizist nach draußen auf den Parkplatz blickte. Belustigt schüttelte Dieter Bonrath den Kopf und zog schließlich sich abwendend die Lamellen der Schalosie zu. Dumpf schallte Rockmusik aus dem Inneren eines der Dienstwagen auf dem Parkplatz, auf den er gerade hinausgeschaut hatte. Semir und Ben saßen aufgeregt wie kleine Kinder in dem nagelneuen 3er BMW, den Semir heute das erste Mal seinen Dienstwagen nennen durfte. „Schau dir das mal an!“, rief er begeistert, während er an der Mittelkonsole hantierte. „Das ist der Fahrerlebnisschalter! Wenn man da auf ‚Sport‘ schaltet, gehen die 306 PS auf die Straße wie nix!“ „Ne ne, Semir, der bleibt schön auf ‚Eco Pro‘ eingestellt! Ich sag nur eins: Spritsparen!“ „Ach was! Wenn das Land uns jetzt schon nen 335i spendiert, kümmern die sich doch nicht um den Sprit…“ „Stimmt!“, erwiderte Ben: „Sie sollen mal froh sein, wenn du ihn nicht gleich wieder schrottest, wie den letzten.“ „Bla bla bla“, maulte Semir zurück - immernoch vertieft in die Bedienung des BMWs. „Also ich bleib da mal bei meinem E-Klasse Coupé.“, stichelte Ben weiter, während er sich genüsslich einen belegten Semmel auspackte und hinein biss. Aufgeschreckt von dem Geräusch schrie Semir völlig entgeistert: „HEY!! Untersteh dich, auf die Sitze von meinem neuen Wagen zu krümeln!“ „Mann, du wirst zu so einem Spießer wenn‘s um deine Karre geht, ey!“ Plötzlich unterbrach ein Funkspruch den kleinen Streit: „Zentrale an alle Einheiten. Schlangenlinien fahrender PKW auf der A57 Richtung Köln gemeldet. Jetzt etwa Höhe Ausfahrt Chorweiler.“ „Na dann fahren wir ihn mal ein!“, kündigte Semir grinsend an, doch noch bevor die beiden Hauptkommissare losfahren konnten, sahen sie die Chefin aus der Dienststelle rennen. „Meine Herren! Jenny und Dieter übernehmen das! Sie kommen bitte in mein Büro, ich hab da was Wichtigeres für sie.“ Zuerst leicht enttäuscht, dann aber eher neugierig folgten die beiden ihrer Chefin in ihr Büro. Den in bester Laune vorbeirennenden Jenny und Dieter schenkten sie nur ein müdes Lächeln.
„Meine Herren, ich versuche es kurz zu machen. Wir haben ein Amtshilfegesuch vom BKA erhalten. Anscheinend soll ein mutmaßlicher Terrorist von einer Spezialeinheit auf seinem Weg von Köln in Richtung holländische Grenze überwacht werden. Das BKA hat aus abgehörten Telefonaten die Information erhalten, dass möglicher Weise ein Treffen mit weiteren Leuten aus Terrorismusszene auf dem Weg dorthin stattfinden könnte. Liefert dieses Treffen Beweise, die die Männer sicher als Terroristen identifizieren, sollen sie alle hochgenommen werden. Allerdings will das BKA zuvor mehr Informationen über mögliche Ziele dieser Typen bekommen – vielleicht sogar Anschläge in Deutschland.
Ihre Aufgabe dabei wird sein, lediglich als Unterstützung die Umgebung abzusichern, damit es keine Zwischenfälle bei der Aktion gibt. Das BKA will dazu gute Leute, die sich in unserem Abschnitt auskennen.“ Semir kratzte sich dienstbeflissen am Kinn und nickt Ben zu: „Jo, gut. Scheint für uns nix größeres zu werden. Routineaktion wie schön öfters, oder?“ Während Kim Krüger dies mit einem seltsamen Blick bestätigte, der in etwa „Das möchte ich hoffen!“ hätte bedeuten können, schaute Ben eher etwas skeptisch drein: „Na dann hoffen wir mal, dass alles gut geht. Wir wissen ja nur zu gut, was bei dieser Art von Aktionen alles schief gehen kann.“ Doch Semir boxte ihn sofort in die Schulter: „Hey, so kenn ich dich ja gar nicht. Wir halten uns einfach so gut es geht aus der Sache raus. Keine Alleingänge - wie immer. Na? Bei meiner Erfahrung kann da fast nix schief gehen.“ Semir lachte auf und entlockte so auch Ben ein Lächeln, der daraufhin seine skeptischen Gedanken zu verwerfen schien: „Wann geht’s los, Chefin?“ „In einer Stunde. Sie treffen sich draußen auf dem Parkplatz mit dem leitenden Beamten.“, erwiderte sie kurz und fügte hinzu, als sie den entgeisterten und überraschten Blick ihrer besten Männer sah: „Sie wissen doch, wie das bei solchen Aktionen läuft: Strengste Geheimhaltung bis zum Schluss.“ Ben stöhnte sarkastisch: „Jaja, da muss man schon die Drecksarbeit machen, und dann kriegt man noch nicht mal rechtzeitig Bescheid.“ Die beiden Helden erhoben sich von den Stühlen vor dem Schreibtisch der Chefin und verließen das Büro. Bereits auf dem Korridor hörten sie die Chefin ihnen noch hinterher rufen: „Und passen sie ja auf den neuen Wagen auf!“ Sie konnte den bereits aus dem Sichtfeld verschwundenen Ben nur noch rufen hören: „Ich bitte Sie! Hat Semir schon jemals einen Dienstwagen geschrottet?“ Von dem freundschaftlichen Schlag in den Bauch, den er von Semir daraufhin sofort kassierte, verstummte er sofort und machte sich mit seinem Partner wieder auf den Weg nach draußen.
Zwei Stunden später hatten die beiden Hauptkommissare den Leiter der Aktion, Kriminalrat Winter kennengelernt und mit ihm sämtliche Vorbereitungen für die bevorstehende Observation getroffen. Entgegen ihrer Befürchtung, schien der BKA-Mann keinen arroganten Eindruck zu machen. Das ließ auf eine gute Zusammenarbeit hoffen, bei der man sich nicht wie der letzte Dorfbulle vorkam, der bei dem Einsatz die ganzen Arbeiten zu erledigen hatte, die auch jeder Polizeischüler ohne Probleme hinbekommen hätte. So saßen die beiden Autobahnpolizisten mit ihren Sonnenbrillen also doch recht stolz in ihrem nagelneuen Dienstwagen und beobachteten den Eingang des Wohnhauses, von dem aus in den nächsten Minuten die Fahrt des Terror-Verdächtigen losgehen sollte. Ringsum das Haus waren in Zivil gekleidete Beamte unterwegs. Nicht einmal Semir und Ben konnten erkennen, wer alles ein in den Einsatz involvierter Beamter und wer nur eine unbeteiligte Zivilperson war. Im selben Moment, als Semir dem auf dem Beifahrersitz sitzenden Ben einen verächtlichen Blick zuwarf, als dieser sich ein Sandwich in den Mund schob, trat ein Mann aus dem Wohnhaus. Fast im selben Augenblick ertönte aus dem Funkgerät die Meldung: „Einsatzleitung an alle: Zielperson 1 verlässt Gebäude. Bereit machen zum Folgen. Wagen 1 übernimmt wie besprochen die direkte Position hinter dem Zielfahrzeug, in das der Mann steigt. An der dritten Kreuzung wird gewechselt.“ Wie angekündigt stieg die eigentlich sehr unauffällig scheinende Zielperson, ein junger Mann mit roter Baseballkappe, kurz darauf in einen dunklen Audi. Mit einem gelassenen „Alles klar…“, startete Semir den Motor seines Dienstwagens und begann in einigem Abstand die Verfolgung des Verdächtigen. Die Fahrt verlief ohne besondere Vorkommnisse, der Einsatzleiter ordnete immer wieder Positionswechsel der Verfolgerfahrzeuge an, um sicher zu gehen, dass die Polizisten nicht auffliegen konnten. Auf der Autobahn angekommen klingelte Semirs Handy. „Hallo mein Schatz. Ne, im Moment ist es etwas schlecht, wir haben da mal wieder so ne größere Sache am Laufen. … Ne ne, nix Schlimmes. Ist so ne BKA-Aktion … Ja klar pass ich auf mich auf … Wie immer … Wird schon schief gehen … Ja, ich muss jetzt Schluss machen … Ja, bis heut Abend! … Ja, ich dich auch. Bis dann! Ciao, ciao … Ja, ciao!“ Im selben Moment als er aufgelegt hatte, wusste er, dass Ben neben ihm schon wieder zu grinsen begann, weil er wieder dreimal ‚ciao‘ gesagt hatte. In letzter Zeit machte er das dauernd. Aber Semir konnte sich das nach all den Jahren nicht mehr abgewöhnen und sah auch nicht ein, warum er es tun sollte. Sollte sich sein Partner doch darüber lustig machen.
Der aufleuchtende Blinker des Audis vor ihm riss ihn aus seinen Gedanken. Der Wagen der Zielperson bog auf den Autohof Eifeltor ab. Sofort machte sich in Semir ein etwas unwohles Gefühl breit. An diesen Rasthof hatte bereits so einiges erlebt, was allerdings schon Jahre zurücklag. Sofort zwang er sich, die aufkommenden Gedanken zu verwerfen und sofort gewann seine Professionalität wieder Oberhand. Im Laufe der Jahre hatte er es geschafft, die vielen Erlebnisse die man als Polizist tagtäglich hat, in eine Schublade zu stecken und diese so gut es ging verschlossen zu halten. Nur ab und zu blitzten an Orten wie diesem Erinnerungen auf, mit denen er sich zumindest im Dienst nicht aufhalten durfte.
Fortsetzung folgt...