Schnelle Schritte. Sie klangen fast panisch. Ben und Semir verlagerten ihre Konzentration von der Tür, neben der sie standen, auf das Foyer, in dem sie sich befanden. Die Schritte kamen immer näher. Gleich konnte die Person um die Ecke gelaufen kommen. Ben nickte Semir zu und richtete seine Waffe nun in die Richtung, aus der die Schritte kamen. Semir verharrte weiter in seiner Position. Je näher die Schritte kamen, desto besser war es möglich, sich ein Bild von der Person zu machen, die sie verursachte. Etwas störte Ben aber an diesen Schritten. Sie klackten schnell und hektisch auf dem Boden. Das konnten nicht die Schritte eines Mannes sein. Die Schuhe hörten sich immer mehr nach Stöckelschuhen an. „Nein, bitte nicht! Jetzt keine unbeteiligte Person!“, dachte Ben. Unsicher schaute er zu Semir. Auch er schien irritiert. Die endgültige Sicherheit hatten sie nicht. Wer weiß, zu welchen Tricks diese Terroristen griffen, um die Polizei zu täuschen und zu überraschen. Ben hatte die Verantwortung für alles, was aus seiner Richtung kam. Er hatte mit seiner Reaktion nicht nur sich selbst, sondern auch Semir zu schützen. Bei ihm lag die Entscheidung, auf die Person zu schießen oder nicht, sobald sie um die Ecke gelaufen kam. Nur im Bruchteil einer Sekunde entschied sich womöglich, wer einen Augenblick später verletzt oder tot auf dem Boden lag. Der Schweiß stand Ben auf der Stirn, doch er wagte es nicht, ihn wegzuwischen. Gleich würde die Person um die Ecke kommen. Die Schritte kamen näher und näher. Semir verließ sich voll auf seinen Partner, trotzdem war der psychische Stress für die beiden kaum auszuhalten. Das anhaltende, nahezu monotone Tack Tack Tack der Schritte machte sie fast wahnsinnig. Bens Finger zitterte auf dem Abzug. Es konnte nur noch wenige Sekunden dauern, dann würde sich zeigen, ob die auf sie zukommende Person Freund oder Feind war. Tack. Gleich. Tack. Jetzt. Tack. Plötzlich war sie da. Ben zuckte zusammen, verlor aber nicht die Kontrolle über seinen Finger am Abzug. Die Frau rannte erschrocken um die Ecke und stand nun vor den Kommissaren. Fassungslos starrte sie in die Mündung von Bens Pistole. Sie schrie auf. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Ben konnte gerade noch schreien: „Keine Angst! Polizei!“ Er nahm die Waffe herunter. In diesem Moment ertönten Schüsse von hinter der Tür. Semir fuhr zusammen. Dann schwang die Tür auf. Als Yildrim und Al-Arda aus dem Technik-Raum stürzten und sie plötzlich so nah an den Kommissaren vorbeirannten, kam es ihnen ganz unwirklich vor. Starr vor Schreck verstrich eine wertvolle Sekunde. Die Terroristen registrierten die drei Personen, die ihnen im Weg standen und rissen ihre Pistolen hoch. Reflexartig tat Semir es ihnen gleich. Ben hechtete auf die erschrockene Frau zu, die unabsichtlich in die Szene hineingeschlittert war. Er riss sie zu Boden, gerade als die ersten Schüsse ertönten und die Kugeln knapp über ihnen in die Wand einschlugen und eine Fensterscheibe durchschlugen. Al-Arda zielte erneut – da die nächsten Schüsse. Im letzten Moment hatte Semir eine Salve in Richtung der Terroristen abgefeuert. Al-Arda kippte rückwärts um und schlug dumpf auf dem Boden auf. Er regte sich nicht mehr. Yildrim war nach wie vor in Bewegung, um zu entkommen. Sein Komplize hatte es nicht geschafft. Doch er ließ sich nicht von seinem Plan abbringen. Während er rannte, feuerte er rückwärts auf Semir, der sich jedoch rechtzeitig hinter einen Vorsprung werfen konnte. Vergeblich versuchte er, Yildrim danach noch zu treffen, doch er war schon um die Ecke verschwunden, um die die bis dahin unbeteiligte Frau eine halbe Minute zuvor gekommen war. Auch Ben richtete sich wieder auf und schoss noch auf den flüchtenden Terroristen – ohne Erfolg.
Dann krachte erneut die Tür auf und Ben riss erschrocken die Waffe herum. Doch es waren nur die SEK-Beamten, die die Terroristen entdeckt hatten. Ben deutete mit einer Mischung aus Erleichterung und Hektik in die Richtung, in die Yildrim verschwunden war. Sofort setzten sich mehrere der Männer in Bewegung und auch Semir rappelte sich auf und folgte ihnen. Ben wandte sich zu der noch geschockt am Boden liegenden Frau: „Alles klar bei Ihnen?“ Sie nickte. Gerade als Ben sich aufmachen wollte, den anderen zu folgen, rief einer der dagebliebenen SEK-Beamten: „Herr Jäger, das sollten Sie sich mal ansehen!“ Er deutete in den Technik-Raum.
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